Drittstaatenangehörige

Existenzieller Deutschkurs – dreimal so teuer

  • 18.06.2016, 15:36
Österreich will internationale Hochschulen, präsentiert sich als offen und zugänglich für alle. Leider liegt zwischen Idee und Realität eine Welt voller Hürden und Beschränkungen.

Existenzieller Deutschkurs – dreimal so teuer Österreich will internationale Hochschulen, präsentiert sich als offen und zugänglich für alle. Leider liegt zwischen Idee und Realität eine Welt voller Hürden und Beschränkungen.

Die Problematiken, mit denen Drittstaatsangehörige konfrontiert sind, die in Österreich studieren wollen, geraten kaum in den Blick öffentlicher Debatten. Selten werden Betroffene gefragt, welche bürokratischen Hürden sie zu überwinden haben, um hier studieren zu können. Täglich sind wir als Referat für ausländische Studierende der Bundesvertretung der ÖH mit dieser Problematik konfrontiert und versuchen künftige und gegenwärtige Studierende dabei zu unterstützen, ein Studium in Österreich zu beginnen, oder ein bereits begonnenes Studium abzuschließen.

BÜROKRATIE. Der Weg durch die Bürokratie ist lang und entsprechend aufwändig. Zunächst erfolgt die Anmeldung auf einer österreichischen Universität mit Reifeprüfungszeugnis und Studienplatznachweis. Im Falle eines positiven Zulassungsbescheids (die zuständigen Stellen benötigen etwa 12 Wochen für die Bearbeitung) müssen die angehenden Studierenden einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel stellen. Den Antrag für Studierende stellt man, sofern man visumfrei nach Österreich anreisen darf, in der MA 35, wenn nicht, muss der erste Antrag in einer österreichischen Botschaft gestellt werden. Zu erwähnen ist, dass es in manchen Ländern keine österreichische Botschaft gibt und Betroffene daher in benachbarte Länder einreisen müssen, um einen Antrag auf ein Visum für Österreich zu stellen. Auch in den Behörden der Herkunftsländer beträgt die Wartezeit einige Wochen. Erst wenn von der Botschaft ein sogenanntes „Visum D“ ausgestellt wird, ist die Einreise nach Österreich und die persönliche Inskription an der Universität möglich. Man kann sich vorstellen, dass das alles enorm viel Geld und Zeit kostet, zumal dieser steile bürokratische Weg nicht mit der Ankunft in Österreich endet. Nachdem man bereits im Herkunftsland von einem Magistrat ins andere gegangen ist, die erforderlichen Dokumente besorgt hat, übersetzen, abstempeln und beglaubigen ließ, setzen sich diese Strapazen in Österreich in ähnlicher Weise fort. Anträge für die Verlängerung von Visa und ständige Besuche in der MA 35 stehen auf der Tagesordnung. Unsicherheiten entstehen häufig durch die vielen unterschiedlichen Nachweise, die Drittstaatsangehörige erbringen müssen, um an einer österreichischen Hochschule studieren zu dürfen. Auf Unverständnis trifft beispielsweise der sogenannte Studienplatznachweis; eine Bestätigung dafür, dass die betreffende Person, die ein Studium in Österreich anstrebt, das gewünschte Studienfach auch auf einer anerkannten Hochschule in ihrem Herkunftsland studieren könnte.

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Ausländische Studierende, besonders jene aus Drittstaaten, haben einen langen Weg hinter sich und kommen meist aus Ländern, in denen das durchschnittliche Monatseinkommen unter 500 Euro liegt. Im Vergleich zu Studierenden aus EU Ländern müssen sie Studiengebühren in der Höhe von 380-740 Euro pro Semester zahlen, dürfen aber gleichzeitig nicht mehr als zehn Stunden pro Woche arbeiten. Vom Bezug von Studienbeihilfe sind sie ausgeschlossen. Ausländische Studierende müssen jährliche Leistungsnachweise bei der MA 35 in der Höhe von 16 ECTS Punkten erbringen, sonst dürfen sie nicht in Österreich bleiben. Der finanzielle Aufwand ist also um ein vielfaches Höher, als für österreichische Studierende und hier sprechen wir noch nicht einmal von Lebensunterhaltskosten, die wir ja alle zahlen müssen. Im Endeffekt läuft dies darauf hinaus, dass nur Personen für ein Studium nach Österreich kommen können, deren Eltern die hohen Kosten dafür decken können.

