Thomas Wallerberger

Studienzeitverzögerung

  • 13.07.2012, 18:18

Unverschuldete Verzögerungen im Studium stehen für sehr viele StudentInnen an der Tagesordnung. Ein Musterprozess der ÖH hat nun einen Entscheid hervorgebracht der bestätigt, dass das nicht passieren darf – wir rufen zur Massenklage auf.

Unverschuldete Verzögerungen im Studium stehen für sehr viele StudentInnen an der Tagesordnung. Ein Musterprozess der ÖH hat nun einen Entscheid hervorgebracht der bestätigt, dass das nicht passieren darf – wir rufen zur Massenklage auf.

Wer kennt es nicht – das Zittern zu Semesterbeginn, das sekundengenaue Einloggen in Online-Systeme beim Start der Lehrveranstaltungsanmeldung in der Hoffnung, zumindest ein paar der fehlenden Seminare zu ergattern. Doch wir haben oft Pech – und wieder heißt es ein Semester warten bis zur nächsten Chance. Der Mangel an Lehrveranstaltungsplätzen und die verschulte Struktur unserer Curricula verunmöglichen es uns oft, in der vorgesehenen Zeit zu studieren. Eigentlich haben wir aber ein Recht auf ein Studium in Mindestzeit. §54 Abs 8 des Universitätsgesetzes sieht vor, dass Studierenden keine Studienzeitverzögerung erwachsen darf und die Uni entsprechend viele Parallellehrveranstaltungen zu organisieren hat. Da sie das oft nicht tut, hat die ÖH-Bundesvertretung einen entsprechenden Fall eingeklagt. Dabei musste ein Medizinstudent der MedUni Graz lange Wartezeiten in Kauf nehmen, weil er trotz Erfüllung der Anmeldungsvoraussetzungen keinen Lehrveranstaltungsplatz erhalten hatte. Er klagte auf Schadensersatz, verlor in erster und zweiter Instanz – doch der Oberste Gerichtshof traf nun einen anderen Beschluss: Was im Gesetz steht, stimmt, Studierende dürfen keine Studienzeitverzögerungen erleiden – auch wenn es sich nur um ein paar Wochen handelt. Deshalb kann der Grazer Student nun seinen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen. Die einzige Einschränkung, die der OGH trifft, sind „massive wirtschaftliche Gründe“ die es der Uni verunmöglichen genügend Lehrveranstaltungen anzubieten – ein Umstand, der bei einzelnen Lehrveranstaltungen in den seltensten Fällen argumentierbar sein wird. Die Universitäten sind also dazu verpflichtet, das entsprechende Lehrangebot zur Verfügung zu stellen. Die Frage ist allerdings wie sie das anstellen sollen.

Schwarze Chaospolitik. Die österreichischen Hochschulen sind seit Jahrzehnten chronisch unterfinanziert und weder das Finanzministerium noch das Wissenschaftsministerium tun etwas dagegen. Der Wissenschaftsministerin Karl fällt es wohl schwer gegen ihren Parteifreund Josef Pröll anzutreten und mehr Geld aus dem Bundesbudget zu fordern. Ganz im Gegenteil. Anstatt das Hochschulbudget wie versprochen bis 2020 auf zwei Prozent zu erhöhen, müssen die Universitäten von 2011 bis 2014 weitere 322 Millionen Euro einsparen. Diese Einsparungen bedeuten womöglich den Kollaps für unsere Unis. Die Studierenden haben zwar das Recht auf ein zügiges Fortkommen im Studium, die Universitäten allerdings nicht das Geld, genügend Lehrveranstaltungen anzubieten. Die verlorenen Beihilfen, Stipendien, Verdienstentgänge usw., die nun zu Recht von Studierenden eingeklagt werden, hätten besser gleich in die Universitäten investiert werden sollen.

Bologna und STOP. Studienzeitverzögerungen haben in den letzten Jahren, seit der Umstellung der Curricula auf die Bologna-Struktur, stark zugenommen. In der völlig fehlgeleiteten österreichischen Umsetzung haben die Curricula-Kommissionen die Studienpläne sehr stark verschult und viele Voraussetzungsketten eingebaut: Bevor Lehrveranstaltung x nicht absolviert wurde, darf die Lehrveranstaltung y nicht besucht werden. Dass das Universitätsgesetz 2002 vorsieht, dass solche Sequenzierungen nur dann erlaubt sind, wenn sie inhaltlich zwingend notwendig sind wurde meist ignoriert. Und so kommt es, dass zum Beispiel zuerst das Fach Statistik gemacht werden muss, bevor die Einführung in die österreichische Politik belegt werden darf. Der Hintergrund dazu ist, dass die Grundhaltung gegenüber Studierenden sehr negativ ist und ProfessorInnen der Meinung sind, sie müssten den Studierenden genau vorgeben in welcher Reihenfolge sie studieren sollen. Dass Studierende selbstbestimmt entscheiden können, welche Lehrveranstaltung  sie sich wann zumuten wird ihnen abgesprochen. Deshalb wurden auch freie Wahlfächer gestrichen und Studienpläne gleichen eher Stundenplänen. Inflexible Studien und die entsprechenden Verzögerungen sind die Folge.
Doch wenn es nach Ministerin Karl geht, soll es noch schlimmer kommen: Sie will die Studieneingangsphasen
noch strenger gestalten und sie zur Selektion nutzen. Die STEP, STEOP oder (wohl am treffendsten) STOP soll verschärft, keine Lehrveranstaltungen mehr vorgezogen werden dürfen. Das bedeutet noch mehr Studienzeitverzögerungen – und noch mehr Klagen.

