Anna Ellmer

„Warum reden sie über meine Generation?“

  • 05.04.2014, 12:28

Entgegen der gängigen Darstellung der zweiten Generation von Migrant_innen als ewig Fremde und Dauergäste, macht das transnationale Film- und Multimediaprojekt „with wings and roots“ sichtbar, wie Kinder von Migrant_innen in Berlin und New York allen Herausforderungen zum Trotz Zugehörigkeit neu denken und leben.

Entgegen der gängigen Darstellung der zweiten Generation von Migrant_innen als ewig Fremde und Dauergäste, macht das transnationale Film- und Multimediaprojekt „with wings and roots“ sichtbar, wie Kinder von Migrant_innen in Berlin und New York allen Herausforderungen zum Trotz Zugehörigkeit neu denken und leben. 

Seneit blickt in die Kamera und schmunzelt: „Wenn mich jemand fragt, woher ich komme, sag’ ich manchmal aus Spaß, weil ich sie ärgern will: aus Mannheim. Ich mach’ das gerne, so provokativ zu sagen: Wieso? Ich bin auch Deutsche! Das find’ ich total amüsant.“ Dabei ist das keineswegs ein Witz. Die junge Frau, die heute in Berlin lebt, ist tatsächlich in der baden-württembergischen Quadratestadt aufgewachsen. Nichtsdestotrotz provoziert diese biographische Tatsache so manche_n deutsche_n Bürger_in, weil Seneit, die als Kind mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Eritrea geflohen ist, eben Seneit heißt und schwarz ist. „Die Deutschen reden zwar über Integration und so, aber letztendlich ist es so: Bei den einzelnen Deutschen ist einfach noch nicht angekommen, dass es auch schwarze Deutsche gibt, oder viele andere Deutsche mit einem anderen sozialen und kulturellen Hintergrund“, konstatiert Seneit und fügt hinzu: „Leben in Deutschland ist ein bisschen so wie auf einer Party zu sein, auf die man eigentlich nicht so richtig eingeladen wurde.“

Die Vielfalt der zweiten Generation. Seneit ist eine von vielen, die ihre Geschichten im Rahmen des Projekts „with wings and roots“ erzählt haben. Vor fünf Jahren begann dessen Gründerin, die in Brooklyn lebende Dokumentarfilmerin Christina Antonakos-Wallace, in Berlin und New York Interviews mit Kindern von Migrant_innen zu führen. „Das hat auch viel mit meiner eigenen Geschichte und meinen eigenen Erfahrungen zu tun“, erzählt sie im Interview mit progress: „Ich wollte einen Film über meine Altersgenoss_innen machen, über die Themen, die ich als Fragen meiner Generation sehe. Ich erzähle zwar nicht meine eigene Geschichte, aber ich werfe einen Blick auf Erfahrungen, mit denen ich mich persönlich verbunden fühle.“ Antonakos- Wallaces Anspruch war dabei von Anfang an, die Kreativität und die Intelligenz jener Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, über die Mainstream- Medien in Zeiten der Integrationsdebatte zwar viel zu sagen haben, dabei aber allzu oft Stereotype einer orientierungslosen „zweiten Generation“ reproduzieren: geprägt von Bildungsdefiziten, gefangen in Parallelgesellschaften oder zerrissen zwischen scheinbar miteinander unvereinbaren Kulturen. Der tatsächlichen Vielfalt der Stimmen, Perspektiven und Lebensrealitäten von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte wird dabei kaum Raum gegeben.

Angetreten, einen Perspektivenwechsel zu vollziehen und eine Plattform zu schaffen, die es Kindern von Migrant_innen erlaubt, für sich selbst zu sprechen, ist „with wings and roots“ mittlerweile zu einem vielschichtigen Bildungs- und Multimediaprojekt herangewachsen, an dem mehr als 30 Personen ehrenamtlich mitarbeiten. Zwei Kurzfilme und Bildungsmaterialien, mit denen unter anderem in Schulklassen und Workshops gearbeitet wird, sind entstanden. Noch heuer wird ein abendfüllender Dokumentarfilm veröffentlicht. Außerdem wird Seneits Geschichte gemeinsam mit jenen von über 50 weiteren jungen Menschen auf einer zweisprachigen, interaktiven Webseite der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus einer Vielzahl kurzer Videoclips wird im Netz eine umfassende Geschichtensammlung geschaffen, in der ganz unterschiedliche junge Berliner_ innen und New Yorker_innen ihre Positionen und multiplen Zugehörigkeiten in Zusammenhang mit der Migrationserfahrung ihrer Eltern und Großeltern, vor allem aber auch mit den Exklusions- und Inklusionsmechanismen der deutschen und der amerikanischen Gesellschaft reflektieren. Mit Hilfe einer aufwendig gestalteten Zeitleiste der deutschen und amerikanischen Migrationsgeschichte wird dort auch aufgezeigt, wie diese individuellen Geschichten mit gesellschaftlichen und politischen Ereignissen verzahnt sind: von der deutschen Kolonialgeschichte bis zu aktuellen Diskussionen rund um eine Reform der Immigrationsgesetze in den USA. „Damit ist auch der Anspruch verbunden, Wissenslücken zu schließen“, erklärt Olga Gerstenberger, die in den letzten zwei Jahren intensiv an der Erstellung dieser Zeitleiste mitgearbeitet hat: „Die Stereotype in den Köpfen der Menschen haben nämlich einerseits viel mit historischen Prägungen zu tun und gleichzeitig auch mit einem gewissen Nicht-Wissen.“

Christina Antonakos-Wallace, Regisseurin und Produzentin von „with wings and roots“. Foto: with wings and roots

Auch der komparative Zugang soll dazu beitragen, das Thema Migration in ein neues Licht zu rücken, erklärt Christina Antonakos-Wallace: „Das Thema in einem neuen und transnationalen Kontext zu sehen, soll dem Publikum auf beiden Seiten des Atlantiks die Möglichkeit geben, zu erkennen, dass die Dinge nicht unbedingt so sein oder bleiben müssen, wie sie sind. Der Vergleich soll in Frage stellen, dass die jeweiligen Vorstellungen von nationaler Identität und Fremdheit natürlich oder unveränderbar seien.“ Als Vorbild will sie aber weder die deutsche, noch die US-amerikanische Gesellschaft verstanden wissen, denn wie ein roter Faden durchzieht eine Gemeinsamkeit die sonst so heterogenen Geschichten, die junge Menschen auf beiden Seiten des Ozeans erzählen: das Dilemma, in einem Umfeld aufzuwachsen, das sie alltäglich daran erinnert, dass sie nicht „wirklich“ dazu gehören, zugleich aber konstant ihre Verpflichtung betont, sich zu integrieren.

Herkunftsdialoge. Obwohl Dina nicht in Mannheim, sondern in New York aufgewachsen ist, kennt auch sie die von Seneit angesprochene Krux nur allzu gut. Sie blickt ernst in die Kamera: „Wenn die Leute mich fragen, woher ich komme, denke ich, aus New York. Und dann, wenn sie nicht zufrieden sind, mit dieser Antwort, fragen sie: Wo kommst du wirklich her? Als ob das ‚wirklich‘ alles klären würde. Oder: ‚Wo kommen deine Eltern her?’“ Der Migrationsforscher Mark Terkessidis bezeichnet diese „Herkunftsdialoge“ als „subtile Form der Verweisung“, die immer auch kommuniziert: Mit deinem Aussehen und deinem Namen gehörst du eigentlich woanders hin. Die alltägliche Frage nach der „wirklichen Herkunft“ spiegelt wider, „wie eng Zugehörigkeit heute noch immer definiert wird“, erklärt Christina Antonakos-Wallace. Akim, dessen Familie in den 80er-Jahren aus Vietnam geflüchtet ist, fasst das in einem ihrer Kurzfilme so zusammen: „Hier in Deutschland ist man halt noch immer ein Ausländer. Und man ist ja offensichtlich ein Ausländer. Aber das Krasse ist ja auch, wenn man nach Vietnam geht, dass man dann auch ein Ausländer ist.“

Derya, die sich selbst als „Deutsch-Türkin, weder türkisch noch deutsch, eben Deutsch-Türkin“ bezeichnet, sieht die Logik der Deplatzierung auch im deutschen Integrationsdiskurs verankert: „Als es damals im Fernsehen oder in den Zeitungen anfing, dachte ich: ‚Hä? Warum Integration? Warum reden sie von meiner Generation? Ich bin doch integriert. Ich bin doch hier aufgewachsen.‘“ Und sie ergänzt: „Man kennt ja die Straßen in- und auswendig. Und dass man dann nicht akzeptiert wird oder mit irgendwelchen Vorurteilen belastet wird, trifft einen schon sehr oft.“

Sonny erzählt davon, wie es war als Sikh in Charlotte, North Carolina, aufzuwachsen: „Während dieser Zeit hatte ich ein wahres Verlangen, weiß zu sein. Ich wollte nicht diese fremde Gestalt sein, wo immer ich hinging. Ich wollte John heißen, eine gute Frisur haben und Basketball spielen.“ Von Mobbing in der Schule, „Ausländerklassen“ und Hauptschulempfehlungen, „weil für Ausländerkinder eben nicht mehr geht“, wird in der Geschichtensammlung viel erzählt; aber auch davon, wie Juliana, allen Entmutigungen durch LehrerInnen und ihr Umfeld zum Trotz, die Highschool abschließt, wie Ipek in Berlin ihre erste lesbische Gruppe gründet und Sonny heute in New York als Teil der Sikh Coalition gegen rassistische Diskriminierung kämpft.