SPRACHE MACHT INTEGRATION AUS. Das Bundesministerium für Äußeres betont im Bereich Integration die Notwendigkeit der Beherrschung der deutschen Sprache, ohne die eine Teilhabe an der Gesellschaft beinahe unmöglich scheint: „Das Erlernen der deutschen Sprache und die Akzeptanz unserer demokratischen Werte und Rechtsordnung sind zentrale Eckpunkte einer erfolgreichen Integration. Diese Grundpfeiler der Integration sind unabdingbare Voraussetzungen für die aktive Teilhabe an unserer Gesellschaft – ohne dabei die eigenen Wurzeln leugnen zu müssen“. Kurz gesagt sind wir ohne Sprache, mit der wir uns in einem bestimmten Raum, Land, in einer bestimmten Gruppe verständigen können, VERLOREN, NICHT ZUGEHÖRIG, NICHT FÄHIG. Sprache macht uns zu Menschen, bietet uns die Möglichkeit unser Denken zu erweitern, Fragen zu stellen und diese analytisch zu beantworten, die Möglichkeit weiter zu lernen und uns weiter zu entwickeln. Wenn ihr es so wollt, bietet uns auch die Möglichkeit, uns in die Mehrheitsgesellschaft zu integrieren. Da die Sprache enorm wichtig ist, sollten nicht-deutschsprachige Studierende die Möglichkeit haben, finanziell tragbare Deutschkurse zu besuchen, um sich damit auf ihr Studium vorbereiten zu können.

Der Vorstudienlehrgang der Wiener Hochschulen (VWU), welcher mit der Vorbereitung ausländischer Studierender auf ein Studium in Österreich beauftragt ist, existiert schon sehr lange, genau gesagt seit 1962. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen den sechs größten Hochschulen in Wien (Uni Wien, TU, WU, BOKU, MedUni, VetMedUni) und dem ÖAD (Österreichischer Austausch Dienst). Ziel ist es, für die Studierenden, die aus nicht deutschsprachigen Ländern kommen, unter anderem auch Deutschkurse anzubieten. An sich ist das Projekt sehr gut und hilfreich.

Wien ist eine Stadt, die durch Migration wächst. Diese Tatsache ist schon seit vielen Jahren bekannt. Auch an Wiener Hochschulen steigt die Zahl ausländischer Studierender von Jahr zu Jahr. Aus diesem Grund hat sich der VWU mit den Wiener Hochschulen zusammengesetzt und beschlossen, die bisherige Arbeitsweise zu reformieren.

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VWU NEU. Die Überlegungen, den VWU neu zu gestalten, gehen auf das Jahr 2013 zurück, in dem eine Diskussion zwischen dem VWU-Komitee und den Wiener Hochschulen stattfand. Es ging darum, die Vorstudienlehrgänge vor allem im Hinblick auf die Qualität zu verbessern, wie zum Beispiel einheitliche Inskriptionsfristen für alle DeutschkursanbieterInnen festzulegen, die Qualität der Unterrichtseinheiten zu verbessern, oder die Übungseinheiten aller KursanbieterInnen zu vereinheitlichen. Der VWU benötigte außerdem neue KooperationspartnerInnen, da zusammen mit der Österreichischen Orientgesellschaft (ÖOG) nicht genügend Kursplätze für alle Studierenden zu Verfügung gestellt werden konnten. Ende 2015 kamen zwei DeutschkursanbieterInnen hinzu: das Sprachzentrum der Uni Wien und „die Berater“.

Theoretisch klingt das Projekt VWU Neu gut und hilfreich für alle, die zum Studieren nach Österreich kommen wollen. Es stellt sich bei diesen Umstrukturierungen jedoch auch die Frage, wie die Qualitätsverbesserung finanziert werden soll und ob die für Drittstaatsangehörige existenziellen Deutschkurse erschwinglich bleiben.

