Anna Sawerthal

Das Reich der Mitte

  • 13.07.2012, 18:18

Der Mittelstand bröckelt. Das zeigen zahlreiche Erhebungen und Statistiken. Der Mittelstand selbst will davon nichts wissen, denn: Die Armen, das sind scheinbar immer die anderen.

Der Mittelstand bröckelt. Das zeigen zahlreiche Erhebungen und Statistiken. Der Mittelstand selbst will davon nichts wissen, denn: Die Armen, das sind scheinbar immer die anderen.

Wer ist in unserer Gesellschaft reich? Sind es die MillionärInnen mit der Villa im noblen Vorort? Oder sind es bereits die ArbeitnehmerInnen, die im Monat mehr als € 2.000 verdienen? Für manche beginnt Reichtum ab € 2.000 Nettoeinkommen, bei anderen liegt diese Grenze bei € 20.000. Wenn es um das Vermögen geht, dann gehen die Schätzungen noch weiter auseinander, so eine Statistik aus Deutschland. € 50.000 erachten manche als „reich“, bei anderen müssen schon mindestens zwei Millionen am Konto sein. Reichtum ist nicht objektiv, Fakt ist aber: Tendenziell setzen die BürgerInnen die Reichtumsgrenze immer etwas oberhalb von dem an, wo sie selbst stehen. Sie sind nicht reich, aber – und das ist der Trost – fast reich.
Somit empfindet sich eigentlich die gesamte Bevölkerung der Mittelschicht zugehörig. Von leitenden Angestellten bis hin zu Arbeitslosen sind alle nicht arm, nicht reich, sondern irgendwo dazwischen. In einer Studie wurden Deutsche gebeten, sich auf einer Skala von eins bis zehn einzutragen, wobei eins unten und zehn oben ist. Kurioserweise geben westdeutsche ManagerInnen durchschnittlich die Zahl 6,6 und ungelernte ArbeiterInnen die Zahl 4,6 auf der Skala an. Laut Selbstwahrnehmung gibt es die wirklich Armen und die wirklich Reichen nicht.
Das stimmt aber nicht. Auch wenn alle in die Mitte streben, hat diese reale Grenzen. Wer etwa mehr als 160 Prozent des Durchschnittsgehalts verdient, zählt zur Oberschicht, zur „Elite“. Wer nur 60 Prozent davon verdient, der gehört zur Unterschicht und ist somit armutsgefährdet. In Österreich liegt das Durchschnittsgehalt im Singlehaushalt momentan bei € 1.584 pro Monat. In Deutschland befinden sich 20 Prozent der Bevölkerung oberhalb und 25 Prozent unterhalb dieser Mittelschichtsgrenze. In den Köpfen der Bevölkerung allerdings leben wir in einer nivellierten Mittelstandsgesellschaft, die Klassengesellschaft ist passé.

Schön wär’s. Wenn die Vermögens- und Besitzstrukturen betrachtet werden, zeigt sich ein anderes Bild: In Österreich vereinen sich in den zehn reichsten Prozent der Bevölkerung 54 Prozent des Geldvermögens. Und jene zehn Prozent besitzen auch 71 Prozent aller Immobilien.
Wirklich problematisch ist diese Tatsache, weil sich die eigentliche Mittelschicht gerne den Eliten nahe fühlt, erklärt Ulrike Herrmann in ihrem Buch Hurra, wir dürfen zahlen. Dass die Mittelschicht sich als „fast reich“ empfindet, ist für die wirklich Reichen sehr praktisch. Denn es ist die große Masse der Mittelschicht, die bei Wahlen maßgeblich dafür verantwortlich ist, wer Politik machen darf. Wenn sie sich selbst als „Elite“ sieht, kann die Elite ihre Forderungen durchbringen – und das geschieht meist auf dem Rücken der Mittelschicht. „Die Elite muss die Mittelschicht zum Selbstbetrug animieren“, schreibt Herrmann. So lassen sich die WählerInnen der Mittelschicht einreden, dass Vermögens- oder auch Grundsteuern niedrig zu halten sind. GewinnerInnen sind vor allem die Angehörigen der Eliten.
Aber wenn jemand „fast reich“ ist, wie viel kann einen dann schon noch trennen von den oberen Zehntausend? Die Mittelschicht investiert Unsummen in die Bildung ihrer Kinder und schickt sie auf Privatschulen, während sie darauf vergisst, zu fordern, dass das öffentliche Schulsystem verbessert wird. Die Oberschicht suggeriert dem Volke tatsächlich, offen und zugänglich zu sein. Jemand müsse nur die gewisse Leistung, das gewisse Talent erbringen, um dort oben dazuzugehören. Tatsächlich sind diese Kreise aber nach unten quasi abgeschlossen, schreibt Herrmann. Die Eliten hätten es so wie der Adel perfektioniert, sich hermetisch abzuschließen und dabei ganz offen zu wirken.