Sonny ist eines von 50 Kindern von Migrant_innen aus Berlin und New York, die im Rahmen des Projekts „with wings and roots“ ihre Geschichte erzählt haben. Foto: with wings and roots

Welche Rolle für die jungen Protagonist_innen dabei ihre Wurzeln spielen, ist völlig unterschiedlich. „In einer Gesellschaft wie dieser, in der es einen großen Assimilationsdruck gibt, ist es, denke ich, sehr wichtig für uns als zweite Generation von Einwanderer_ innen, uns mit unserer Herkunft zu identifizieren und stolz darauf zu sein,“ sagt Sonny. Zugleich kritisiert er ein Verständnis von Kultur als etwas, das es zu bewahren und konservieren gilt. Akim stellt fest: „Wurzeln? Wenn man die lange genug kocht, werden sie auch weich“ und schenkt Tee ein. Und Dina meint: „Ich denke es ist wichtig für manche Leute, mit ihren Wurzeln verbunden zu bleiben. Aber ich habe das Gefühl, dass mich diese Frage nie betreffen wird.“

Bewegte Zugehörigkeiten. Nicht zuletzt thematisiert „with wings and roots“, welch vielfältige Antworten die Kinder von Migrant_innen auf die Frage nach der eigenen Zugehörigkeit und dem Zuhause finden: „Ich glaube, gerade jetzt ist Brooklyn Zuhause, aber ich denk, dass ich ein anderes Zuhause auch woanders kreieren kann“, sagt Sonny dazu. „Heimat ist für mich, wo ich meinen Kopf hinlege“, meint Miman und deutet das Bild vom Leben zwischen den Welten im positiven Sinne um. Statt als Anlass zur Krise sieht er es als Vorteil: „Ich bin halt zwischen zwei Stühlen aufgewachsen, ich durfte zwei Kulturen erleben und ich hab das für mich so geregelt, dass ich mir von beiden das Beste genommen habe.“ Seneit strahlt regelrecht, wenn sie erzählt: „Für mich ist das Beste einfach nur, dass ich die Wahlmöglichkeit habe. Ich kann gerne in Deutschland leben und mich wohlfühlen und ich  kann gerne in Eritrea leben und mich wohlfühlen. Und das find ich toll. Da fühl ich mich reich.“ Eine eindeutige Identität gibt es für sie nicht: „Das ist einfach wie so ein ganzer Blumenstrauß.“ Auch Dina lacht, als sie sagt: „Ich denke, ich bin mehr als alles andere Amerikanerin, da ich sehr verwirrt bin. Denn auch so viele andere Amerikaner_innen, die unterschiedliche kulturelle Hintergründe haben, sind verwirrt.“ Und schließlich äußert auch sie Zweifel, ob es tatsächlich eindeutiger Antworten auf die Frage der Zugehörigkeit bedarf: „Mag es eine komplizierte Angelegenheit sein! Ehrlich gesagt, mag ich es, dass es schwierig ist, diese Frage zu beantworten.“

Anna Ellmer hat in Wien und Paris Kultur- und Sozialanthropologie studiert.

Für ein ausführliches Interview mit der Regisseurin und Produzentin Christina Antonakos-Wallace lies weiter  unter Bewegte Zugehörigkeiten.

 

Für weitere Informationen über „with wings and roots“: http://withwingsandrootsfilm.com.

Der Kurzfilm „Article of Faith“ – ein Portrait des in Brooklyn lebenden Aktivisten Sonny Singh.

„With wings and roots“ ist ein offenes und stets wachsendes, kollaboratives Projekt. Wer selbst daran mitarbeiten möchte, seine eigene Geschichte erzählen möchte, ein Film-Screening oder einen Workshop organisieren oder sich auf andere Art beteiligen möchte, ist herzlich dazu eingeladen, über Facebook und/oder die Website mit dem Team in Kontakt zu treten.  

Große Gefühle

  • 24.03.2014, 15:58

„I feel it in my bones“

Die Knie schlottern vor Angst, es treibt uns die Schamesröte ins Gesicht, wir schäumen vor Wut, strahlen vor Freude und haben Schmetterlinge im Bauch. Die Art und Weise, wie wir über Gefühle sprechen, weist dem Körper eine wichtige Rolle zu. Die Frage, in welchem Verhältnis die physische Komponente unserer Emotionen zu sozialen und kulturellen Faktoren steht, ist unter GefühlsexpertInnen jedoch umstritten. NeurobiologInnen betrachten Emotionen primär als Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels von Botenstoffen im Gehirn. Das sei zu kurz gegriffen, kritisieren viele Sozial- und KulturwissenschafterInnen und plädieren stattdessen dafür, Emotionen als konkrete, historisch und kulturell situierte soziale Phänomene zu verstehen. Ekel beispielsweise manifestiert sich als körperliches Gefühl. Was Menschen dazu veranlasst, die Nase zu rümpfen und sich angewidert abzuwenden, unterscheidet sich jedoch nicht nur individuell, sondern hängt stark von sozialen und kulturellen Normen ab.

Logik der Gefühle

Emotionen sind ambivalent konnotiert: Als Gegenstück zur gefühlskalten Rationalität erscheinen sie als Garant sympathisch kuscheliger Gefühlswärme und authentischer Ausdruck unserer Menschlichkeit. Auf Mr. Spocks Heimatplaneten Vulkan hingegen ist einst wegen überbordender Gefühle alles außer Kontrolle geraten. Die Lösung: Die VulkanierInnen meditieren seither gegen ihre Gefühle an und wurden so zu reinen RationalistInnen. In Kontrast zur abwiegenden Vernunft haben Emotionen also auch einen Ruf als irrationale Störenfriede und ChaosstifterInnen. Die Politologin Birgit Sauer plädiert hingegen dafür, Emotionen in ein neues Licht zu rücken, wenn sie schreibt: „Gefühle unterscheiden sich von Vernunft und Rationalität nicht in ihrer A-Logik oder in ihrer Irrationalität, sondern Gefühle sind ebenso wie Vernunft logisch. Beides sind verschiedenartige soziale Praxen, und Gefühle sind wie Rationalität eine spezifische Form von Wissen.“

„Boys don’t cry“

„Beim Weib behaupten Gefühl und Gemüt, beim Manne Intelligenz und Denken die Oberhand.“ Ganz unverblümt wurde 1904 in Meyers großem Konversationslexikon festgestellt, was bis heute in diversen (teils subtileren) diskursiven Varianten durch Stammtischgespräche sowie Frauen- und Männermagazine geistert. Dass die hartnäckige Vorstellung von den gefühlsduseligen Frauen und emotionsfernen Männern aber nichts mit natürlichen Unterschieden zu tun hat, sondern erst im Zuge des 19. Jahrhunderts etabliert wurde, haben feministische HistorikerInnen gezeigt: Mit der bürgerlichen Moderne wurde die polarisierte und hierarchisierte Zweigeschlechtlichkeit zur Institution, die ihre Legitimation unter anderem in einer Essenzialisierung des Verhältnisses von Geschlecht und Gefühl fand. Die „emotionalisierte Weiblichkeit“ und die „feminisierten Gefühle“ wurden in die Privatsphäre verbannt, Öffentlichkeit und Politik wurden zur männlich dominierten, angeblich emotionsfreien Sphäre erklärt. Heute weinen Maskulinisten bittere Tränen, wenn sie Macht an Frauen abgeben sollen.

„Love…

Die Liebe ist das wohl meistbesungene, -gepriesene aber auch -verfluchte unter den Gefühlen. Als Refugium der Herzenswärme, der uneigennützigen Hingebung und der intimsten Offenbarung unseres Selbst gilt sie als heroische Gegenspielerin der kalkulierenden Profitlogik und eines gefühlskalten Materialismus. Wo die Liebe siegt, scheint auch die Freiheit zu siegen – über arrangierte Vernunftsehen, ökonomische Zwänge und herrschende Normen. Das sah nicht nur Jane Austen so, sondern auch die Hippie-Bewegung. Bereits Tristan und Isolde brachten mit ihrer Liebe die politische und nationale Ordnung ins Wanken. „Die Liebe vermittelt eine Aura der Transgression, sie verspricht und fordert eine bessere Welt“, schreibt die Soziologin Eva Illouz über die ideale Vision romantischer Liebe, zu deren AnhängerInnen gewissermaßen auch Karl Marx und Friedrich Engels zählen, verknüpften sie doch die Utopie der Befreiung von der Knechtschaft im Kommunismus mit der Verheißung der „wahren“, interessenlosen Liebe.

…will tear us apart, again“

Dass die Romantik als Maß aller Dinge auch ihre Tücken hat, wissen nicht nur die vom Liebeskummer Gebeutelten. In „Die Kunst des Liebens“ kritisierte Erich Fromm schon in den 1950ern, dass die moderne Liebe zunehmend marktwirtschaftlichen Charakter habe und das Liebespaar zunehmend zu einem „Arbeitsteam“ verkomme. Wird uns die Liebe also doch nicht retten? Eva Illouz sieht unser modernes Verständnis von Liebe zum Einen durchaus als Ausdruck gesteigerter Autonomie und Emanzipation. Zum Anderen sei die romantische Praxis heute aber unweigerlich mit der postmodernen Konsumkultur verzahnt – nicht nur, wenn jedes Jahr am Valentinstag alle in den Blumenladen pilgern. So tief sich die Romantik in unsere Welt eingraviert hat, selbst in der Liebe bleibt nichts beim Alten: Im Zeitalter der Globalisierung ist das romantische Plätzchen der transnational Verliebten und der Fernbeziehungen immer öfter Skype. Und nicht zuletzt durch Online- PartnerInnen-Börsen und Dating-Apps verändern neue Kommunikationstechnologien die Logik unseres Liebeslebens.