Finanziert wird der VWU zum einen vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, zum anderen durch die Kursgebühren der TeilnehmerInnen, die sich bis jetzt auf 460 Euro pro Person und Semester beliefen. Im Zuge der geplanten Umstrukturierung des VWU, werden die Preise nun auf 1.150 Euro pro Semester erhöht, also fast das Dreifache. Das ist natürlich ein Schock für diejenigen, die jetzt schon am Existenzlimit leben.

WAS BETROFFENE DARÜBER DENKEN. Um auch die Betroffenen zu Wort kommen zu lassen, haben wir Statements von jenen Drittstaatsangehörigen gesammelt, die den VWU besuchen. Über die künftige Verteuerung herrscht Unmut. „Viele Leute könnten es sich dann nicht leisten, in Österreich zu studieren“ bringt Muhamed aus dem Iran die Problematik auf den Punkt. Asaf aus Aserbaidschan meint “Wir haben keine Alternative, wir müssen jetzt zahlen, wir können nirgendwo anders hingehen“. Auch über die Gründe der steigenden Preise stellen unsere GesprächspartnerInnen Vermutungen an. Mirela aus Bosnien und Herzegowina sagt: “Die wollen uns hier nicht haben, ich fühle mich nicht willkommen. Sie wollen damit die Einwanderung stoppen”. Ein türkischer Student in Wien kommentiert: “Wenn die FPÖ in der Regierung ist, werden sie dieses Problem sowieso von den Wurzeln an lösen. Dann wird es weit und breit keine Kurse geben”. Ein anderer Gesprächspartner meint: „Das ist eine traurige Nachricht. Ich hoffe der Grund dafür ist nicht, dass sie eine höhere Bildung für ausländische Studierende in Österreich unmöglich machen wollen”.

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Personen, die zum Studieren nach Österreich kommen und den VWU besuchen, befinden sich bereits in einer prekären Situation, was das Arbeitsrecht und das Studienbeihilferecht betrifft. Eva aus Österreich, die eine amerikanische Matura hat und noch einige Ergänzungsprüfungen absolvieren muss, findet die Situation „ziemlich frustrierend“ und weiter: „Auch jetzt sind VWU-Kurse teuer. Die Leute bekommen wenig Geld von den Eltern, müssen arbeiten. Ich arbeite auch, um mir den VWU zu leisten.“ Firas aus dem Iran erinnert sich: “Ich kenne Leute aus dem Iran, die nach ein oder zwei Jahren zurück mussten, weil sie kein Geld von ihren Eltern bekommen. Es gibt viele Personen, die sich in den Unterrichtsstunden nicht konzentrieren können, weil sie sich um andere Sachen kümmern müssen und andere Probleme haben, Probleme mit Geld zum Beispiel“.

UNLEISTBAR: VIELE KONSEQUENZEN. Aufklärung und die Bereitschaft die Studierenden genauer darüber zu informieren, warum die Deutschkurspreise dermaßen erhöht werden, ist kaum bis gar nicht vorhanden. Die betroffenen Studierenden an die VWUWebseite zu verweisen, führt vor allem zu Verwirrung und Unsicherheit.

Die VWU-Kommission beteuert natürlich, dass sich das Geld auszahlen wird und behauptet, dass man die Deutschkurse von nun an in zwei Semestern schaffen kann. Daran zweifeln Studierende wie Aman aus Ägypten, den wir bei der Vorbereitung auf die VWUPrüfungen mit unseren Fragen gestört haben: “Man kann es nicht in zwei Semestern schaffen, es ist zu wenig Zeit”. Noch schlimmer wird es wohl werden, wenn Studierende das Gefühl haben, dass sie nicht erwünscht sind.

Sprache ist eine wichtige, existenzielle Ressource für jeden Menschen. Diese Ressource ist notwendig für ausländische Studierende, die nach Österreich kommen, weil sie die Türen zu einer höheren Bildung öffnet. Schließen wir die Türen, machen wir die Deutschkurse unerschwinglich, dann schließen wir gleichzeitig den Zugang zu den Hochschulen und damit den Zugang zur freien Bildung.