Die geblendete Mitte. Realistischerweise bleiben die Schichten unter sich. Das ist schon aus soziologischen Gründen verständlich. Jedoch hält die Mittelschicht vehement an der Vorstellung fest, dass ihre Kinder mit der richtigen Leistung aufsteigen werden.
So lässt sich die Mittelschicht von der Oberschicht etwas vorgaukeln. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis etwa tönte vor einigen Jahren in der Zeit: „Wir sind bei Gott nicht reich, wir sind absoluter Mittelstand“, während das Vermögen ihres Sohnes auf € 500 Millionen geschätzt wird. Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz wiederum offenbarte in der Bild, dass sie sich kaum mehr leisten könne, mit ihrem Mann zum Italiener ums Eck essen zu gehen, obwohl sie in einem Schloss mit Kunstsammlung wohnt. Weitere Recherchen ergaben, dass sie wohl noch einige Millionen Euro besitzt.
Vielleicht nicht immer ganz so drastisch, aber die Reichen rechnen sich gerne arm. Oder zeigen sich als „einer von euch“, vor allem in der Politik. Vor zwei Monaten wurde in Österreich die Mittelstandsvereinigung Österreich gegründet. Es soll ein Forum sein, das sich für die Anliegen des Mittelstandes einsetzt. Was genau die sind, ist momentan noch nicht näher erörtert. Jedenfalls ist der Präsident der ehemalige ORF-Journalist Walter Sonnleitner.
Zum Vorstand gehören Menschen wie Ex-Billa-Chef Veit Schalle, der Banker Matthäus von Thun-Hohenstein, der Anwalt Alexander Scheer und Prinz Albert von Liechtenstein. Abgesehen davon, dass der Verein eine eindeutige BZÖ-Schlagseite hat, sind das alles nicht Herrschaften, die per Definition dem Mittelstand angehören.

Sozialschmarotzer. Während sich die Reichen also arm rechnen, werden die Armen wiederum gerne reich gerechnet. Sie werden gerne als Schmarotzer hingestellt, die ein nichtsnutziges Leben führen und die wahren LeistungsträgerInnen aussaugen. Es kommt somit zu einer totalen Verdrehung der Realitäten, die den Reichtum der Reichen fördert und die Armen ärmer macht und weiter an den Rand drängt.
Natürlich will sich die Mittelschicht von dieser verachteten Gruppe abgrenzen. Vor allem weil die Gefahr, tatsächlich abzusteigen, in den letzten Jahren gestiegen ist. Im Jahr 2000 zählten 49 Millionen der Deutschen zum Mittelstand, 2006 waren es nur noch 44 Millionen. Laut einem Rechnungshofbericht haben 2008 die ArbeitnehmerInnen der untersten zehn Prozent der Gesellschaft nur 88 Prozent von dem verdient, was sie 1998 bekamen. Dagegen haben die oberen zehn Prozent um 24 Prozent mehr verdient. 12,4 Prozent sind in Österreich armutsgefährdet, das sind ca. eine Million Menschen. „Die Angst kriecht langsam die Bürotürme hoch“, wird der Soziologe Stefan Hradil im Buch von Herrmann zitiert. Paradoxerweise fördert die große Masse genau deshalb die Wünsche der Eliten, denn: Die AbsteigerInnen, das sind die anderen.
 

Die Geister der Geisterstadt

  • 13.07.2012, 18:18

Vor einem Jahr hat ein Erdbeben die italienische Stadt L’Aquila zerstört. Der Wiederaufbau geht zäh bis gar nicht voran. Wie sich die AquilanerInnen ihre Stadt zurück erschleichen.

Vor einem Jahr hat ein Erdbeben die italienische Stadt L’Aquila zerstört. Der Wiederaufbau geht zäh bis gar nicht voran. Wie sich die AquilanerInnen ihre Stadt zurück erschleichen.

"Dal silenzio al silenzio“ steht über dem Eingang des Theaters von L’Aquila – oder dem, was davon übrig ist. Gegenüber befinden sich die Ruinen der ehemaligen Schule, kaputte Fenster, bröckelnde Fassade. Wo vor einem Jahr Kinder aus dem Unterricht gelaufen kamen, ist heute kein Mensch mehr. Nach dem Beben mussten die AquilanerInnen ihre Stadt verlassen. Auf den Theatereingang haben sie die Höllentor-Verse aus Dantes Göttlicher Komödie geschrieben: „Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer, durch mich geht man zu dem verlorenen Volke.“
Bis auf einen ausgewiesenen Weg zum Hauptplatz darf die Stadt niemand betreten. Ein zwei Meter hoher Metallzaun umgibt die zerstörte Stadt, die von SoldatInnen mit Maschinengewehren bewacht wird. Sie streifen die Absperrungen entlang, lehnen gelangweilt an ihren Fahrzeugen oder rauchen Zigaretten. Sie sollen dafür sorgen, dass kein Mensch zu den Ruinen von L’Aquila vordringt.