„Shiny happy people“

1881 träumte der irische Ökonom Francis Edgeworth von einer Maschine zur Messung des Glücks: dem Hedonometer. Auch heute versuchen zahlreiche GlücksforscherInnen das gute Gefühl zu messen, um in Rankings wie dem „Happy Planet Index“ sichtbar zu machen, wo die Menschen vor Glück fast platzen und wo es eher traurig zugeht. Die Glücksrankings werden oft als Alternative zum ökonomischen Reduktionismus des Bruttonationalprodukts präsentiert. KritikerInnen halten dagegen, das Glück werde gerade durch seine Definition als mess- und vergleichbarer Indikator von einer ökonomistischen Logik vereinnahmt. Nichtsdestotrotz haben sich Peter Dodds und Chris Danforth daran gemacht, Edgeworths Traum zu realisieren: Ihr Hedonometer analysiert täglich unzählige Tweets und soll so aufzeigen, wann und warum die Menschheit besonders glücklich ist. Damit sollen sich unter anderem Regierungen ein Bild vom Wohlbefinden der Bevölkerung machen. Einige Ableitungen bezüglich der Maximierung des Glücks könnten umgehend aus den bunten Grafiken gezogen werden: Todesfälle von Stars wie Michael Jackson wären zu vermeiden und am besten wäre ohnehin immer Weihnachten oder Wochenende!

 

Bewegte Zugehörigkeiten

  • 07.03.2014, 12:21

Warum sie Goethe die Worte im Mund umdreht und neue Perspektiven auf Migration sowohl in Europa als auch in den USA dringend nötig sind, erklärt die Dokumentarfilmerin und Gründerin von „with wings and roots“, Christina Antonakos-Wallace, im Interview.

Zwei Kurzfilme wurden im Rahmen des kollaborativen Multimediaprojekts „with wings and roots“ bereits veröffentlicht, noch heuer folgen eine abendfüllende Doku und eine interaktive Website. Dabei entsteht eine umfassende transnationale Sammlung von Geschichten, die sichtbar macht, wie die sogenannte „zweite Generation von Migrant_innen“ in Berlin und New York auf vielfältige Weise Zugehörigkeit neu denkt und lebt – allen Herausforderungen zum Trotz.

progress: Goethe schrieb: Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Du hast für den Titel eures Projekts „with wings and roots“ die Reihenfolge der Wurzeln und der Flügel geändert. Warum?

Christina Antonakos-Wallace: Für mich war es wichtig, die Visionen und die Kreativität, die viele Kinder von Migrant_innen aus ihren multiplen Lebenswelten schöpfen, in den Vordergrund zu stellen. Aus meiner Sicht werden diese nämlich kaum thematisiert, wenn über Migration gesprochen und geschrieben wird. Deshalb stehen die Flügel für mich an erster Stelle. Ich sehe auch die Gefahr, dass der Begriff „Wurzeln“ leicht in Zusammenhang mit fixen Ideen von Kultur und Identitäten instrumentalisiert werden kann. Angesichts des Drucks sich zu assimilieren, müssen viele Menschen in der Diaspora zugleich aber auch hart dafür kämpfen, mit ihrem kulturellen Erbe verbunden zu bleiben. Auch die Verbindung der Menschen zu ihren Communities und Familien, oder was auch immer den Menschen Kraft und ein gewisses Fundament gibt, soll deshalb honoriert werden.

Einer der Kurzfilme, die im Rahmen des Projekts entstanden sind, trägt den Titel „Where are you FROM from?“ Was steckt hinter diesem Titel?

Diese Frage, woher man „wirklich“ kommt, ist so gängig, so alltäglich und spiegelt dabei besonders, wie eng Zugehörigkeit in unserer Gesellschaft noch immer definiert wird. Daran, dass viele Kinder von Migrant_innen diese Frage täglich mehrmals beantworten müssen, kristallisiert sich ihr Dilemma, wenn es um das Gefühl geht, willkommen zu sein. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung und jener vieler Freund_innen sagen, dass diese Frage gnadenlos ist, auch wenn sie an der Oberfläche so einfach erscheint und sehr ehrlich gemeint sein kann. Aber wenn diese Frage, woher du „wirklich“ kommst, die erste ist und du sie immer und immer wieder beantworten musst, in deiner eigenen Stadt, wenn im Grunde der einzige Ort, den du nennen kannst, „hier“ ist, und dann fragen die Leute ein zweites und ein dritte Mal nach, dann ist das eine sehr problematische Frage. Es ist dann keine Wahl mehr, dich mit deiner Identität auseinander zu setzen, wenn dir konstant auf subtile Art und Weise gesagt wird, dass du nicht dazugehörst. Außerdem mag ich die Ironie, die gewissermaßen in der Frage steckt, weil „Where are you from from“ im Grunde ja ein grammatikalisch inkorrekter Satz ist.

Davon, dass diese Frage ständig widerkehrt, erzählen sowohl ProtagonistInnen in Berlin als auch in New York. Gleichzeitig werden im Rahmen des Projekts auch Unterschiede zwischen der Situation in den beiden Ländern greifbar.

Alleine dass in Deutschland über alle Generationen von Migrant_innen nach wie vor als Migrant_innen gesprochen wird, ist ein großer Unterschied. In den USA beobachtet man meist innerhalb von einer Generation den Übergang von der Bezeichnung als Migrant_in zur Bezeichnung als Amerikaner_in, wenn auch in Zusammenhang mit einer rassifizierten Kategorisierung, zum Beispiel als „Asian-American“. Das ist auch keine großartige Situation, weil du zwar Amerikaner_in wirst, in vielen Fällen aber eine spezielle, nämlich diskriminierte Art von Amerikaner_in. Trotzdem ist der Unterschied von Bedeutung. Es wird in Deutschland auch oft auf sehr generalisierende Weise über Migrant_innen gesprochen, als würden sie alle die gleichen Erfahrungen machen und mit den gleichen Problemen kämpfen. Das ist irreführend: Während manche Migrant_innen sehr gebildet und wohlhabend sind, gehören andere zur Arbeiter_innenklasse, sie decken das gesamte soziale Spektrum ab.

In Deutschland gibt es auch diesen starken Fokus auf Integration. Dazu denke ich mir: Diese jungen Leute sind hier aufgewachsen. Was heißt, sie sind nicht integriert? Diese Leute sind Teil der Gesellschaft, sie sind diese Gesellschaft! Und wenn Integration mit wirtschaftlichen oder bildungsbezogenen Errungenschaften gleichgesetzt wird, müssen wir fragen, welche strukturellen Barrieren es hier gibt. Viele Menschen, die seit Langem hier leben, werden systematisch ausgeschlossen – vor allem durch ein Schulsystem, das Machtverhältnisse stark reproduziert. Darüber wird aber kaum gesprochen. Und schließlich wird auch darüber, dass sich Deutschland selbst in einem Wandlungsprozess befindet, so wie sich alle Länder ständig verändern, nicht nachgedacht. Stattdessen hält man an einer essenzialisierenden Version der Geschichte fest und denkt, dass Deutschland vor 200 Jahren tatsächlich „deutsch“ war.

Welche Rolle spielt das Bild von den USA als Nation der MigrantInnen in diesem Zusammenhang?

Natürlich macht es einen Unterschied, dass diese Auseinandersetzungen in den USA schon deutlich länger im Gange sind und aus meiner Sicht haben sich Migrant_innen dort über die Generationen mehr institutionelle Macht angeeignet. Dennoch halte ich das Bild von den USA als Nation der Migrant_innen für irreführend. Es blendet eine gewaltsame Geschichte aus, in der immer umstritten war, wer hier leben und bleiben darf und wer nicht, wer Zugang zur Staatsbürgerschaft hat und wer nicht. Wir wollen auch keinesfalls die USA als Modell oder Vorbild präsentieren. Heute leben in den USA mindestens 11 Millionen undokumentierte Migrant_innen, viele von ihnen seit Jahrzehnten. Im Fall von Tania, die in unserem Film vorkommt, seit 26 Jahren. Erst heuer hat sie erstmals eine temporäre Arbeitserlaubnis bekommen.

In Deutschland und Österreich ist der Diskurs über Migration stark problemzentriert. Gerade die zweite Generation wird häufig mit Begriffen wie Bildungsdefizit und Identitätskrise assoziiert. Inwiefern geht „with wings and roots“ einen anderen Weg?

Ich starte von einem völlig anderen Punkt, wenn ich den Menschen Fragen stelle, weil sie Einsichten und Wissen haben, und nicht, weil ich denke, dass sie ein Problem haben. Es wird dann möglich über ihre Erfahrungen als gesellschaftliche Problematiken statt als persönliche Probleme zu sprechen. Als ich angefangen habe, an diesem Projekt zu arbeiten, habe ich W.E.B. Du Bois „The Soul of Black Folk“ gelesen. Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb er darüber, dass das „negro problem“ in den USA in aller Munde war. Und mir ist klar geworden, dass ich heute genau die gleiche Sprache höre, wenn es um das „Integrationsproblem“ und das „Migrationsproblem“ geht – als wären sich alle einig, dass wir es mit einem Problem zu tun haben. Das Problem scheinen dann nicht Diskriminierung oder die Ungleichheit von Bildungschancen zu sein, Migration an sich wird zum Problem erklärt.

Ich denke, es ist knifflig, was wir mit diesem Projekt versuchen, weil wir versuchen über die Stärke und das Wissen von jungen Menschen mit Migrationsgeschichte zu sprechen.  Zugleich wollen wir auch die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, thematisieren. Wie kann man denn auch über ihre Stärke sprechen, ohne ihre Kämpfe zu thematisieren? Wir haben aber auch das Feedback bekommen, dass der Kurzfilm „Where are you FROM from“ zu negativ sei. Das gibt mir zu denken, weil es unser Ziel ist, nicht nur über die Tragödien und die Kämpfe zu sprechen, sondern auch die Handlungsmacht der Leute zu zeigen, wie sie Lösungen finden, neue Begriffe eines Zuhause und der Zugehörigkeit schaffen. Der abendfüllende Film, den wir gerade fertigstellen, wird auch die Kreativität der ProtagonistInnen stärker hervorstreichen, weil er mehr von ihrem Alltagsleben zeigt und nicht nur aus Interviews besteht. Dennoch, einen Mittelweg zwischen einem kritischen und einem optimistischen Blick zu finden, ist eine der größten Herausforderungen dieses Projekts.

Inwiefern ist „with wings and roots“ auch eine Sammlung von Familiengeschichten? Wenn es um Zugehörigkeit geht, können schließlich auch Familien- oder Generationenkonflikte eine wichtige Rolle spielen.

Manche Leute teilen mehr von ihrer Familiengeschichte, andere weniger – zum Beispiel, weil ihre Familie keinen legalen Aufenthaltsstatus hat. Auch Traumata können eine Rolle spielen. Mir ist es wichtig, die ProtagonistInnen selbst bestimmen zu lassen, wo sie eine Grenze ziehen. Außerdem denke ich, dass Generationskonflikte in Zusammenhang mit Migration sehr oft im Mainstream-Kino behandelt und teils auch missbraucht werden. Ich wollte etwas Neues machen, weshalb mich die Beziehung der jungen Menschen zur Gesellschaft mehr interessiert hat. Aber Familien können durchaus eine große Rolle spielen und es geht mir nicht darum, das zu ignorieren oder zu verschweigen – auch nicht, dass es Konflikte gibt. Manche erzählen sehr offen davon. Ich möchte auch keinesfalls Communities glorifizieren, weil es durchaus auch oft interne Konflikte rund um bestimmte Traditionen gibt, die eine gewaltsame und bedrückende Dynamik haben können. Jede Kultur hat solche Traditionen.

Warum hast du dich entschieden, einen Film über junge Menschen zu machen?

Das hat viel mit meiner eigenen Geschichte und meinen eigenen Erfahrungen zu tun. Ich wollte einen Film über meine AltersgenossInnen machen, über die Themen, die ich als Fragen meiner Generation sehe. Ich erzähle zwar nicht meine eigene Geschichte, aber ich werfe einen Blick auf Erfahrungen, mit denen ich mich persönlich verbunden fühle. Und natürlich betrifft einen die Frage nach einem neuen und kreativen Verständnis von Zugehörigkeit auf andere Weise, wenn man jung ist, als wenn man 50 ist.

 

Das Interview führte Anna Ellmer.

Zu ihrem Artikel über "with wings and roots": http://www.progress-online.at/artikel/%E2%80%9Ewarum-reden-sie-%C3%BCber...

 

Für weitere Informationen über „with wings and roots“:

http://withwingsandrootsfilm.com/

Der Kurzfilm „Where are you From from?“ / „Wo kommst du ‚wirklich’ her?“ wird vom FWU – Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht vertrieben: http://www.fwu-shop.de/politische-bildung/wo-kommst-du-wirklich-her-wher...

Der Kurzfilm „Article of Faith“ – ein Portrait des in Brooklyn lebenden Aktivisten Sonny Singh – ist hier verfügbar: http://www.youtube.com/watch?v=BWic5hPZfS4

„With wings and roots“ ist ein offenes und stets wachsendes, kollaboratives Projekt. Wer selbst daran mitarbeiten möchte, seine eigene Geschichte erzählen möchte, ein Film-Screening oder eine Workshop organisieren oder sich auf andere Art beteiligen möchte, ist herzlich dazu eingeladen über Facebook und oder die Website mit dem Team in Kontakt treten.

 

 

 

Schlepperei in Zeiten unbegrenzter Grenzen

  • 18.10.2013, 20:52

Wenn es um Schlepperei geht, wird emotionalisiert. Wer trotzdem differenziert, muss die restriktive Asylpolitik der EU als eine ihrer größten Förderinnen erkennen.

Wenn es um Schlepperei geht, wird emotionalisiert. Wer trotzdem differenziert, muss die restriktive Asylpolitik der EU als eine ihrer größten Förderinnen erkennen.

„In DDR-Zeiten hießen ‚Schlepper’ übrigens ‚Fluchthelfer’ und alle (außer der SED) fanden sie ganz toll. Nur ein Gedanke.“ Mitten in der Augusthitze, als die „Schlepper-Mafia“ nach der Verhaftung von drei Aktivisten der Refugee-Bewegung gerade in aller Munde war, sorgte Armin Wolf mit diesem Tweet für ein wenig zusätzliche Erregung. Die FPÖ tat in einer OTS-Meldung ihre Empörung darüber kund, dass Wolf „doch tatsächlich schwerst kriminelle Schlepper mit idealistischen Fluchthelfern aus DDR-Zeiten vergleicht“. Helmut Brandstätter mokierte sich im Kurier: „Wenn jetzt Fluchthelfer aus der kommunistischen Diktatur DDR mit heutigen Schlepperbanden verglichen werden, hört sich der Spaß auf.“ Als Begründung erteilte er den LeserInnen Geschichtsunterricht: „Alleine an der Berliner Mauer wurden zwischen 1962 und 1989 mindestens 251 Menschen getötet, die von Deutschland Ost nach Deutschland West übersiedeln wollten.“ Unerwähnt blieb hingegen, dass in den vergangenen 25 Jahren alleine im Mittelmeer schätzungsweise 20.000 Bootsflüchtlinge ertrunken sind, die versucht haben von Afrika nach Europa zu gelangen. Um Spaß ist es beim Thema Flucht zu DDR-Zeiten genauso wenig gegangen wie heute.

Das Delikt der Schlepperei liegt laut Fremdenpolizeigesetz dann vor, wenn Menschen materiellen Gewinn daraus erzielen, den illegalen Grenzübertrittanderer zu fördern – auf freiwilliger Basis, ohne Gewaltandrohung, Vorspiegelung falscher Tatsachen und Machtmissbrauch. Dadurch ist es klar vom Delikt des Menschenhandels abgegrenzt. SchlepperInnen bringen Geschleppte für Geld über Grenzen. MenschenhändlerInnen beuten ihre Opfer aus. Dazu, dass dieser Unterschied in der rechtlichen Definition kaum jemandem bewusst ist, haben Medien – in Österreich wenig überraschend allen voran die Krone –, aber auch so manche PolitikerIn viel beigetragen: Schlepperei wird mit Brutalität und Skrupellosigkeit verknüpft und tritt reflexartigeAssoziationen mit schweren Gewalttaten und Menschenhandel los. Jeder Versuch einer differenzierten Auseinandersetzung mit Schlepperei und den strukturellen Widersprüchen der europäischen Flüchtlingspolitik, auf die sie verweist, erscheint in diesem Licht von vornherein als anrüchig.

Legale Fluchthilfe. Es macht aber durchaus Sinn, das Delikt der Schlepperei in einem größeren – auch historischen – Kontext zu reflektieren und dazu einen Blick in die deutsche Geschichte zu wagen. 1977 war auf organisierte Fluchthilfe angewiesen, wer aus der DDR floh, und der deutsche Bundesgerichtshof urteilte diesbezüglich: „Der Fluchthilfevertrag kann auch unter Berücksichtigung seines Gesamtcharakters nicht als verwerflichbetrachtet werden.“ Wer Flüchtende dabei unterstützt, „das ihnen zustehende Recht auf Freizügigkeit zu verwirklichen, kann sich auf billigenswerteMotive berufen und handelt sittlich nicht anstößig“. Für ihre Dienste durften FluchthelferInnen eine Vergütung verlangen, die sie auch vor Gericht einklagen konnten. Der stellvertretende Außenminister der DDR, Kurt Nier, kritisierte, dass damit „die Existenz und Tätigkeit krimineller Menschenhändler in der BRD legalisiert“ werde.

Heute ist fast immer auf „kommerzielle Fluchthilfe“ angewiesen, wer in Europa Schutz sucht. Aber ihre Bewertung in Europa hat sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs grundlegend gewandelt. Wo vormals von „Flucht“ die Rede war, geht es jetzt um „illegale Einreise“; aus nicht strafbaren Hilfs- undDienstleistungen wurde innerhalb weniger Jahre ein hochkriminalisiertes Verbrechen. Als Schlepperei wurde Fluchthilfe in den 1990ern zum strafbaren Delikt, das in weiterer Folge immer weiter ausgedehnt wurde – in Österreich zuletzt mit dem Fremdenpolizeigesetz 2005. Dr. Kurt Schmoller, damals Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg, attestierte eine „Überkriminalisierung“: Die Strafmaße seien unverhältnismäßig hoch und von der Möglichkeit der Definition von Ausnahmen – zum Beispiel für humanitäre Hilfe und die Zusammenführung von Angehörigen – wurde nicht Gebrauch gemacht.