Aylin Bademsoy studiert Germanistik und Philosophie, Kanita Halkic studiert Soziologie an der Universität Wien. Beide sind im Referat für ausländische Studierende auf der ÖH-Bundesvertretung tätig.
Kontakt:
auref@oeh.ac.at
oeh.ac.at/referate/referat-fuer-auslaendische-studierende

50 Jahre alte Forderungen

  • 11.05.2015, 08:36

2015 kandidieren Drittstaatsangehörige erstmals bei der ÖH-Wahl. progress nimmt dies zum Anlass, einen Blick zurück auf die Studienbedingungen afroasiatischer Student_innen der 1960er zu werfen.

2015 kandidieren Drittstaatsangehörige erstmals bei der ÖH-Wahl. progress nimmt dies zum Anlass, einen Blick zurück auf die Studienbedingungen afroasiatischer Student_innen der 1960er zu werfen.

Bei der ÖH-Wahl im Mai gibt es zum ersten Mal das passive Wahlrecht für Drittstaatsangehörige: Studierende ohne EWR-Mitgliedsstaat-Pass können nun nicht mehr nur ihre Stimme abgeben, sie können sich auch als Kandidat_innen aufstellen lassen. Während ihnen das trotz ÖH-Beitragszahlungen bislang gesetzlich verwehrt wurde, findet jetzt ein wichtiger Schritt zur weiteren Demokratisierung der Hochschulen statt: gleiches Wahlrecht für alle.

So weit (nunmehr, endlich!), so gut. Umgesetzt wurde damit eine Forderung, die mehr als 50 Jahre alt ist. Auf unipolitischer Ebene hat der Verband sozialistischer Studierender Österreichs (VSStÖ) die Regelung Anfang der 1970er in Frage gestellt – er scheiterte allerdings an der damals benötigten Verfassungsänderung. Kritik am Wahlrecht wurde aber schon einige Jahre zuvor durch Studierende aus afrikanischen Ländern vorgebracht: Die Zeitschrift der österreichischen Pan-Afrikanischen Studierendenvertretung Africa Today berichtete 1964 klar und eindrücklich von „ernsthaften Verletzungen unserer Rechte als Studierende“ („serious infringe- ments on our rights as students.“) Als dringlichste Forderung nannte das Blatt das aktive Wahlrecht, also die Möglichkeit, wählen zu gehen, was erst mit dem Hochschülerschaftsgesetz 1973 eingeführt werden sollte. Zugleich empörte sich Africa Today über die Praxis der ÖH, grundsätzlich ungleich zu behandeln: Nicht einmal zu internen Treffen wurde der afrikanische Student_innenvertreter – seinerzeit Vizepräsident der Vertretung ausländischer Student_innen – eingeladen. Die Beteiligung wurde schlichtweg verweigert.

GAST IM GETTO. Ein anderer Artikel gibt ausführlicher Einblick in die hegemonialen Diskurse und die Bedingungen von damals: Der Achtseiter „Der Gast im Getto?“ vom 1. März 1965 in der Zeitschrift Wirtschaftshorizont, in dem afroasiatische Studierende ebenso kritisierten, dass sie „in der Hochschülerschaft nichts mitzureden haben“. Direkte Reaktionen der ÖH waren dazu nicht zu finden, eine Wortmeldung des (konservativen) Vorsitzenden Heinzpeter Thiel verdeutlicht aber die damalige ÖH-Positionierung: „Als Standesvertretung der österreichischen Hochschüler müssen wir doch der Auffassung sein, dass es nicht angeht, dass wir eine derartig große Anzahl an ausländischen Studierenden aufnehmen“, so Thiel 1965 in einem ORF-Interview. Geführt wurde das Gespräch wegen mangelnder Kapazitäten der Unis. Thiel forderte aber nicht den Ausbau des Uni-Budgets, der Infrastruktur oder der Lehre, sondern sprach sich stattdessen gegen Bildungsmigrant_innen aus. Die Hochschüler_innenschaft, so zeigt das Statement auf, verstand sich nur als Vertreterin der Mehrheitsösterreicher_innen. Zwei Jahre später stellte der VSStÖ erstmals Überlegungen zum verbandsinternen Wahlrecht für ausländische Studierende an. Sigrid Nitsch zufolge, die die Geschichte des VSStÖ aufgearbeitet hat, geben die Akten aber lediglich „einige Hinweise darauf [...], dass die damalige Verbandsführung [durch das] Wahlrecht für ausländische Verbandsmitglieder versuchte ihre Macht abzusichern“.

