Das Amtsgeheimnis baut eine Mauer des Schweigens, hinter der sich Behörden verstecken können. Der ehemalige Journalist Josef Barth, 37, hat die Kampagne transparenzgesetz.at mitbegründet, die das Amtgeheimnis abschaffen will. Mit progress sprach er, unter anderem, über Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und Informationsmissbrauch.
progress: Sie sind Mitbegründer der Kampagne transparenzgesetz.at. Sie fordern, die staatlichen Behörden zu verpflichten, ihre Informationen zu veröffentlichen. Was ist momentan das Problem?
Josef Barth: In Österreich gilt das Amtsgeheimnis. Es besagt, dass alle Informationen der Verwaltung prinzipiell öffentlich sind, außer jene, die geheim sind. Gleichzeitig gilt aber, dass alles geheim ist, was nicht öffentlich ist. Behörden dürfen also keine Informationen, die ihnen aus ihrer behördlichen Tätigkeit bekannt sind, weitergeben. Aber Informationskontrolle ist Machtkontrolle. Nicht umsonst gibt es den Begriff des Herrschaftswissens. Je weniger mein Gegenüber weiß, desto weniger muss ich mit ihm über Dinge diskutieren. Hier bietet das Amtsgeheimnis die Möglichkeit, eine Mauer des Schweigens aufzuziehen, hinter der man sich ganz legitim verschanzen kann. Im Übrigen ist Österreich das einzige Land der alten EU 15, in dem das Amtsgeheimnis in der Verfassung steht.
progress: Wie kann ein Transparenzgesetz dieses Problem lösen?
Barth: Unser Ziel ist, den Grundsatz umzudrehen. Es soll nicht mehr gelten, dass alles geheim ist, was nicht gerade öffentlich ist, sondern prinzipiell das Öffentlichkeitsprinzip. Alles, was nicht durch einzelne Geheimhaltungsgründe, die taxativ aufgelistet sein müssen, geschützt ist, soll öffentlich sein. Die Informationen des Staates gehören den Bürgerinnen und Bürgern, die Verwaltung verwaltet sie nur.
progress: Was muss ein Transparenzgesetz enthalten?
Barth: Wir definieren das Transparenzgesetz in fünf Stufen: Erstens die Abschaffung des Amtsgeheimnisses - ein Informationsfreiheitsgesetz. Zweitens die Einsicht in die Dokumente der Verwaltung. Drittens, dass die Behörden Gutachten, Verträge und so weiter von sich aus veröffentlichen müssen. Viertens ein online-Register in dem diese Dokumente und Daten nach open data-Prinzip zugänglich gemacht werden. Und es muss fünftens jemanden geben, der das ganze überwacht und dem Bürger zur Verfügung steht, wenn dieser Probleme hat, seine Rechte durchzusetzen.
progress: Wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich für ein Transparenzgesetz einsetzen?
Barth: Ich komme aus dem Journalismus und bin daher ein natürlicher Feind des Amtsgeheimnisses. Wenn man als Journalist oder Journalistin in Österreich versucht, Informationen zu bekommen, wird einem oft vorgebetet „Das sagen wir nicht“. Man stößt an die Dreifaltigkeit aus Verschwiegenheitspflicht, Amtsgeheimnis und Datenschutz.
progress: Stichwort Datenschutz. Wo sind bei einem Transparenzgesetz die Grenzen der Informationsfreiheit?
Barth: Der einzelne Bürger wie der Staat haben Geheimhaltungsinteressen. Beides ist völlig legitim, solange es sich im Rahmen bewegt. Beim einzelnen Bürger und der Bürgerin geht es darum, dass nicht alle ihre persönlichen Daten, etwa ihr Steuerakt, von jedem anderen Bürger einsehbar sind. Der Datenschutz muss auch von einem Transparenzgesetz berücksichtigt werden, wo es um persönliche Daten von Personen geht. Ein staatliches Geheimhaltungsinteresse betrifft etwa die nationale Sicherheit. Wenn dieses Land seine Verteidigungsstrategie öffentlich macht, oder wenn die Polizei ihnen sagt, welchen mutmaßlichen Verbrecher sie gerade observiert, macht das wenig Sinn.
progress: Verwaltungsakten sind gespickt mit persönlichen Daten. Wie soll der Datenschutz praktisch gewährleistet werden?
Barth: Die Behörden müssen die Akten so führen, dass die Stellen mit persönlichen Daten der Bürger problemlos ausgespart werden können. Dieses partial access-Prinzip ist international üblich. In der österreichischen Verwaltung hat der Elektronische Akt schon sehr großen Einzug gehalten. Deshalb wäre es schon beim Anlegen eines Aktes leicht möglich zu definieren, was ein personenbezogenes Datum ist. Das wird im Falle einer Knopfdruckveröffentlichung einfach nicht mitgeliefert.
progress: Sie waren Journalist, heute schreiben Sie auf ihrer Homepage, dass Sie Bürger sind. Wie ist das zu verstehen?
Barth: Wenn man bei der Verwaltung anruft und etwas wissen möchte, wird man mit zwei Fragen konfrontiert. Erstens: „Wer sind Sie?“, oder unfreundlich „Wer sind Sie überhaupt?“ Ich bin Bürger dieses Landes, das muss reichen. Zweitens: „Warum wollen Sie das wissen?“ Das muss irrelevant sein, ich habe ein Recht darauf. Informationsrechte sind Bürgerrechte, denn der Staat sind wir alle, das steht schon in Artikel 1 der Verfassung. Alles Recht geht vom Volk aus und die Verwaltung und die Politik helfen uns, diese Gemeinschaft zu verwalten. Aber um diese sinnvoll kontrollieren zu können, um am politischen Prozess teilnehmen zu können, muss ich das Recht haben, mich zu informieren.
progress: Sie sagen „Bürger dieses Landes“. Wie funktioniert das für Menschen ohne österreichischen Pass?
Barth: Alle Informationsfreiheitsgesetze gelten immer für EU-Bürger. Einige sehen sogar vor, dass jede Person das Recht auf Information hat, das ist eine Definitionsfrage. Wenn der Grundsatz aber einmal umgedreht ist, ist die Frage nicht mehr besonders relevant. Wenn ich positiv definiere, dass Auskünfte prinzipiell zu erteilen seien, ist jede Frage zu beantworten.
progress: Die Kampagne hat bisher große Wellen geschlagen. Ende Januar ist transparenzgesetz.at online gegangen, seit Anfang März gibt es bereits einen Vorschlag aus dem Bundeskanzleramt zur Verfassungsänderung. Worauf kommt es jetzt an?
Barth: Das Bundeskanzleramt hat einen ersten Vorschlag gemacht, wie der Grundsatz des Amtsgeheimnisses in der Verfassung umgekehrt werden soll. Zum Rest, dem eigentlichen Transparenzgesetz, liegt nur eine Punktation vor. Da kann man noch viel rein- oder rausinterpretieren. Es ist alles noch zu unkonkret, als dass wir es wirklich bewerten wollen. Der Vorschlag enthält noch sehr viele Lücken. Außerdem ist er nicht gerade so formuliert, dass der Durchschnittsbürger, dem damit ein Recht in die Hand gegeben werden soll, ihn ohne juristische Vorbildung verstehen kann. Wir finden, dass eine Bestimmung, die dem Bürger ein Recht verbrieft, so formuliert sein muss, dass er es selbst versteht. Unser wichtigster Punkt ist, dass das Gesetz nicht zersplittert wird, dass nicht für Bund, Länder und Gemeinden je eine andere Regelung gilt. Wichtig ist, dass der Bürger ein Gesetz hat, mit dem er überall die gleichen Rechte hat, die gleichen Ausnahmen gelten und dass das Verfahren, mit dem er seine Rechte durchsetzen kann, überall das gleiche ist.
progress: Im Vorschlag zur Verfassungsänderung sind als Ausnahmen von der Informationspflicht etwa „außen- und integrationspolitische Gründe" oder die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" angeführt. Wenn diese so stehen bleiben, sind das nicht Gummiparagraphen, die viel Informationsherausgabe verhindern können?
Barth: Wenn Sie diese Frage stellen müssen, ist es wohl nicht ausreichend determiniert.
progress: Die Regierung arbeitet an einer Gesetzesänderung, die Grünen haben im Nationalrat einen Antrag eingebracht, der eng an ihre Forderungen angelehnt ist und das BZÖ hat aufgerufen, ihre Kampagne zu unterstützen. Auch Team Stronach wirbt mit „Transparenz“. Die FPÖ ist die einzige Partei, die sich skeptisch geäußert hat. Wo steht die Kampagne politisch?
Die Kampagne steht auf der Seite der Bürgerinnen und Bürger, die versuchen Information aus der Verwaltung zu bekommen. Da ist es auch völlig egal, wo der Bürger und die Bürgerin steht, es ist ein Bürgerrecht. Wir vertreten unsere Punkte und wir freuen uns über jede Gruppierung, die diese so übernimmt, wie wir sie gerne hätten.
progress: Eines Ihrer zentralen Argumente für ein Transparenzgesetz ist die Korruptionsbekämpfung. Wieso?
Barth: Korruption ist ein scheinbar opferloses Heimlichkeitsdelikt. Der Geschädigte ist der Staat, jede Bürgerin und jeder Bürger. Ein Heimlichkeitsdelikt gedeiht hinter den Mauern der Verschwiegenheit, Korruption meidet das Licht. Wenn ich Licht in die Sache bringe und die Verwaltung von Sonnenschein durchfluten lasse, dann stellt sich die Frage, wie Beamte und Beamtinnen handeln müssen, damit sie ihr Verhalten öffentlich rechtfertigen können. Allein das Wissen, dass die Öffentlichkeit jederzeit ein Auge darauf haben kann, ändert das Verhalten.
progress: Bis wann rechnen Sie mit einem Gesetz, das Ihren Vorstellungen entspricht?
Barth: Man soll immer auf das Beste hoffen und mit dem Schlimmsten rechnen. Es wurde in Aussicht gestellt, diese Sache noch vor dem Sommer zu regeln. Das ist wichtig, wir finden aber vor allem, dass es eine Gesamtlösung geben sollte. Wir definieren weiterhin, was für uns auf jeden Fall enthalten sein muss. Dann hoffen wir, dass in der Politik der Wille groß genug ist, das umzusetzen. Ich bin gespannt. Wenn nicht, werden wir auf jeden Fall dranbleiben und auf Punkte hinweisen, die nicht umgesetzt sind, oder wo man versucht, so große Ausnahmen zu definieren, dass die Löcher größer sind als der Käse.
progress: Wenn es bereits ein umfassendes Transparenzgesetz geben würde, was wäre Ihre wichtigste Anfrage?
Barth: Eine Sache, die uns interessiert, ist die sagenumwobene Liste der Eurofighter-Gegengeschäfte. Es hieß, Firmen, die am Eurofighterkonsortium beteiligt sind, würden viel in Österreich statt anderswo einkaufen. Es wurde aber nie veröffentlicht, bei welchen Firmen in Österreich in welcher Größenordnung was eingekauft wurde. Mit unserem Nebenprojekt fragdenstaat.at haben wir schon danach gefragt. Wir warten immer noch auf eine Antwort des Wirtschaftsministeriums. Auch meineabgeordneten.at hat es schon versucht. Da wurde die Auskunft erteilt, dass man das lieber nichts sagen möchte.
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