Keine Fluchtwege. Die größten KritikerInnen der Missachtung des Rechts auf Freizügigkeit durch kommunistische Staaten arbeiten nunmehr selbst massiv an der Beschneidung der Mobilität eines beträchtlichen Teils der Weltbevölkerung. Die Möglichkeiten, auf reguläre Weise in ein europäisches Land einzureisen, um dort Asyl zu beantragen, wurden in den letzten 20 Jahren beinahe zur Gänze abgeschafft. Die viel verwendete Metapher der „Festung Europa“ beschreibt diese Situation nur dürftig. Aufgrund von Visapflicht, Drittstaaten-Regelungen und der Verlagerung der europäischen Grenzpolitik auf Transitstaaten scheitern viele Flüchtlinge nicht erst an den Grenzen der sich abschottenden europäischen Staaten. „Durch die Vorverlagerung der Grenzkontrollen werden sie bereits daran gehindert, ihren Weg in Richtung Europa überhaupt aufzunehmen“, konstatiert Tillmann Löhr in seinem Buch „Schutz statt Abwehr“ und schreibt deshalb von „Europas unbegrenzten Grenzen“.

Der Weg zum Asylverfahren führt heute folglich meist unweigerlich in die Illegalität und zur Inanspruchnahme „kommerzieller Fluchthilfe“. In diesem Sinne kamen John Morisson und Beth Crosland bereits 2001 in einem Paper für die UNHCR zu dem Schluss, dass ein großer Teil der Maßnahmen europäischer Staaten im Kampf gegen Schlepperei im Grunde Teil des Problems sei. Das restriktive europäische Grenzregime produziere nicht nur die Bedingungen, in denen die Nachfrage nach den Diensten von SchlepperInnen boomt. Die EU riskiere auch, das Menschenrecht auf Asyl in Europa faktisch abzuschaffen, solange keine ausreichenden legalen und sicheren Fluchtwege – beispielsweise durch Schutzvisa – geschaffen werden. Diese Zusammenhänge werden in der Regel jedoch weitgehend ignoriert. Leichter ist es, den Schwarzen Peter kriminellen Schlepperbanden zuzuschieben.

Auch nach dem Tod von über 300 Flüchtlingen vor Lampedusa am 3. Oktober ließen die Kampfansagen gegen Schlepperei nicht lange auf sich warten. EU-Kommissarin Cecilia Malmström kündigte prompt an, „die Anstrengungen im Kampf gegen Schleuser, die menschliche Hoffnungslosigkeit ausbeuten, zu verdoppeln“. Kausalitäten werden dabei einfach auf den Kopf gestellt, kritisiert der Oxforder Migrationsexperte Hein de Haas. Das neue Grenzkontrollsystem Eurosur wird nun als Maßnahme gegen das Sterben im Mittelmeer präsentiert. Dass die Bemühungen der Europäischen Grünen im entsprechenden Gesetz tatsächlich nennenswerte und konkrete Verbesserungen der Seenotrettung zu verankern, in den EU-Gremien wiederholt abgelehnt wurden, wird nicht dazu gesagt. Nur eine Woche später ertranken erneut Dutzende Flüchtlinge vor der italienischen Küste.

Zur Lage an der EU-Außengrenze kommt hinzu, dass mit der seit 2003 gültigen Dublin-II-Verordnung eine Situation geschaffen wurde, die Schlepperei auch innerhalb der EU fördert. Seither können Flüchtlinge nur in jenem Land Asyl beantragen, in das sie zuerst eingereist sind. Um den menschenunwürdigen Verhältnissen, denen AsylwerberInnen in Ländern wie Griechenland, Italien und Ungarn ausgesetzt sind, zu entgehen, müssen sie auch innerhalb Europas die Gefahren und Kosten irregulärer Grenzübertritte auf sich nehmen.

Kriminalisierung. Während es in diesem Rahmen höchst fraglich ist, dass der Schlepperparagraph Flüchtlingen zu Gute kommt, scheint er durchaus dazu geeignet, jene zu kriminalisieren, die tatsächlich helfen: Stephan Schmidt und Elias Bierdel waren 2004 nach der Rettung von 37 in Seenot geratenen Flüchtlingen mit dem Hilfsschiff Cap Anamur in Italien wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung in einem besonders schweren Fall angeklagt und wurden erst fünf Jahre später freigesprochen. Ähnliches widerfuhr 2007 Abdelbasset Zenzeri und Abdelkarim Bayoudh, den Kapitänen zweier tunesischer Fischerboote, die 44 afrikanische Flüchtlinge gerettet hatten. Zunächst der Schlepperei verdächtigt, wurden sie 2009 wegen „Beihilfe zur illegalen Einreise“ zu drei Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Im gleichen Jahr wurde dieses Urteil zwar aufgehoben, die beiden Kapitäne wurden jedoch wegen Widerstand gegen ein Kriegsschiff zu 2,5 Jahren Haft verurteilt. Erst 2011 wurden sie vom Berufungsgericht tatsächlich freigesprochen. In Österreich wurde 2004 gegen den Anwalt Georg Bürstmayr wegen Schlepperei ermittelt, nachdem er tschetschenische Flüchtlinge in Tschechien über ihr Recht aufgeklärt hatte, in Österreich Asyl zu beantragen.

Der Anwalt Lennart Binder schilderte kürzlich den weniger prominenten Fall einer kurdischen Aktivistn, die selbst nach Österreich geflohen war. Nachdem sie anderen kurdischen Flüchtlingen Unterschlupf gewährt hatte, ließen diese ihr 15 Euro da, weil sie ihren Kühlschrank leergegessen hatten. Jetzt sei sie wegen „gewerbsmäßiger Schlepperei“ angeklagt. Auch wenn die Ermittlungen gegen Bürstmayr rasch eingestellt wurden, hilfeleistende Seeleute letztlich freigesprochen wurden und Abdelbasset Zenzeri trotz allem sagte: „Ich würde es wieder tun“. Solche Geschichten transportieren, dass von Hilfeleistungen für Flüchtlinge in Notsituationen besser absieht, wer sich gehörige Scherereien mit der Justiz nicht leisten kann. Der europäische Kampf gegen illegale Migration und Schlepperwesen fördert Entsolidarisierung, kriminalisiert Zivilcourage und leistet damit einen weiteren Beitrag zur Produktion konkreter humanitärer Katastrophen. Dass sich das Desaster vom 3. Oktober zutragen musste, damit nun erwogen wird, der Kriminalisierung von Hilfeleistung und Seenotrettung ein Ende zu setzen, ist ein Armutszeugnis für Europa.

Schlepperei soll nicht verharmlost werden. Sie kann professionelle und verantwortungsvolle Dienstleistung sein und Leben retten. Ohne Zweifel gibt es zugleich eindeutig strafwürdige Fälle, bei denen die Grenze zum Menschenhandel verschwimmt und Flüchtlinge leichtfertig in den Tod geschickt werden. Eine verantwortungsvolle Politik müsste sich diesem differenzierten Spannungsfeld stellen und Konsequenzen daraus ziehen, statt eine pauschale und immer intensivere Kriminalisierung von Schlepperei weiter voranzutreiben. Dass SchlepperInnen oft primär aus finanziellen Interessen und nicht aus humanitären Motiven handeln, kann durchaus angenommen werden. Sicher ist aber, dass auch die Abschottung der europäischen Außengrenzen nicht in der Sorge um die Menschenrechte wurzelt.

Die Autorin hat Kultur- und Sozialanthropologie in Wien und Paris studiert.

Siehe auch: Ein Schleier, der sich über die Existenz legt

„Rassismus ist gut integriert“

  • 24.06.2014, 19:22

Die Sozialwissenschafterin und Aktivistin Araba Evelyn Johnston-Arthur forscht über institutionellen Rassismus und Widerstand in Österreich. Im Interview erklärt sie, warum Hochschulen und Bildung dabei eine wichtige Rolle spielen.

Die Sozialwissenschafterin und Aktivistin Araba Evelyn Johnston-Arthur forscht über institutionellen Rassismus und Widerstand in Österreich. Im Interview erklärt sie, warum Hochschulen und Bildung dabei eine wichtige Rolle spielen.

Als die Aktivisten Kwame Toure (vormals Stokely Carmichael) und Charles Hamilton in den 1960ern in den USA das Konzept des institutionellen Rassismus prägten, benannten sie jene Dimensionen von Rassismus, die Kameras nicht einfangen können. Sie zeigten auf, dass sich Rassismus nicht in isolierten Gewalttaten des Ku-Klux-Klans erschöpfte, sondern rassistische Strukturen fest in der Mitte der Gesellschaft verankert sind. Araba Johnston-Arthur zeigt, dass das Konzept bis heute nicht an Aktualität eingebüßt hat.  

progress: Im Jahr 2000 hast du geschrieben, dass ein Bewusstsein für die Realität von Rassismus in Österreich erst am Anfang steht. Hat diese Aussage noch immer Gültigkeit?

Araba Johnston-Arthur: Gerade im österreichischen Kontext wird nach wie vor oft hartnäckig verleugnet, dass es Rassismus überhaupt gibt. Wenn man dann doch von Rassismus spricht, dann herrscht meist eine individualisierte Auffassung davon vor: Rassismus wird auf einzelne Ereignisse und individualisierte Gewaltakte reduziert. Dabei wird auch häufig klassistisch argumentiert: Rassismus sei ein Problem der ModernisierungsverliererInnen und der ungebildeten ArbeiterInnen. Er wird damit auf die „Anderen“ projiziert und nicht als gut in der Mitte der Gesellschaft verankerte, alle Institutionen – Justiz, Polizei, Schule etc. – durchwirkende Realität verstanden.