Im besagten Artikel des Wirtschaftshorizontes war ebenfalls das zyklisch wiederkehrende Thema des „katastrophalen“ Platzmangels an den österreichischen Universitäten Anlass für die journalistische Aufmerksamkeit für afroasiatische Studierende. In den Jahren des Wirtschaftsaufschwungs zwischen 1955 und 1965 hatte sich die Gesamtstudent_innenzahl mehr als verdoppelt, und auch Studierende aus Afrika und Asien waren – vor dem Hintergrund der Dekolonisation und der Frage nach Einflusssphären im Kalten Krieg – ein Stück weit mehr geworden: Nicht zuletzt weil sich Österreich aufgrund der Chance auf neue Wirtschaftsbeziehungen sowie neokoloniale und (antikommunistische) weltanschauliche Einflussnahme vermehrt für die postkolonialen afrikanischen und asiatischen Staaten interessierte, nahm man sich ab Ende der 1950er mit einem gewissen Engagement der afroasiatischen Studierenden an und unterstützte sie teils durch Stipendien. Geht es nach dem medialen Diskurs, so blieb dieses Engagement aber stets ambivalent. Die Anzahl der Student_innen aus Asien und Afrika war um einen vergleichsweise minimalen Anteil gestiegen, die fehlenden Kapazitäten an der Uni wurden dennoch – vermutlich weil sie ein ungewohntes Bild darstellten – über People of Colour verhandelt: Sie, diese lächerlich kleine Gruppe an Studierenden (5,7 Prozent), würden die Situation verschärfen.

RASSENTRENNUNG. Anlässlich dessen führte der Wirtschaftshorizont auch eine in den Ergebnissen aufschlussreiche und an manchen Stellen haarsträubende Umfrage unter mehr als 100 österreichischen Student_innen durch. „Soll sich der österreichische Staat bemühen, noch mehr Studenten aus den Entwicklungsländern an unsere Hochschulen zu bringen?“ 79 Prozent antworteten mit Nein. 53 Prozent gaben außerdem an, dass die Schwierigkeiten der afroasiatischen Studierenden bei ihnen selbst zu suchen seien, und: 39 Prozent der mehrheitsös- terreichischen Studierenden sprachen sich für die „Rassentrennung à la Südafrika“ aus.

Die Umfrage eröffnet einen Blick auf den rassistischen Diskurs um 1965 im Uniumfeld – also erschütternderweise jenem der Generation des Postnationalsozialismus. Gerade die große Anzahl der Apartheitsbefürworter_innen wiegt in Anbetracht der breiten, internationalen Verurteilung des Apartheits-Regimes ab 1960 schwer. Rassistische Annahmen und Rassismus legitimierende Aussagen zeigen sich aber auch im Umgang mit den Prozentzahlen. Die Kommentare des namentlich nicht genannten Redakteurs bleiben trotz Kritik meist abwägend oder verharmlosend: Die hohe Ablehnung sei vor allem auf „realistische Überlegungen“ zurückzuführen – eben wegen der „Überfüllung der Universitäten“. Auch an dieser Stelle erscheint das als schiefe Logik. Studierende, die sich für „Rassentrennung“ aussprechen, seien zudem, so der Wirtschaftshorizont weiter, nicht unbedingt „Rassenfanatiker“. Es könne sein, dass jemand „aus den verschiedensten Überlegungen eine solcherartige Maßnahme“ begrüßen würde – eine Bemerkung, die letztlich der Diskriminierung entlang der Hautfarbe Plausibilität zuspricht.