Die BewohnerInnen kehren zurück. An diesem Nachmittag durchbricht aber das Klappern von Stöckelschuhen die gespenstische Stille von L’Aquila. Um die Ecke kommt eine Frau mit schicker Sonnenbrille, ihre Hände in einen braunen Trenchcoat gesteckt. Flotten Schrittes geht sie auf den Metallzaun zu, blickt sich zweimal um und zieht den Zaun ein Stück zu sich. Dann zwängt sie sich wie selbstverständlich durch die schmale Lücke zwischen Absperrung und Hausmauer, putzt sich ihren Mantel ab und klappert weiter die verlassene Straße entlang. Frau Gennaioli geht „nach Hause“.
Genau ein Jahr ist es her, dass das Erdbeben im Zentrum Italiens die Stadt L’Aquila zerstört hat. Ein Jahr wartet die beschauliche Stadt auf dem Hügel der Abruzzen im eigenen Schutt darauf, aufgeräumt zu werden. 308 Menschen sind in der Nacht, als die Erde bebte, ums Leben gekommen. Frau Gennaioli und ihre Familie hatten Glück: Ihre Wohnung in der Via dei Sali blieb verschont.
Aus dem Fenster der alten Erdgeschoßwohnung winkt Großvater Gennaioli, wenige Sekunden später kommt die Tochter um die Ecke gebogen. Sie
und ihre Mutter küssen sich und fallen sich um den Hals. Da pfeift der Großvater leise durch die Finger und deutet schnell zum anderen Ende der Straße. Ein Soldat in knallgelber Warnweste blickt die Straße zu ihnen hinunter. Sofort springen die beiden in das kühle Stiegenhaus ihrer Wohnung. Leise lachen sie, als der Großvater sie mit einer Flasche Grappa in Empfang nimmt.

Das Erdbeben. Seit einem Jahr ist die Wohnung quasi unberührt. Die Familie ist nur einige Male seit der verheerenden Nacht heimlich heimgekehrt, um zu putzen. In der Spüle liegen Schwamm und Geschirrspülmittel, die Töpfe sind geordnet, auf dem Regal neben dem Esstisch liegen die Zeitungen von damals. 5. April, der Tag vor dem Erdbeben. „Wir hatten großes Glück“, erzählt Frau Gennaioli. „Um elf in der Nacht hatte die Erde bereits einmal stark gebebt, das hat vielen Menschen in L’Aquila das Leben gerettet.“ Sie flüchteten auf die Straße, die Gennaiolis überhaupt raus aus der Stadt. Die Familie besitzt ein zweites Haus etwa 20 Minuten außerhalb L’Aquilas. Um 3:32 Uhr fesselten sie die Erdstöße buchstäblich an ihr Bett. Niemand hat sich getraut, sich zu bewegen. Doch der eigentliche Schock kam erst tags darauf, als sie zurück in ihre Stadt kamen. „L’Aquila war eine einzige weiße Schlange, die langsam hin und her kroch.“ Der Schutt, die Asche, dazwischen blutüberströmte Menschen. „Wir waren umgeben von einem Geruch, den wir noch nie gerochen hatten und den wir wohl auch nie wieder riechen werden.“
Frau Gennaioli zeigt die hölzerne Kommode, die sie selbst babyblau gestrichen hat, das Schlafzimmer ihrer Kinder, die beide in diesem Haus mit ihrem Studium fertig wurden. Jeder Schritt, jeder Handgriff der Familie Gennaioli ist über Jahrzehnte erprobt. Das ist ihr Haus, hier sind sie zuhause.

Die Berlusconi-Häuser. Daran ändern auch die in Windeseile erbauten, erdbebensicheren Ersatzhäuser um L’Aquila nichts. Früher lebten etwa 80.000 Menschen in der Stadt, heute sind es 20.000, die sich am Rand der Stadt ein neues Haus schenken haben lassen. Silvio Berlusconi wusste politisches Kapital aus dem Erdbeben zu schlagen. Mit Steuergeldern ließ der ehemalige Bauunternehmer das neue L’Aquila, „L’Aquila 2“, aus dem Boden stampfen. In jeder einzelnen Wohnung wartete gekühlter Champagner auf die neuen HausbewohnerInnen, mit bis zu € 1.500 Taschengeld im Monat wurde den Menschen sofort geholfen. Währenddessen verfällt das alte L’Aquila. „Man muss Berlusconi allerdings lassen: Er hat es geschafft, binnen einen Jahres eine neue Bleibe für 80.000 Menschen zu organisieren“, sagt Frau Gennaioli.

„Wir wollen unsere Stadt zurück.“ Doch viele AquilanerInnen werden unruhig. Während die Gennaiolis in ihrer alten Wohnung Erinnerungen austauschen, füllt sich langsam der Hauptplatz mit den AquilanerInnen, die heute am Jahrestag des Bebens zurückkehren und ihrem Unmut freien Lauf lassen: „Wir wollen unsere Stadt zurück“, steht auf dem großen Transparent am Piazza del Duomo. Für sie geht der Wiederaufbau viel zu langsam voran, sie wollen endlich heimkehren. Tatsächlich wurden im vergangenen Jahr nur einige wenige Häuser renoviert, bezeichnenderweise als erstes die zwei Banken am Hauptplatz. Einige AquilanerInnen leben noch immer in Hotels an der Adriaküste. „Verwendet die Steine neu: Das L’Aquila von gestern für das L’Aquila von morgen!“, fordern sie auf einem anderen Transparent. Ein älterer Italiener schüttelt nur den Kopf, wenn er nach seiner Stadt befragt wird. „Es ist ein Desaster. Eine militarisierte Stadt und kein Geld zum Wiederaufbau.“
In der Nacht zum 6. April werden sich 25.000 Menschen zum Gedenken versammeln, für einen Tag kehrt Leben in die Stadt zurück. Doch schon am Morgen, nach den Gedenkveranstaltungen werden hier wieder nur die SoldatInnen zurückbleiben, die darauf aufpassen, dass Menschen wie die Gennaiolis nicht in die verbotene Stadt eindringen. Das wird sie aber nicht davon abhalten, es trotzdem zu tun.

Chinesisch lernen in der Schule

  • 13.07.2012, 18:18

In Wien wird auf Hochtouren an einem Lehramtsstudium Chinesisch gearbeitet. Denn in Zukunft soll Chinesisch als Wahlfach an Mittelschulen unterrichtet werden.

In Wien wird auf Hochtouren an einem Lehramtsstudium Chinesisch gearbeitet. Denn in Zukunft soll Chinesisch als Wahlfach an Mittelschulen unterrichtet werden.

Der blonde Junge in der ersten Reihe zieht aus seiner Schultasche ein rundes Plastikschüsselchen. Er zieht den Deckel ab und kramt noch zwei Stäbchen aus der Tasche hervor. Gekonnt sticht er damit in die Schüssel und fischt einige Nudeln heraus. Neben ihm sitzt ein anderer Schüler, der gerade genüsslich in einen BigMac beißt. Er fragt Frau Wan: „Frau Professor, was heißt eigentlich Stäbchen auf Chinesisch?“ „Kuàizi“, antwortet sie. „Kuàizi“, wiederholen die sieben SchülerInnen, die an diesem Nachmittag im dritten Stock des Wiedner Gymnasiums sitzen.
Ning Wan unterrichtet dort das Freifach Chinesisch. Das Wiedner Gymnasium gehört zu den wenigen Mittelschulen, die die exotische Sprache anbieten. Jeden Dienstag wird hier gepaukt, dafür müssen die SchülerInnen 130 Euro im Semester zahlen. Es war gerade chinesisches Neujahr, also lernen die Kinder heute Schriftzeichen wie „Fest“, „Neujahr“ und „Geschenke“. Die sollen sie dann auch gleich grammatikalisch anwenden, wenn Frau Wan ihnen „weil“-Sätze erklärt. Auf Chinesisch „yÁnwèi“. 

Der chinesische Knoten. In der zweiten Stunde geht’s ans chinesische Knoten knüpfen, was – wie die Sprache selbst – auch nicht leicht ist. Um die kunstvollen Dekorknoten herzustellen, muss jeder Faden richtig gelegt werden. Rot über Blau, dann eine Schlaufe, Blau über Rot und nochmal hinten rum. „So geht das nicht“, legt Michi frustriert seine Fäden beiseite. „Frau Professor, helfen Sie mir!“
Ning Wan hält ihren Unterricht sehr locker ab. Immerhin sind die Kinder freiwillig hier, meint sie. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Wenn es nach dem Willen des chinesischen Bildungsministeriums und des Sinologie-Instituts der Universität Wien geht, soll Chinesisch bald schon als reguläre zweite Fremdsprache in Mittelschulen angeboten werden, gleichwertig mit Französisch oder Spanisch. Das Interesse von Schulen in Wien und Umgebung sei groß, berichtet Richard Trappl von der Sinologie.
Zu diesem Zweck bastelt die Sinologie der Universität Wien gerade an einem Lehramts-Studium Chinesisch. Denn guter Unterricht braucht gute Lehrende. Stolz präsentiert Trappl ein Foto, auf dem er gemeinsam mit Bundespräsident Fischer und einem Vertreter des chinesischen Bildungsministeriums in der „Halle des Volkes“ in Peking zu sehen ist. Sie unterzeichnen gerade einen Vertrag, der die Wichtigkeit des Lehramtsstudiums in Österreich festlegt. Konkret fehlen zwei Fächer für das Lehramt an der Sinologie: Didaktik und Sprachwissenschaften. Bisher sind die Pläne am österreichischen Bildungsministerium gescheitert, das sich nicht entscheiden kann, ob das neue Fach nach alten oder Bologna-Strukturen eingeführt werden soll. „Es mangelt außerdem an Zeit und Geld von deren Seite“, erklärt die Sinologin Susanne Weigelin-Schiedrzik.

China zahlt. Im Vertrag wurde nun festgelegt, dass die beiden Fächer trotzdem ab Herbst eingeführt werden. Studierende können sie dann rückwirkend als Lehramt anrechnen lassen – sobald sich das Bildungsministerium über die Strukturen im Klaren ist. Der noch wichtigere Punkt ist: China finanziert die ersten sechs Jahre des Projektes.
Zeitungen beschrieben bereits 2004 Chinas „Charmeoffensive“ im Westen. In den letzten sechs Jahren wurden weltweit 328 „Konfuzius-Institute“ gegründet, das chinesische Pendant zum Göethe-Institut oder dem British Council. Trappl, der auch Leiter des Wiener Konfuzius-Instituts ist, war in den 70ern einer der ersten Sinologie-Studenten in Österreich. Früher war das Studium ein Hobby, etwas vollkommen Exotisches. „Heute ist es eine Notwendigkeit“, ist er überzeugt und sagt: „Man kann China nicht mehr ignorieren. Um die feinen Nuancen der Sprache und der Kultur zu verstehen, muss man es kennenlernen.“

Globaler Chinesisch-Unterricht. In den USA gibt es bereits 2400 Schulen, die Chinesisch anbieten – meistens sind die Lehrenden von China finanziert. Auch in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien wird das Fach immer populärer. Und das, obwohl die chinesische Sprache Europäer-Innen sehr fremd ist. Die Grammatik selbst sei nicht kompliziert, bestätigen sowohl Trappl als auch die SchülerInnen des Wiedner Gymnasiums. Aber es sind die Tonalität und die Schriftzeichen, die viel Disziplin und Lernaufwand benötigen. 2000 Schriftzeichen müssen gelernt werden, damit alleine eine Zeitung gelesen werden kann.
Die SchülerInnen des Wiedner Gymnasiums können momentan 50-60 Schriftzeichen erkennen, selber schreiben kann er 20, sagt Michi, während er weiter an seinem chinesischen Knoten arbeitet. Der Knoten will einfach nicht so ausschauen wie der seiner Lehrerin. Auf die Frage, was schwieriger sei, Chinesisch oder Knoten knüpfen, sind sich die SchülerInnen einig: Chinesisch.

Ein Putsch ist ein Putsch ist kein Putsch

  • 13.07.2012, 18:18

Vor beinahe einem Jahr putschte die Opposition in Honduras den demokratisch gewählten Präsidenten. Eine Welle der Entrüstung schwappte daraufhin durch Amerika. Wen interessiert´s heute noch? Niemanden.

Vor beinahe einem Jahr putschte die Opposition in Honduras den demokratisch gewählten Präsidenten. Eine Welle der Entrüstung schwappte daraufhin durch Amerika. Wen interessiert´s heute noch? Niemanden.

Wir erinnern uns: Es war am 28. Juni 2009 als Manuel Zelaya unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Dem damaligen, rechtmäßig gewählten Präsidenten von Honduras drückten Militärs eine Pistole an die Schläfe und brachten ihn, noch in Pyjamas, außer Landes nach Costa Rica. Demos auf den Straßen von Tegucigalpa, der Hauptstadt, wurden ignoriert oder unterdrückt. Durch die Weltgemeinschaft ging ein Schrei des Entsetzens: Der erste Putsch in Lateinamerika seit fast 20 Jahren!
Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) suspendierte Honduras, die EU stoppte ihre Hilfszusagen für das Entwicklungsland. Hillary Clinton konnte sich vielleicht nicht sofort zu dem Wort „Putsch“ durchringen, die Position der USA war aber – zumindest auf offizieller Ebene – klar. Weg mit den PutschistInnen. 

Zelayas lange Heimreise. Manuel Zelaya, der Mann mit Cowboy-Hut und Lederhosen, versuchte in diesem heißen Sommer dreimal in sein Land zurückzukehren, dem er eigentlich als Präsident vorstand. Einmal flog er gen Tegucigalpa, wo ihm Panzer die Landebahn versperrten. Einmal versuchte er zu Fuß die Grenze zu passieren. Das tat er auch, einige Meter, rief seine Familie an und kehrte wieder um. Denn wenige Meter im Landesinneren warteten Panzer und Militärs auf ihn.
Ende September gelang ihm schließlich die heimliche Einreise. Seitdem hielt er sich in der brasilianischen Botschaft verschanzt, dem „Widerstands-Hauptquartier“.
Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Manuel Zelaya ist nicht mehr Präsident von Honduras und lebt seit einigen Wochen wieder in Costa Rica. Die weltweiten Proteste gegen den Putsch von Honduras sind verstummt, Zelayas Rivale Porfirio Lobo regiert nun das Land.
Was ist passiert? Wie wurde aus dem Schrei des Entsetzens, der öffentlichen Erregtheit, der weltweiten Verurteilung der Geschehnisse des 28. Junis ein globales Schweigen? „Nun denn, so sei es“, schweigt die Welt.

So kam es zu dem Putsch. Um das zu verstehen, lohnt sich – wie so oft in lateinamerikanischen Belangen – ein Blick auf die USA. Honduras ist das kleinste Land Lateinamerikas, die sprichwörtliche “Bananenrepublik“, und war über lange Strecken des 20. Jahrhunderts hinweg mehr Kolonie der USA als eigenmächtiger Player. Dass die USA rein gar nichts von dem geplanten Putsch wussten, ist daher verwunderlich. Obama kündigte von Beginn seiner Amtszeit aus an, die Beziehungen zu lateinamerikanischen Ländern verbessern zu wollen. Wie ernst das gemeint war, bleibt aber nach den Geschehnissen in Honduras fraglich.
Was in der Zeit vor dem Putsch in Honduras passierte, ist nicht ganz einfach. Vor Manuel Zelaya fürchteten sich die herrschenden Eliten bei seiner Amtsübernahme 2005 wenig, war er doch selbst reicher Viehzüchter. Über die Jahre kehrte er sich aber immer mehr Hugo Chavez zu, dem venezolanischen linken “Diktator“. Das half der heimischen Wirtschaft und Zelayas Popularität beim Volk. Die heimischen Eliten beobachteten den Richtungswechsel aber mit Argwohn.
Als Zelaya 2009 schließlich eine Verfassungsreform ankündigte, warfen sie ihm vor, bloß eine weitere Amtszeit anzustreben. Seine würde nämlich mit den Wahlen Ende November auslaufen. Zelaya würde seinem Vorbild Chavez oder Evo Morales in Bolivien nacheifern. Das wies Zelaya natürlich zurück. Zum Zwecke der Verfassungsreform setzte er eine unverbindliche Volksbefragung für Ende Juni an.
Das Volk kam aber nicht mehr dazu, seine Stimme abzugeben. Honduras war gespalten. Zelayas Gegner haben die Chance genutzt und ihn außer Landes gebracht.

Die Rolle der USA. Schon im Juli begrüßten einige amerikanische RepublikanerInnen den Putsch. Das offizielle Amerika unter Obama war, genauso wie die EU oder die OAS, dagegen. Wie es dazu kommen konnte, dass die USA schließlich klein beigaben, dazu seien folgende Begebenheiten aufschlussreich:
Thomas Shannon, Unterstaatssekretär im amerikanischen Außenministerium, war Teil der Delegation, die mit den streitenden Parteien eine diplomatische Lösung verhandeln sollte. Er überredete sie tatsächlich zu folgendem Abkommen: Zelaya würde noch vor den Wahlen wiedereingesetzt, allerdings mit Zustimmung des Kongresses, und es würde eine Regierung der „nationalen Einheit“ gebildet werden, sprich beide Seiten mitwirken lassen.
Der deutsche Politikwissenschaftler Benedikt Behrens schreibt in seiner Analyse: „Man kann nur spekulieren, warum Zelaya die Bedingungen akzeptierte, seine Wiederwahl ausgerechnet von dem ihm feindlich gesonnenen Parlament abhängig zu machen – möglicherweise vertraute er auf den Willen der US-Regierung.“
Ein Fehler, wie sich herausstellte: Der Kongress setzte die Wiedereinsetzung nicht auf die Tagesordnung. Thomas Shannon meinte Ende Oktober, dass sie doch nicht unbedingt vor den Wahlen stattfinden müsste. Und falls der Kongress gänzlich verweigere, müsste das auch anerkannt werden.

Machtkämpfe im amerikanischen Senat. Der Clou an der Sache spielte sich aber im amerikanischen Senat ab: Dort blockierte der Republikaner Jim DeMint ein Vorhaben Obamas. Und zwar wollte Obama Thomas Shannon durch den Politologen Arturo Valenzuela ersetzen. Doch DeMint war dagegen, weil Valenzuela wiederum klar gegen den Putsch in Honduras war. Just als das Außenministerium erklärte, die Wahlen in Honduras anzuerkennen, beendete er die Blockade.
Bei der zeitgerecht am 29. November durchgeführten Wahl gewann schließlich Porfirio Lobo. Es gab keine unabhängigen WahlbeobachterInnen. Die USA akzeptierten das Ergebnis. Fehlte nur noch die Wahl des Kongresses, die aber erwartungsgemäß zur Farce wurde: 111 von 128 Stimmen lehnten am 2. Dezember eine Wiedereinsetzung Zelayas ab. 

Die Smart Power der USA. Manche BeobachterInnen meinen, dass Teile des amerikanischen Militärs immer schon von dem Putsch-Plan gewusst hatten und diesen auch unterstützten. Andere sagen, Honduras sei ein Prototyp einer neuen amerikanischen Strategie gegen links-gerichtete Regierungen in Lateinamerika. Smart Power bezeichnet eine Kombination diplomatischer Mittel, wirtschaftlichen Einflusses und „legalen demokratischen“ Manövern. Durch diese „intelligente Macht“ soll der amerikanische Weg, die Übermacht der USA in Lateinamerika beibehalten werden, was bestimmt keine Wende einläuten wird.
Ob das tatsächlich wahr ist, oder ob Obama schlichtweg vor politischen Widerständen im eigenen Land klein beigeben musste, ist fraglich. Fakt ist, dass die Ereignisse des 28. Junis 2009 in der Weltöffentlichkeit in Vergessenheit geraten. Und dass die Menschen in Honduras Spielball in einem großen Machtkampf zwischen linken und rechten Kräften in Lateinamerika sind. Interessant ist jedoch, und das ist wohl der einzige positive Effekt, dass heute in Honduras 80 bis 85 Prozent mehr Exemplare der Verfassung verkauft werden als vor dem Putsch.

David Schalko: Weiße Nacht

  • 13.07.2012, 18:18

Es war nach der Folge von „Willkommen Österreich“, in der Stermann und Grissemann sich über den verstorbenen Jörg Haider und seinen schluchzenden Pressesprecher Stefan Petzner lustig gemacht haben.

Es war nach der Folge von „Willkommen Österreich“, in der Stermann und Grissemann sich über den verstorbenen Jörg Haider und seinen schluchzenden Pressesprecher Stefan Petzner lustig gemacht haben. Da kam David Schalko die Idee zu dem blumig-schwülstigen Roman über zwei ungleiche Lebensmenschen. Stefan Petzner alias Thomas und der Messias-gleiche Jörg Haider einfach als „er“. Wenn David Schalko für Stefan Petzner denkt, dann hört sich das so an:
„Wir lachten wie kleine Kinder, die der Welt einen gemeinsamen Streich gespielt hatten. Plötzlich hielt er inne, schüttelte den Kopf und kam langsam näher. Wie ein Fuchs, der hinter seinem Bau hervorlugte. Er näherte sich meinem Ohr, hielt die Nase nur einen Hauch entfernt. Ich konnte seinen warmen Atem spüren. Wie ein sanfter Wellengang am See. Lebkuchen.“
Absatz.
„Und er flüsterte: ‚Eternity, Thomas.’“

Eternity. Wie eine Ewigkeit fühlt es sich auch an, die 134 Seiten von „Weiße Nacht“ durchzuackern. 134 Seiten geballter Trash, schleppende Schilderungen einer mystisch-faschistoiden Märchenwelt. Pseudo-dramatische Handlungsstränge führen durch ein pseudo-absurdes Kärnten, gequälte No-na-Wortwitze führen einen Absatz zum nächsten. Mit jeder Seite, die umgeblättert wird, wird das Seufzen der LeserInnen tiefer und gequälter. Kurzum: „Weiße Nacht“ ist grottenschlecht.
Doch der Autor wäre nicht David Schalko, wenn das nicht seine Intention gewesen wäre. Dass er dabei leider nicht wahnsinnig witzig ist, mag eine andere Geschichte sein. Jedenfalls lehnt er sich mit dem „Experiment“, wie es der Falter nennt, ziemlich weit hinaus. Nicht unbedingt deswegen, weil er die Liaison Petzner-Haider ins Lächerliche zieht (wie originell ist das heute noch?), sondern weil er den LeserInnen damit sehr viel zumutet. „Mein Buch lehnt sich an die Heimatromantik der 1930er-Jahre an. Ich habe die faschistoiden, verkitschten, esoterischen Bilder übernommen.“ Blaue Bergseen, grüne Wiesen, zwitschernde Vöglein, dazwischen die „Landesmutter“, mit der sie auf die Jagd gehen, das Projekt eines „Endless Summers“ für ganz Kärnten. Doch nur wenige Menschen haben den Heimatroman der 1930er Jahre vermisst. Er zieht sich wie ein Strudelteig. Daran ändert auch die brisante homoerotische Beziehung von Jörg Haider und Stefan Petzner nichts.
Beeindruckend ist alleine das Durchhaltevermögen, mit dem Schalko alle Klassen der Schundliteratur in dem Roman vereint: Heimatroman, Groschenroman, esoterische Ratgeber, bis hin zu Karl Mays Winnetou-Büchern. Der Mix aus Spaßkultur, Esoterik, Katholizismus und Deutschtümelei zeichnet ein originelles Bild der modernen „Rechten“ und trifft mitten ins sonnige Herz von Haiders Kärnten. Nicht so, wie es realpolitisch war, aber so, wie es phantastischer Weise sein könnte.
Leider geht die spannende Idee in den nicht enden wollenden Schilderungen jenes phantastischen Kärntens unter. Das Buch macht einfach keinen Spaß. Ursprünglich hat Schalko „Weiße Nacht“ als Kurzgeschichte geschrieben. Dabei hätte er es belassen sollen.

David Schalko, Weiße Nacht Czernin 2009, 134 S., 16,90€

Die ewige Party

  • 13.07.2012, 18:18

Nach Rom gehen und kein Italienisch sprechen ist ein Sprung ins kalte Wasser. Und ein Abenteuer mit Irrwegen.

Nach Rom gehen und kein Italienisch sprechen ist ein Sprung ins kalte Wasser. Und ein Abenteuer mit Irrwegen.

Kaum war ich in Rom angekommen, in diesem verregneten Jänner, flatterten die E-Mails beinahe täglich in meinen Posteingang.
„Benvenuto, ti invitiamo al Cuccagna Pub – il piu famoso Cocktail Bar!!! Cocktails per gli studenti Erasmus solo 3,50€, vieni vieni!!“
Morgen wird es eine Einladung in die In-Disco Loft sein, übermorgen eine Einladung zum Picknick im Circo Massimo, Sackhüpfen inklusive - Wein und Bier wird vom Erasmus Student Network (ESN) gratis zur Verfügung gestellt. Demnächst steht auch die „Elegant Party“ im Alpheus an, und schon jetzt wird auf den zweitägigen Ausflug nach Sizilien aufmerksam gemacht.
Mangels Alternativen geht es heute Abend also in die Cuccagna- Bar, malerisch gelegen in einer Seitengasse des „schönsten Platzes Europas“, dem Piazza Navona, mitten im centro storico von Rom. Die ewige Stadt platzt vor kulturellen Highlights, kleinen Plätzen, Kunstschätzen aus allen Epochen der Geschichte; an jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken. Rom ist ein spannendes Chaos, erfüllt mit Autohupen, Vespagetröte und Handyklingeltönen. Das kann mitunter auch stressig und verwirrend sein.
80 Prozent aller Erasmusstudierender halten sich das erste Mal für längere Zeit im Ausland auf, daher gibt es auch hier in Rom einen Ableger der Non-Profit-Organisation ESN, die versucht, den Neulingen den Einstieg leichter zu machen, indem sie Partys, Ausflüge und ähnliche Gelegenheiten zum interkulturellen Austausch organisiert. ESN bietet einen ersten Anker in einer neuen fremden Stadt. Man hat vielleicht noch kein Zimmer in Rom, aber nach nur einer Woche schon hunderte neue FreundInnen, die aus allen Ländern Europas kommen.

Die Sprachbarriere. Es sind die kleinen und großen Probleme des Auslandsemesters, die die Erasmus- Studierenden zusammenschweißen. Wie finde ich ein günstiges Zimmer, wie finde ich mich auf der fremden Uni zurecht? Und über allem steht die Sprachbarriere. Während der durchschnittliche Erasmus-Studierende gut Englisch spricht, ist das unter den heimischen italienischen Studierenden nicht so sicher. In der Cuccagna scheinen alle recht froh darüber zu sein, dass alle mit den gleichen Problemen kämpfen. Und so stößt man gerne gemeinsam darauf an.
Anschluss finden kann man hier nur zu anderen Erasmus-StudentInnen, denn die genießen bei fast allen ESN-Veranstaltungen ermäßigten oder gar freien Eintritt, während ItalienerInnen immer den (teils sehr hohen) Normalpreis zahlen müssen. Wie man Kontakt zum italienischen Alltag herstellt, bleibt einem selbst überlassen. Die Möglichkeiten stehen und fallen mit den eigenen Italienisch-Kenntnissen.

Grenzüberschreitende Freundschaften. Eines Abends redet ein dänischer Politikwissenschaftsstudent im Dandy-Look gerade vor dem Lokal auf einige ItalienerInnen ein. „Franco Fini is right! You have to beware of the immigrants!“ Manche der ZuhörerInnen wenden sich ab, bei einigen erwacht nun das Interesse. „Do you really want them to overtake Italia?! In the future you will loose your language, non c‘e Italia, solo Islamistan!“ Große Zustimmung von Seiten der ItalienerInnen. Sie prosten sich zu und legen die Arme gegenseitig um ihre Schultern. Der Beginn einer grenzüberschreitenden Freundschaft?

Nicht alles ist billig. „Erasmus ist die längste Party meines Lebens“, bringt es eine deutsche Studentin eines Abends auf den Punkt. Leider ist sie nicht die billigste. Während ErasmusstudentInnen in Rom sehr viele Vergünstigungen genießen, ist das Konzept „Erasmus“ trotzdem noch lange nicht sozial ausgereift. Bei einer durchschnittlichen Monatsmiete von 400-500 Euro pro Zimmer in Rom machen die 280 Euro monatlichen Zuschuss noch lange keine Überlebensbasis aus.
Vier Monate und drei Italienisch- Intensivkurse später sitze ich am Piazza von San Lorenzo, dem StudentInnen-Viertel von Rom. Im Sommer treffen sich hier abends täglich hunderte Studierende und lassen bei selbst mitgebrachtem Bier und Wein die Abende ausklingen. ESN ist nicht hier.
Die ESN-MitarbeiterInnen sind selber alle ErasmusabsolventInnen. Das erklärte Ziel von ESN ist, so wird mir gesagt, „holding on to the Erasmus-Spirit.“ Und was ist dieser „Erasmus-Spirit“? Ein junger Italiener meint, dass ich das wissen werde, wenn ich wieder zuhause bin. Nach einer kurzen Pause ruft ein anderer lachend herüber: „Alcohol.“, und sofort ein weiterer: „To get in touch with French and Italian boys!“