Gleichzeitig müssen sich Schwarze Menschen und People of Color täglich angesichts der vielschichtigen Realität von Rassismus behaupten. Hier gibt es sehr wohl diesbezügliches Wissen. Die Frage ist also, von wessen Bewusstsein wir sprechen, es gibt hier nämlich einen krassen Kontrast. Vor diesem Hintergrund ist das Benennen von institutionellem Rassismus an sich schon ein zentraler Akt des Widerstands, weil damit ein sehr mächtiges Schweigen gebrochen wird. Audre Lorde (Anm. d. R.: Schwarze US-amerikanische Literaturwissenschafterin und Schriftstellerin) betonte, dass wir unsere Unterdrückung nicht bekämpfen können, solange wir sie nicht benennen.  

Welche Dimensionen hat institutioneller Rassismus an österreichischen Hochschulen?

Zunächst stellt sich die Frage, wer überhaupt Zugang zu den österreichischen Hochschulen hat. Wenn wir an die frühe Trennung in Gymnasium und Hauptschule denken, oder daran, wer in die Sonderschule geschickt wird, werden eine Reihe historisch gewachsener klassistischer und rassistischer Ausschlussmechanismen sichtbar. Darüber hinaus kommt den Universitäten als umkämpftes Repräsentationssystem eine wichtige Rolle zu. Welche Art von Wissen wird an den Universitäten vermittelt und institutionalisiert? In Frankreich beispielsweise wollte man 2005 gesetzlich festschreiben, dass Universitäten und Schulen die positive Rolle des französischen Kolonialismus zu vermitteln haben. Dagegen gab es heftige Proteste.

Es geht nicht nur um Fragen des Zugangs, sondern auch um interne Hierarchien.

Generell sind wir rassifizierten „Anderen“ nach wie vor häufig nur als Forschungsobjekte sichtbar, als politische Subjekte und Forschende hingegen viel zu unsichtbar. Es gibt in dieser Hinsicht Veränderungen, aber das sind noch zarte Pflänzlein. May Ayim (Anm. d. Red.: afro-deutsche Schriftstellerin) hatte 1986 große Schwierigkeiten, eineN ProfessorIn für die Betreuung einer Magisterarbeit in Pädagogik über Rassismus in Deutschland zu finden. Dahingehend hat sich bis heute nicht viel verändert, auch im österreichischen Kontext nicht. Wichtig finde ich in diesem Zusammenhang auch die Kritik der Historikerin Fatima El-Tayeb bezüglich der dominanten Rezeption von postkolonialer Theorie: Auch im deutschsprachigen Raum wird mittlerweile einiges aus dieser Perspektive dekonstruiert, aber die unbequemen, vor der eigenen Nase liegenden Machtverhältnisse, die auch in unseren Universitäten herrschen, werden selten thematisiert.

An den Universitäten scheint institutioneller Rassismus in der eigenen Institution kaum Thema zu sein. Woran liegt das?

Natürlich wacht die Universität nicht eines Tages auf und beschließt sich mit ihrem eigenen strukturellen Rassismus zu beschäftigen. Die Frage ist, aus welcher Perspektive wir das betrachten. Rassismus ist in den Hörsälen durchaus ein Thema für all jene, die sich angesichts des rassistischen Status quo behaupten müssen. In der Wahrnehmung der Mehrheit existiert dieser Status quo aber einfach nicht. Es gab und gibt aber durchaus oft diesbezügliche individuelle und kollektive Interventionen. Beispielsweise haben sich Studierende of Color organisiert, um gegen Ausschlüsse auf struktureller Ebene und für politische Mitbestimmung an österreichischen Universitäten zu kämpfen.

Du selbst hast dein Studium in Ghana, England und Österreich absolviert, jetzt forschst du in den USA. Inwiefern unterscheiden sich die Situationen an den unterschiedlichen Hochschulen?

Gleich nach der Matura war ich ein Jahr an der Universität in Legon in Ghana. Das war für mich sehr wichtig. Dort habe ich unter anderem gelernt, dass auch die Frage der Ressourcen und Infrastruktur eine strukturelle ist und mit neokolonialen Verhältnissen in Zusammenhang steht. Wir mussten dort zum Beispiel Bücher von ghanesischen Autor Innen aus London bestellen. An der Uni in London habe ich gelernt, wie aktuell die Glorifizierung des eigenen britischen Kolonialismus und die Tabuierung von Rassismus in diesem Zusammenhang noch immer sind. Mein Entschluss, meine Dissertation nicht in Wien, sondern an der Howard University, einer historisch Schwarzen Universität in Washington DC, zu schreiben, hat wiederum viel damit zu tun, dass ich in Howard nicht immer wieder argumentieren muss, dass Rassismus überhaupt existiert, sondern mich auf die Analyse seiner Mechanismen und die damit zusammenhängenden Schwarzen Widerstände konzentrieren kann.

Welche konkreten Maßnahmen wären aus deiner Sicht im Kampf gegen institutionellen Rassismus an den Hochschulen zu setzen?

Zentral ist hier zunächst das Wissen über den Status quo von Rassismus an den Hochschulen selbst. KollegInnen und ich haben in Zusammenarbeit mit den Gleichstellungsarbeitskreisen eine Zeit lang Workshops zu institutionellem Rassismus an verschiedenen Unis gemacht. Leider werden die verschiedenen Diskriminierungsmechanismen aber oft in Konkurrenz zueinander gesehen: also (Hetero-)Sexismus vs. Rassismus vs. Klassismus. Tatsächlich verstärken sie sich jedoch gegenseitig. Wir müssen verschiedene Diskriminierungssysteme in ihrer Gleichzeitigkeit verstehen, weil man sonst die Lebensrealität der Menschen, die in den Hochschulen arbeiten und studieren, verkennt. Wie Audre Lorde sagt: „There is no such thing as a single-issue struggle because we do not live single-issue lives.”

An der Akademie der bildenden Künste in Wien versucht man derzeit eine antidiskriminatorische Betriebsvereinbarung umzusetzen. Dabei geht es auch darum, Diskriminierung als strukturelles Problem zu bekämpfen und Mehrfachdiskriminierung sichtbar zu machen. Gleichzeitig frage ich mich, inwieweit der Kampf gegen institutionellen Rassismus nicht einer ist, der die Ebene von Maßnahmen sprengt.

Rassismus wird wie Migration in Österreich oft als neues Phänomen gesehen. Du zeigst auf, dass Rassismus in Österreich aber eine lange Geschichte hat.

Nehmen wir zum Beispiel den Mainstream-Diskurs über Migration und Flüchtlinge. Als immer mehr Flüchtlinge aus dem Osten kamen, gab es zunächst Sympathie. Das änderte sich, als zunehmend rumänische Flüchtlinge kamen und viele davon Roma waren. Nun wurden uralte Rassismen bemüht, die weit zurückgehen. So war zum Beispiel Maria Theresia in Europa federführend in Sachen repressiver Gesetzgebung gegen Roma und Sinti. Diese Geschichte wird aber unsichtbar gemacht. Das Gleiche gilt für das gegenderte rassistische Wissen, das über Schwarze Menschen vorherrscht: die angebliche Aggressivität Schwarzer Männer, die pathologisierte Sexualität Schwarzer Frauen – damit wird etwas aufgewärmt, was eine lange Geschichte hat. In Österreich tut man so, als wäre das alles ganz neu, weil man keine Kolonien in Afrika hatte. Österreich ist aber Teil eines gesamteuropäischen kolonialen Denksystems und diese Bilder sind tief im populären Bewusstsein verankert. Wir finden sie in der Oper, in der Literatur, in den Mehlspeisen, in unseren Redewendungen und so weiter. Und das bleibt nicht auf der Ebene der Sprache, sondern ist Teil einer sozialen Praxis. Diese Stereotype spiegeln sich in vielen Amtshandlungen der Polizei wider: Schwarzes Objekt, besonders gefährlich, mehr Polizei verlangt. Rassistische Gewalt wird so gerechtfertigt. Und das ist nicht auf Österreich beschränkt. Diese zum Teil tödlichen Mechanismen sind global wirksam.

Wie siehst du die aktuellen Auseinandersetzungen in Österreich rund um die Verwendung des N-Wortes?

Man sieht hier wieder einmal, dass Rassismus meist als etwas verstanden wird, was hauptberufliche RassistInnen aus dem rechten Eck betreiben. Damit wird verwischt, wie tief Rassismus in der Gesellschaft verankert ist.

Faszinierend ist, dass Rassismus und die Kritik daran, zu solchen Anlässen columbusartig immer wieder neu entdeckt werden. Kritik an Rassismus wird von verschiedenen MigrantInnencommunities, Schwarzen Menschen und People of Color aber schon seit Jahrzehnten formuliert und gelebt. Meist wird das aber schlicht ignoriert. Wenn Kritik dann doch Gehör findet, ist interessant, wie reagiert wird. In Österreich ist dann immer sofort von einer Political-Correctness-Hysterie die Rede. Damit werden Rassismus und die Kritik daran auf eine sprachliche Ebene reduziert. Es geht aber um einen strukturellen Gesamtzusammenhang. Aktuell hat Pamoja, die Bewegung der jungen afrikanischen Diaspora in Österreich, die Verwendung des N-Worts und die Praxis des Blackfacing bei den Wiener Festwochen kritisiert. In dem Statement von Pamoja geht es überhaupt nicht um Political-Correctness. Vielmehr wird die Kritik im Kontext einer größeren Realität von strukturellem Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen geübt. Bei dieser Auseinandersetzung geht es auch um Definitionsmacht: Wer darf definieren, was rassistisch ist und was nicht? Und wer ist überhaupt in der Position zu sprechen?

Außerdem ist es in einem Land wie Österreich, wo so viel Antisemitisches und Rassistisches sagbar ist, absurd von einer Political Correctness-Hysterie zu sprechen. Rassismus ist in Österreich gut integriert.

 

Kein Geld, kein Job. Ist das Wissenschaft?

  • 26.03.2013, 23:12

Neugier und Passion, Begabung und Mut – diese Eigenschaften werden als ideale Voraussetzung für eine wissenschaftliche Laufbahn gehandelt. Entmutigt werden junge WissenschafterInnen trotzdem an allen Ecken und Enden.

Neugier und Passion, Begabung und Mut – diese Eigenschaften werden als ideale Voraussetzung für eine wissenschaftliche Laufbahn gehandelt. Entmutigt werden junge WissenschafterInnen trotzdem an allen Ecken und Enden.

Klara* kocht Kaffee. Sie ist müde: „Ich habe bis spät in die Nacht gearbeitet.“ Neben ihrem Schreibtisch in ihrem WG-Zimmer in einer geräumigen Wiener Altbauwohnung liegt eine dicke Mappe, auf der in glänzenden Lettern groß PHD steht. Letztes Jahr hat Klara, wie unzählige andere Studierende, unter dem Druck auslaufender Diplomstudienpläne, ein sozialwissenschaftliches Studium an der Universität Wien abgeschlossen und stand damit vor der Frage: „Was nun?“ PhD lautete in Klaras Fall vorerst die Antwort, die ihr  selbst noch nicht so ganz geheuer ist.

„Insgesamt sind die Aussichten alles andere als gut“, konstatierte der Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Christoph Kratky, letztes Jahr bei den konservativen Alpbacher Technologiegesprächen in Bezug auf  wissenschaftliche Karrieren. Ein Jahr zuvor hatte der Chemiker seinem Sohn öffentlich davon abgeraten, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Unsicherheit ist der wissenschaftlichen Praxis grundsätzlich inhärent, weil Fragen gestellt werden, ohne zu wissen, wohin die Suche nach Antworten führt. In den letzten Jahren hat jedoch eine andere, sehr konkrete Form der Unsicherheit Einzug in das Leben vieler Forschender und Lehrender, und jener, die es noch werden wollen, genommen. Im Allgemeinen sei die Wissenschaftslandschaft in Österreich heute davon geprägt, dass die Universitäten im Zuge ihrer Autonomisierung zu selbstständigen Einheiten wurden, „die miteinander in Wettbewerb stehen, die sich rechtfertigen müssen, was sie mit ihrem Geld machen, Erfolge messbar machen und Pläne vorlegen müssen“, erklärt die Wissenschaftsforscherin Ruth Müller im progress- Gespräch: „Und das hat maßgebliche Konsequenzen auf allen Ebenen der Wissensproduktion.“ Die unternehmerische Universität braucht Maßstäbe für Erfolg und Exzellenz und soll gleichzeitig angesichts ihrer Unterfinanzierung sparen: Das Lukrieren von Drittmitteln, quantifizierbare Forschungsergebnisse wie Publikationszahlen, Projektarbeit und befristete Arbeitsverträge wurden zu  euen  Paradigmen des akademischen Feldes.

Konkurrenz. Wer heute in die Wissenschaft geht, setzt sich einer verschärften Konkurrenz um Publikationen, Förderungen sowie eine  schwindende Anzahl guter und sicherer Posten aus – ein System, das unweigerlich eine beträchtliche Anzahl an  NachwuchswissenschafterInnen früher oder später über den Rand fallen lässt. Nichtsdestotrotz versuchen junge Menschen mit  vielfältigen Motiven und Interessen in der Wissenschaft Fuß zu fassen und wagen damit einen Schritt auf unsicheres Terrain. „Ich  wollte eigentlich nicht Dissertation schreiben“, sagt Klara: „Nochmal vier Jahre allein im Kammerl zu sitzen und vor mich hin zu  schreiben, darauf hatte ich zumindest unmittelbar jetzt keine Lust. Außerdem war ich mir total unsicher, ob ich überhaupt in diesen Wissenschaftsapparat einsteigen möchte.“
Pauline zog für eine PhD-Stelle von Paris nach Wien und sieht ihre Dissertation als gute Überleitung zwischen Studium und Arbeit. Foto: Johanna Rauch
Denn das Leben als Jungwissenschafterin sei kein rosiges. Es werde im Allgemeinen  „komplette Hingabe“ erwartet, so Klara: „Also Wissenschaft – das ist kein Job, das ist ein Leben. Und das macht mir eben auch so Angst. Es wird erwartet, dass du außerhalb der Arbeitszeiten arbeitest, dass du ständig publizierst, und zwar bei schlechter Bezahlung. Es wird erwartet, dass man sich selbst ausbeutet.“ Die andere Seite der Medaille ist  für Klara jedoch die Freude an der wissenschaftlichen Tätigkeit: „In verschiedene Lebenswelten einzutauchen und zu versuchen, sie zu verstehen, macht mir Spaß. Und Forschung ist für mich ein bisschen wie ein  Puzzle – aus vielen kleinen Teilen entsteht ein größeres Ganzes und den Bildern und Geschichten wird damit Sinn gegeben.“

Damit verbindet sie auch einen politischen Anspruch: „Ich möchte Fragen stellen, die eine politische Relevanz haben.“ Und Klaras Diplomarbeitsbetreuerin hat ihr schließlich ein Angebot gemacht, zu dem sie sagt: „Ich hatte das Gefühl: Ich kann das jetzt nicht ablehnen.“

Unsichere Verhältnisse. Deshalb arbeitet Klara nun gemeinsam mit Kolleginnen an einem Antrag für ein Forschungsprojekt, in dessen Rahmen sie ihre  Dissertation schreiben möchte. Das bedeutet mehrere Monate intensiver Arbeit an der Entwicklung einer innovativen Fragestellung, was sich immer wieder anfühle, als müsse man „das Rad neu erfinden“. Das bedeutet auch ein Jahr finanzieller und persönlicher Unsicherheit und neben dem Gefühl, eine große Chance bekommen zu haben, stehen immer wieder auch Zweifel und Ängste: „Einerseits hängt über allem dieses Projekt ‚Dissertation’ und andererseits kein Geld, kein Job, unsichere Zukunft, kein geregelter Tagesablauf – das macht es schwierig, sich immer wieder selbst zu motivieren.“ Bis zu einer Entscheidung, ob das Projekt finanziert wird, kann noch ein halbes Jahr vergehen, das Klara mit unbezahlten Praktika und kleineren Jobs zu überbrücken versucht.

Um ähnlichen Herausforderungen aus dem Weg zu gehen und keine Zeit zu verlieren, hat sich Pauline im Unterschied zu Klara bewusst gegen eine Mitarbeit an der Entwicklung und Beantragung eines Forschungsprojekts entschieden, bevor daraus –  „eventuell“ – die Möglichkeit einer Finanzierung für eine Dissertation erwächst. Pauline hatte allerdings auch die Wahl und nach anfänglichen Zweifeln den Eindruck, dass „alle Türen offen stehen“: Als Abgängerin einer angesehenen und höchst selektiven  französischen IngenieurInnenschule und Absolventin einer Disziplin, die nicht als Massenfach charakterisiert werden kann, hat die damals 22jährige Diplom-Ingenieurin und Expertin für Holz gerade einmal eineinhalb Monate lang nach einer PhD-Stelle gesucht.

Dann hatte sie zwei Stellenangebote  im deutschsprachigen Raum. Sie zog von Paris nach Wien um, trat eine durch Drittmittel  finanzierte PhD-Stelle in einem Projekt an der BOKU an und war zunächst verwundert, dass hier alle große Augen machten, wenn sie  ihr Alter und ihre Arbeit in einem Atemzug erwähnte: „In meinem Umfeld in Frankreich ist das nicht außergewöhnlich.“ Wie das geht?  Nach dem Baccalauréat – der französischen Matura – mit 17 oder 18, zwei harte Jahre „classe préparatoire“, dann drei Jahre in der IngenieurInnenschule, die Pauline im Vergleich dazu dann weitgehend wie ein Spaziergang erschienen sind. „Die Dissertation ist für mich jetzt schließlich eine gute Überleitung zwischen dem Studium und der Arbeit. Schließlich lernt man weiterhin und fängt  gleichzeitig an zu arbeiten.“ Aus einem massiv verschulten System kommend, ist es Pauline primär wichtig, im Rahmen ihrer  Dissertation zu lernen, selbstständig zu arbeiten.