PRÄPOTENT. Nicht nur diese Umfrage ist in dem Artikel abgedruckt, auch afrikanische und asiatische Student_innen kommen zu Wort und geben darüber Aufschluss, wie schwierig es für Menschen nicht- weißer Hautfarbe im Österreich der 1960er gewesen ist. Ihre Statements erzählen von dem strukturellen, spezifisch zeitgenössischen Rassismus, mit dem sie im Alltag, in den Medien und bei der Wohnungssuche konfrontiert waren: Die meisten Studierenden aus Afrika und Asien fanden in den Studiheimen keinen Platz. Am privaten Wohnungsmarkt waren sie oft mit „keine Orientalen“-Aushängen oder horrenden Zimmerpreisen konfrontiert – dass jemand nicht weiß war, musste er/sie oft mit einem zigfachen Mietpreisaufschlag bezahlen. Die interviewten afroasiatischen Studierenden äußerten weiters Kritik an den österreichischen Studierenden – sie seien zurückhaltend und wenig gastfreundlich – und brachten zum Ausdruck, dass die Österreicher_innen paternalistisch und präpotent in Erscheinung traten. Die Arbeiter_innenschaft sei da wesentlich solidarischer gewesen. Schwarze Studierende bekamen es außerdem in der Straßenbahn zu spüren, wenn die Zeitungen von einem Massaker aus dem Kongo-Krieg berichteten.

Der Interviewteil mit Afrikaner_innen und Asiat_in- nen ist zugleich nicht sehr lang, in indirekter Rede verfasst und eingebettet in die Kommentare des Autors, der auch dort die Aussagen der Studierenden relativiert und die österreichische Seite in Schutz nimmt. Diskriminierungen legitimiert er etwa mit der (inzwischen oft widerlegten Annahme der) fehlenden kolonialen Involvierung Österreichs: „Ist die unkolonialistische Vergangenheit rein politisch von Vorteil, so bedingt dies andererseits eine geringe Aufgeschlossenheit des Österreichers gegenüber dem exotischen Äußeren der Asiaten und Afrikaner: Die große Welt mit ihrem unendlichen Horizont ist ihm einfach zu neu.“ Eine solche, damals wiederholt geäußerte Argumentation, die den Entwurf eines moralisch zwar überlegenen, jedoch hermetisch abgeschlossenen und unbedarften Österreichs zu erkennen gibt, ermöglichte es, rassistische Stereotype als harmlos zu beschreiben: Dahinter läge, so die Erklärung, nur Weltferne, und Stereotype seien aufgrund der „Exotik“ ja nur allzu verständlich.

Diese medialen Diskurse geben einen Einblick in eine Zeit, in der sich Österreich um die Präsenz afroasiatischer Studierender viel stärker bemühte als heute. Der strukturelle Rassismus wurde allerdings – trotz der Einmahnung eines guten Umgangs mit migrantischen Studierenden, schlug dieser ja die zukünftige wirtschaftliche Brücke zwischen Österreich und ihren Herkunftsländern – weder von Medien, die sich nach 1945 eigentlich der Demokratisierung und Aufklärung verschrieben hatten, noch von der ÖH deutlich kritisiert oder gar bekämpft.

Nun steigt die Zahl der Bildungsmigrant_innen aus Afrika (2013/14: 1.235) und Asien (10.582) in Österreich zwar wieder, die Bedingungen dürften sich indes vermutlich nicht grundlegend verändert haben. Eines ist allerdings sicher anders: 2011 gab es einen Stipendienstopp. Für Mariam Mamian Diakité von der 2012 gegründeten Vereinigung afrikanischer Studenten (VAS) ist die heutige staatliche Unterstützung zu wenig: „Österreich muss verstehen, dass es nicht nur in unserem Interesse ist, hier zu studieren.“ Stipendien würden nicht nur die gewünschte Internationalisierung stärken, sondern nach wie vor auch wirtschaftliche Vorteile bieten. Die Situation vieler sei prekär, selbst wenn nicht alle Studiengebühren zahlen – Ausnahmen gibt es etwa bei gewissen Aufenthaltsstati oder bei einer Herkunft aus Ländern, die als „am wenigsten entwickelt“ definiert werden. Man darf kaum arbeiten, zwischen zehn und 20 Stunden pro Woche sind möglich, je nachdem, ob man im Bachelor- oder Masterstudium ist. Die Unibürokratie und die Koppelung der Visa an den schnellen Studienerfolg stellen weitere schwierige Hürden dar. Die Probleme bei der Zimmersuche versucht die VAS mit einem Unterbringungsangebot auszugleichen, sie bietet außerdem Kurse an.

Bei der diesjährigen Wahl der Bundesvertretung gibt es wenige Spitzenkandidat_innen aus Drittstaaten. Zumindest rechtlich hat sich aber etwas geändert. In den kommenden Jahren könnte das dazu führen, dass das inzwischen stärkere antirassistische Bekenntnis der ÖH – nicht zuletzt symbolpolitisch – noch einmal kräftiger wird.

 

Paula Pfoser hat Kunst­ und Kulturwissenschaften an der Universität Wien studiert und ist Redakteurin bei MALMOE. 

 

Ab in den Osten

  • 13.07.2012, 18:18

Rumänien ist für viele noch immer akademisches Niemandsland. Dennoch steigt die Zahl angehender MedizinstudentInnen, die es in die Universitätsstadt Temeswar zieht. Weit entfernt vom Massenbetrieb bildet die Hochschule praxisnah aus.

Rumänien ist für viele noch immer akademisches Niemandsland. Dennoch steigt die Zahl angehender MedizinstudentInnen, die es in die Universitätsstadt Temeswar zieht. Weit entfernt vom Massenbetrieb bildet die Hochschule praxisnah aus.

Was sie einmal werden will, wusste Laura Bogdan schon von klein an. „Medizinerin!“, schießt es aus der heute 24-Jährigen heraus. Doch die Tochter eines Zahnarztes verpasste die Anmeldung für den Eignungstest der österreichischen Medizinuniversitäten in Wien, Graz und Innsbruck. Ein Jahr warten und auf gut Glück an der Seite von 11.000 weiteren Studieninteressierten den Eignungstest durchackern? Das kam für die Klagenfurterin mit deutsch-rumänischen Wurzeln nicht in Frage; sie wollte sofort loslegen. Also suchte sie sich eine Studienstadt im Ausland und landete in ihrer Wahlheimat: Rumänien.

Akademisches Niemandsland. Dass das Land am Rande der Europäischen Union jahrelang als akademisches Niemandsland galt, reizte sie erst recht: „Es gibt sehr viele RumänInnen, die hart, viel und gut im Ausland arbeiten, nur leider wird darüber nichts berichtet.“ Rumänien ist weder für kosmopolitisches Flair, noch für einen gehobenen Lebensstil berühmt. Nach wie vor verbinden die meisten ÖsterreicherInnen mit dem Land Armut, Korruption und technische Rückständigkeit. „Wenn du dort aus einem Auto aussteigst, droht dir sicher jemand mit der Waffe. Viele Autos kann es dort ja nicht geben, mehr Pferdekutschen, oder? Solche und ähnliche Sätze muss ich mir anhören, wenn ich von meinem Studienort erzähle“, so Laura trocken. Sie ist es leid, sich für ihren Studienort rechtfertigen zu müssen. Viel lieber spricht sie über die 300.000-EinwohnerInnen-Stadt im Westen Rumäniens, Temeswar, als ihre Schule des Lebens, über die engagierten ProfessorInnen und erzählt, dass man sich untereinander kennt. „Ich nenne Temeswar gern meinen Dschungel, weil hier vieles so anders ist als im Westen.“
Temeswar ist neben Klausenburg (Cluj) in Siebenbürgen und der Hauptstadt Bukarest die beliebteste Stadt für ein Auslandsstudium in Rumänien. Mittlerweile gibt es bereits 70 Studiengänge in deutscher Sprache, darunter Journalistik, Europawissenschaften und Betriebswirtschaft. Laura, die bereits im achten Semester ist, studiert zusammen mit überschaubaren 1.500 KomilitonInnen an den drei Fakultäten Humanmedizin, Zahnmedizin und Pharmazie. Fast zwei Drittel davon hat es aus aller Welt in die alte mehrsprachige Kulturstadt gezogen, deren drei offizielle Namen von ihrer wechselvollen Geschichte zeugen: Timişoara (rumänisch), Temesvár (ungarisch) und Temeswar oder Temeschwar (deutsch). Das noch bestehende deutsche und ungarische Staatstheater inmitten der Stadt zeugt von ihrer K.u.k.-Vergangenheit. Und aufgrund ihrer optischen und geografischen Nähe zu Wien wurde Temeswar auch immer wieder „Klein-Wien“ genannt.

Vielsprachiges Angebot. Seit 1997 wird hier das Medizinstudium auf Englisch oder Französisch angeboten. Nur ein paar hundert Studierende kommen laut Andrei Motoc, Vizedekan an der Medizinischen Fakultät, aus Deutschland oder Österreich. „Aber es werden immer mehr. Wir überlegen uns auch schon seit geraumer Zeit, Medizin auch in Deutsch anzubieten. Zurzeit wählen die meisten ausländischen Studierenden Französisch als Unterrichtssprache“, sagt Motoc und fügt hinzu: „Und zwar deswegen, weil MarokkanerInnen und TunesierInnen hier am öftesten studieren.“ Der weltgewandte Mann mit dem schwarzen sauber gestutzten Schnauzer und den dunklen Augen sitzt in seinem dezent eingerichteten Büro an der medizinischen Fakultät und erzählt stolz von seinen AbsolventInnen, die nun in den Metropolen der Welt arbeiten. „Das, was das Studium hier so besonders macht, ist die frühe Praxis. Bereits im zweiten Jahr müssen StudentInnen ihr Wissen an den PatientInnen anwenden. Egal, ob sie Rumänisch sprechen oder nicht“, sagt Motoc und fügt hinzu: „PatientInnen sind es hier gewohnt, sich zehn Mal am Tag die Leber von StudentInnen abtasten zu lassen.“
Auch Laura hat schon Blutabnahmen bei Kindern und etliche Krankenhausdienste hinter sich. Mittlerweile ist ihr klares Ziel, einmal Kinderärztin zu werden. „Mit denen ist es viel lustiger. Man muss sie zum Lachen bringen, das ist das Wichtigste.“ Seit Dezember 2010 leitet sie das Projekt „Volunteers for rare diseases“ für „Save the children“ in Rumänien. Dass sie so viel machen kann, verdanke sie vor allem „den tollen ProfessorInnen. Hier kann man viel erarbeiten, wenn man ehrgeizig ist.“
Jede Woche verbringt sie mit anderen Freiwilligen Zeit auf der Kinderstation der Neuropsychiatrie in Temeswar – spielt, lernt und malt mit den jungen PatientInnen. Manchmal sammelt sie auch Geldspenden in Klagenfurt, um Spielzeug zu kaufen oder organisiert Veranstaltungen mit Clowns oder GesichtsmalerInnen im Krankenhaus, um auf die Bedürfnisse der Kinder aufmerksam zu machen. Dass Laura sich hier wohl fühlt, ist nicht zu übersehen.

Höhere Gebühren für AusländerInnen. Doch auch Rumänien hat seinen Preis. Rund 2.000 Euro Studiengebühren zahlen ausländische Studierende pro Semester, obwohl Rumänien von Brüssel dazu angehalten wird, einheimische und ausländische StudentInnen gleichzustellen, so wie es in der EU üblich ist. Vielleicht versucht Rumänien seine – angesichts der Finanzkrise – gebeutelte Lage zu stabilisieren; LehrerInnen und ProfessorInnen mussten sich ihr ohnehin bescheidenes Gehalt um 25 Prozent kürzen lassen, vielerorts sticht auch in der Region um Temeswar noch die Armut ins Auge.
„Also mir gefällt es hier sehr gut. Man muss es im Verhältnis sehen, im Gegenzug gibt es keine Aufnahmeprüfung und die Lebenskosten sind hier äußerst gering“, sagt Laura. Aber auch sie wird nach dem Studium in Österreich oder Deutschland als Assistenzärztin
arbeiten. Hier würde sie einem mageren Lohn von 300 Euro ins Auge sehen; in Deutschland wird sie mit 3.700 Euro mehr als das Zehnfache verdienen. „So gut es mir hier gefällt, ich kann und will nicht weitere fünf Jahre von meinen Eltern Geld verlangen.“