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INFO

Du bist von Studienzeitverzögerung betroffen?

Damit Dein Fall in Frage kommt, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  1. Das Curriculum muss eine Lehrveranstaltung mit beschränkter TeilnehmerInnenzahl vorsehen (meist Veranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter wie Seminare).
  2. Du hast trotz Erfüllung der formellen Teilnahmevoraussetzungen vor Ende der Anmeldefrist keinen Platz in dieser Lehrveranstaltung erhalten.
  3. Dir entsteht dadurch eine Studienzeitverzögerung, welche auch nicht durch Umschichtungen wie zum Beispiel durch Vorziehen anderer Lehrveranstaltungen aufgeholt werden kann.
  4. Es wurden keine Parallellehrveranstaltungen angeboten, die eine Studienzeitverzögerung verhindern hätte können.
  5. Durch die Verlängerung des Studiums drohen Dir materielle Schäden wie zum Beispiel Verdienstentgang bei späterem Berufseintritt, Verlust von Beihilfen, Kosten des Studiums (Studiengebühren), …

Unter www.oeh.ac.at/klage findest du ein Formular in das Du Deine Daten eintragen kannst. Wir prüfen dann Deinen Fall und melden uns bei Dir sobald wir wissen ob in Deinem Fall eine Klage möglich ist oder nicht.

 

ÖH unter Verdacht

  • 13.07.2012, 18:18

Der Überwachungsstaat nimmt immer beängstigendere Auswüchse an. Drei ehemalige ÖH-FunktionärInnen werden in einer Datenbank des Verfassungsschutzes als ExtremistInnen geführt. Ein kommentar

Der Überwachungsstaat nimmt immer beängstigendere Auswüchse an. Drei ehemalige ÖH-FunktionärInnen werden in einer Datenbank des Verfassungsschutzes als ExtremistInnen geführt. Ein kommentar

Am 22. Dezember 2010 organisierte die ÖH-Bundesvertretung gemeinsam mit AktivistInnen der #unibrennt-Bewegung anlässlich der Kürzungen bei der Familienbeihilfe eine Protestaktion im Parlament. Eine Aktion mit schweren Folgen, denn seither ist unter anderem das gesamte ehemalige ÖH-Vorsitzteam in der Datenbank zur Abwehr gefährlicher Angriffe und krimineller Verbindungen, kurz EDIS des Bundesverfassungsschutzes gespeichert, als AktivistInnen der Gruppe 2-EX (Extremismus).

Parlamentsprotest. 19 Personen entrollten mitgebrachte Transparente, warfen Flyer und ließen die Abgeordneten mit Parolen wie „Wir sind hier und wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“ wissen, was sie von den geplanten Sparmaßnahmen im Zuge des neuen Budgets halten. Die Sitzung des Nationalrats wurde für drei Minuten unterbrochen, die AktivistInnen vom Sicherheitspersonal des Parlamentsvon der BesucherInnentribüne geholt und ihre Daten aufgenommen. Unmittelbare Konsequenzen der Aktion waren ein Hausverbot über die Dauer von 18 Monaten, das von der Parlamentsdirektion verhängt wurde, sowie eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 70 Euro wegen Störung der öffentlichen Ordnung für alle Beteiligten. Doch damit nicht genug. Einige Monate nach der Aktion stellten elf der 19 Personen ein Auskunftsbegehren an das Innenministerium, um zu erfahren, welche Daten über sie gespeichert wurden. Fünf Personen, darunter das ehemalige Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung Sigrid Maurer, Thomas Wallerberger und Mirijam Müller erhielten Auskunft über ihre Eintragung in die EDIS-Datenbank mit der Speicherdauer von zehn Jahren. Als Rechtsgrundlage und Speichergrund wurde die Abwehr von kriminellen Verbindungen angegeben. Laut Gesetz besteht diese, sobald sich drei oder mehr Menschen mit dem Vorsatz zusammenschließen, fortgesetzt gerichtlich strafbare Handlungen zu begehen, wozu Verwaltungsübertretungen eindeutig nicht zählen.