So beschäftigt sich Pauline nun seit einem halben Jahr mit der Entwicklung nachhaltiger Alternativen zu Plastik, lernt immer besser  Deutsch und hatte bisher das Gefühl unter guten Bedingungen zu arbeiten: keine unentgeltliche Arbeit in der Freizeit, gute  Bezahlung und eine kollegiale Atmosphäre. Das klingt zunächst nach der Realisierung des Traumes von Effizienz und Zielstrebigkeit im Rahmen innovativer und anwendungsorientierter Forschung – dabei scheint es allen Beteiligten zunächst gut zu gehen. Man  könnte meinen, von Klaras Erfahrungen und Einschätzungen sei Paulines Situation weit entfernt. Und dennoch ist die Prekarität vor  kurzem auch Teil von Paulines persönlichem und professionellem Horizont geworden. Denn das Unternehmen, mit dem Pauline im   Rahmen ihres PhD-Projekts zusammengearbeitet hat, ist in Konkurs gegangen. Ende September hätte ihr Vertrag für ein weiteres Jahr verlängert werden sollen – nun ist unklar, wie das finanzierbar sein soll. Somit wird Pauline letztlich wohl doch nicht umhinkommen, entweder Projektanträge zu schreiben und Fördermittel zu lukrieren oder von neuem umzuziehen und sich in ein neues Thema einzuarbeiten.
„Universitäten stehen miteinander im Wettbewerb, müssen Pläne vorlegen und Erfolge messbar machen“, kritisiert die Wissenschaftsforscherin Ruth Müller. Credit: Johanna Rauch
Destruktive Dynamik. Dass solch unsichere Verhältnisse einerseits die Betroffenen massivem Druck und Stress aussetzen, und andererseits auch mit epistemischen und sozialen Konsequenzen einhergehen, die durchaus auch guter, innovativer und kritischer  Wissenschaft im Wege stehen, betont Müller. Im Zuge ihrer Dissertation im Rahmen des Projekts Living Changes in the Life Sciences  am Institut für Wissenschaftsforschung der Universität Wien hat sie unter anderem festgestellt, dass  LebenswissenschafterInnen vor allem im Post-Doc- Stadium, das als besonders heikle Phase einer wissenschaftlichen Karriere betrachtet wird, angesichts des massiven Drucks, laufend Forschungserfolge vorzulegen und zu publizieren, dazu tendieren, sich  mit „relativ sicheren“ Themen zu beschäftigen. So reizvoll riskantere und innovativere Fragestellungen wären – junge  WissenschafterInnen können sich diesen zusätzlichen Risikofaktor nicht leisten. „In seiner ganzen Radikalität manifestiert sich das  darin, dass ProfessorInnen feststellen, ihre Karriere sei unter heutigen Bedingungen nicht mehr möglich, weil sie sich als Post-Doc  zwei Jahre mit einem ungewöhnlichen Thema beschäftigt haben, das sich im Endeffekt als sehr fruchtbar erwiesen hat, zunächst aber keine verwert- und  publizierbaren Ergebnisse hervorgebracht hat“, stellt Müller fest. Und während im Allgemeinen immer  wieder betont wird, wie wichtig Innovation, Kreativität und Kollaboration für die Wissenschaft seien, zeigt Müller auch auf, dass die  derzeitigen Bedingungen tatsächlich Tendenzen der Individualisierung befördern. Angesichts der verschärften Konkurrenz im Post-Doc-Stadium wird Teamarbeit beispielsweise aus Angst vor dem Verlust der ErstautorInnenschaft häufig vermieden. 

Potenzielle Synergien bleiben folglich oftmals ungenutzt. Keine Karriere mit Lehre. Die universitäre Lehre wird weitgehend in den  Hintergrund gedrängt. Dass der Kultur- und Sozialanthropologe Igor Eberhard, der gerade dabei ist, seine Dissertation abzuschließen, von sich sagt, dass es vor allem seine Leidenschaft für die Lehre gewesen sein, die ihn trotz allem dazu veranlasst  habe, im akademischen Feld weiterzuarbeiten, steht im Kontrast zur aktuellen systemischen Logik der österreichischen Wissenschaftslandschaft. Eberhard lehrt nicht nur seit 2009 Vollzeit an der Universität Wien, sondern publiziert auch in Projekten mit Studierenden Sammelbände. Vom Schreiben der Texte bis zu Layout und Werbung wird alles gemeinsam gemacht – ein  aufwändiger Prozess, im Zuge dessen alle gemeinsam viel lernen, erzählt er. Honoriert wird das allerdings nicht. Zusätzlich habe er immer auch geforscht sowie eigene Text publiziert, „aber im Grunde hätte ich karrieretechnisch betrachtet nie so viel Energie in die  Lehre investieren dürfen“, stellt Eberhard heute fest: „Für den wissenschaftlichen Lebenslauf bringt das gar nichts. Es ist zwar  wichtig, dass man Lehrerfahrung hat. Das steht in jeder Ausschreibung drin. Welcher Umfang, wie gut oder wie intensiv, das ist  eigentlich nebensächlich. Im  Vordergrund stehen Publikationen.“ Dennoch waren vor allem in sozialwissenschaftlichen Fächern jeweils auf ein Semester befristete Lehraufträge – meist in Kombination mit Stipendien, Projektarbeit und anderen Jobs – bisher  vielfach eine Möglichkeit für JungwissenschafterInnen, sich ein Doktoratsstudium zu finanzieren.

Das Engagement der sogenannten „ExistenzlektorInnen“ und ihr Beitrag zum Funktionieren der Universitäten mögen jedoch noch so groß sein – Wertschätzung oder längerfristige Perspektiven erhalten sie von Seiten der Universitäten dafür bisher nicht. "In den Lebenswissenschaften lehren deshalb die wenigsten Leute auf der Junior-Ebene, weil das als etwas gesehen wird, was dich nur behindert. Und wenn du dann drei Papers schreiben und einen Kurs vorbereiten solltest, ist klar, wo die Prioritäten liegen“, stellt  uth  Müller fest. Dass diese Verhältnisse für die Qualität der Lehre letztlich nicht förderlich sind, erleben Studierende verschiedenster Fächer am laufenden Band.
Den Kultur- und Sozialanthropologen Igor Eberhard hat vor allem seine Begeisterung für die Lehre auf der Uni gehalten. Für diese gibt es jedoch wenig Prestige und Anerkennung. Credit: Johanna Rauch
Schwere Entscheidungen. Angesichts der prekären Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses sei es umso wichtiger, sich der Tendenz zu Individualisierung zu entziehen, betont Eberhard: Der Austausch mit anderen Betroffenen stärke individuell und  potenziell auch politisch. Als Mitglied der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen setzt sich Eberhard deshalb auch seit heuer im Betriebsrat der Universität Wien für die Interessen der LektorInnen und für eine Aufwertung der Lehre ein. Er will auch nach Abschluss seiner Dissertation weiter lehren und forschen: „Ich habe schon zu viel investiert, um jetzt aufzugeben.“ Dafür müsse er aber mit großer Wahrscheinlichkeit ins Ausland gehen, denn in Österreich fehlen einfach die entsprechenden Perspektiven und Möglichkeiten. Müller bringt die Problematik einer Entscheidung für die Wissenschaft auf den Punkt: „Man kann sich heute nicht mehr für eine wissenschaftliche Karriere entscheiden. Man kann sich dafür entscheiden, es zu versuchen.“

Für Klara und Pauline ist eine akademische Zukunft dementsprechend keineswegs in Stein gemeißelt: „Ich probiere das jetzt einfach und wenn ich merke, dass das nichts für mich ist und mich das nicht glücklich macht, dann muss ich eben wieder etwas anderes machen“, meint Klara, die sich auch vorstellen kann, im journalistischen Bereich zu arbeiten. Auch Pauline sieht ihre Zukunft nicht unbedingt in der Wissenschaft, sondern eher in einem Unternehmen: „Im Endeffekt sehe ich längerfristig wenige attraktive  Möglichkeiten, in der akademischen Forschung zu bleiben.“

Institutionalisiertes Scheitern. So schwer es ist, in den Wissenschaften Fuß zu fassen, so schwer kann es aber auch sein, sich wieder  daraus zu verabschieden, weiß Müller: „Viele DissertantInnen sagen am Anfang, eigentlich weiß ich nicht so genau, wo ich in zehn Jahren sein möchte. Bereits im Zuge der  Auswahl von PhD-Studierenden gilt es jedoch unbedingt zu performieren, dass du  genau diese Berufung hast, in den akademischen Wissenschaften zu sein. Sonst gilt man nicht als förderungswürdig. Und was am  Anfang vielleicht bei manchen eine Performanz ist, verselbstständigt sich häufig.“ Dann tatsächlich auszusteigen, ist ein Schritt, der oft als Scheitern betrachtet wird. Um sich davor zu schützen, ist es aus Müllers Sicht wichtig, sich selbst auch mit Alternativen zur Arbeit im akademischen Feld auseinanderzusetzen und sich bewusst zu machen, dass „dieses individualisierte Schaffen oder Versagen eine unglaublich mächtige Konstruktion ist“. Der aktuellen strukturellen Schieflage in den Wissenschaften ist mit persönlichem Engagement nur bedingt beizukommen, so Müller: „Es geht nicht darum, dass du nur gut genug sein musst und dann  schaffst du es.“ Letztlich brauche es dringend eine Perspektivenänderung in den Institutionen, betont sie: „Hin zu einem ganzheitlicheren Begriff davon, was es heißt, WissenschafterIn zu sein, und einem Bewusstsein dafür, dass es ein komplexeres Set   von Indikatoren braucht, die auch qualitativ sein müssen. Und es muss klar werden, dass Langfristigkeit auch wichtig ist.“

Linktipp:
IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen

Projekt: Living Changes in the Life Sciences (gefördert durch GENAU/bmwf: Projektleitung: Univ. Prof. Ulrike Felt)

*Name geändert. Der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.