Weitreichende Folgen. ÖH-FunktionärInnen, sprich VertreterInnen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die von allen Studierenden demokratisch gewählt wird, werden aufgrund einer friedlichen Protestaktion und bloßen Verwaltungsübertretung vom Verfassungsschutz als ExtremistInnen angesehen und in dessen Extremismusdatenbank geführt. Der Verfassungsschutz sieht also hinter der Protestaktion eine kriminelle Verbindung und verdächtigt die betroffenen ÖH-FunktionärInnen als Mitglieder dieser Verbindung. Ein derartiger Verdacht hat weitreichende Folgen für die Betroffenen, denn er ermächtigt die Polizei zahlreiche Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten, ohne dass diese einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Unter anderem darf die Polizei gegen die Betroffenen verdeckt ermitteln, Bild-, Video- und Tonaufzeichnungen an öffentlichen Orten, bzw. durch Verwanzung von ErmittlerInnen auch an privaten Orten, erstellen sowie sämtliche abrufbare personenbezogenen Daten ermitteln und weiterverarbeiten. Momentan kann weder bestätigt noch ausgeschlossen werden, ob derartige Maßnahmen gegen die ÖH-FunktionärInnen und AktivistInnen eingeleitet wurden. Der Überwachung von regierungskritischen Personen steht, wie dieser Fall klar zeigt, nichts im Weg: und das ohne richterlichen Beschluss, ohne staatsanwaltschaftliche Genehmigung, ohne dass ein konkreter Verdacht begründet werden muss, die ermittelnden BeamtInnen schulden niemandem Rechenschaft.

Alle sind verdächtig. Seit im Sommer erneut die Diskussion rund um die Abwehr von Terrorismus und dementsprechende Antiterrorgesetze entflammt ist, bastelt die Regierung an neuen Gesetzen, die nun kurz vor der Beschlussfassung stehen. In diesem Paket werden die Befugnisse der Sicherheitsbehörden noch weiter ausgeweitet – künftig sollen sie ohne konkreten Verdacht auch gegen Einzelpersonen ermitteln können. So reicht es zukünftig, sich mündlich, schriftlich oder elektronisch in irgendeiner Form positiv zu Gewalt gegen verfassungsmäßige Einrichtungen oder Belangen verfassungsfeindlich zu äußern, um dem Verfassungsschutz zu ermöglichen, diverse Überwachungsmaßnahmen einzuleiten. Die Polizei darf ohne gerichtliche Kontrolle sogenannte Bewegungsprofile auf Basis von Handystandortdaten, die von Handyunternehmen abgefragt werden, erstellen. Auch der Einsatz von Peilsendern wird zukünftig möglich, Besetzungen dürfen ohne Räumungsverordnung beendet werden, und was gerade politisch aktive Menschen stark betrifft, ist die zukünftige Möglichkeit der erweiterten Gefährdungsanalyse bei Delikten des Staatsschutzes. Bei dieser werden personenbezogene Daten in einer Analysedatenbank gesammelt und weiterverarbeitet, um als Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen zu dienen. Dadurch sollen Menschen vom Verfassungsschutz auf ihre „Staatsfeindlichkeit“ und Gefährlichkeit geprüft werden, ohne dass dieser dabei irgendwelchen Auflagen unterliegen würde – nicht einmal die Zustimmung des oder der Rechtsschutzbeauftragten ist vorgeschrieben. Datenbanken werden international vernetzt, die gespeicherten Daten mit denen aus anderen Ländern abgeglichen und ausgetauscht.

Rechtstaat adé. Wenn Menschen aufgrund einer harmlosen Protestaktion im Parlament als ExtremistInnen und die ÖH als kriminelle Verbindung verdächtigt wird, wird Strafbarkeit auf Meinungsäußerungen verlagert. Es kommt so zu einer Abkehr vom Individualstrafrecht, hin zur Kriminalisierung von Vorbereitungshandlungen, Meinungsäußerungen und der Zugehörigkeit zu Gruppen/Vereinigungen. Parallel dazu kommt es durch ständig neue Überwachungsmöglichkeiten, die Sammlung sensibler Daten und deren fehlende bzw. mangelnde Kontrolle zu massiven Einschnitten im Privatleben, im Rechts- und Datenschutz und bezüglich der Unschuldsvermutung. Gerade NGOs und Menschen, die politische Entscheidungen nicht unkommentiert stehen lassen wollen und aktionistisch auf Missstände aufmerksam machen, sind von diesen Änderungen betroffen und können leicht Ziel von Ermittlungen werden. Mögliche Folgen derartiger Gesetze konnten beim Tierschutzprozess beobachtet werden. Die seit Jahren schrittweise erweiterten Kompetenzen der Sicherheitsbehörden schaffen einKlima, in dem sich jedeR BürgerIn potentiell kriminell oder staatsfeindlich fühlen muss. Mit dem vorgeschlagenen Terrorpaket der Regierung bewegen wir uns noch einen Schritt weiter in Richtung Sicherheitsstaat und entfernen uns von den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit.