Gefordertes Desinteresse
Die Wahlbeteiligung der letzten ÖH-Wahl lässt es vermuten, der mediale Diskurs bekräftigt es: Studierende haben heutzutage keine wirkliches Interesse mehr an politischer Partizipation. Jetzt gibt es auch noch Unterstützung aus der Wissenschaft.
Die Wahlbeteiligung der letzten ÖH-Wahl lässt es vermuten, der mediale Diskurs bekräftigt es: Studierende haben heutzutage keine wirkliches Interesse mehr an politischer Partizipation. Jetzt gibt es auch noch Unterstützung aus der Wissenschaft.
Beate Großegger vermutete es schon lange: Die Studierenden von heute seien weniger politisch als früher. Um ihre Vermutung zu untermauern, startete sie eine Studie, die den Politisierungsgrad junger Menschen herausfinden wollte. In persönlichen Gesprächen mit 16 bis 26 Jährigen kamen ihr Aussagen zu Ohr, die ihre Vermutung stützten.
Laut Studie geht es vorwiegend um das eigene Befinden, dass den Ausschlag für Denken, Fühlen und Handeln jeder einzelnen Person gibt. Politik wird als eine Art Dienstleistung verstanden, PolitikerInnen sind sozusagen Menschen, die ihren „Dienst“ an den Bürgerinnen und Bürgern leisten. Es geht darum, dass politisches Handeln individuellem Nutzen bringt. Solidarisches Handeln sei schön und gut, aber nur, wenn es dafür entsprechende Gegenleistungen gebe. Bezogen auf politische Forderungen gehe es jungen Menschen angeblich viel weniger um den jeweiligen politischen Inhalt als viel mehr um das Auftreten der einzelnen PolitikerInnen.
Heruntergebrochen auf die Studierendenebene zeigt sich ein ähnliches Bild. Alle zwei Jahre haben die aktuell rund 270.000 Studentinnen und Studenten (Stand: WS 2008/09; www.bmwf.gv.at) Österreichweit die Möglichkeit, ihre gesetzliche Studienvertretung, die ÖH, zu wählen.
Bei den letzten Wahlen im Sommersemester 2009 konnten auch die Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen erstmals ihre Stimme für eine gemeinsame Studierendenvertretung abgeben. Dabei haben von den circa 230.000 Wahlberechtigten gerade einmal 25,70% ihr Wahlrecht wahrgenommen. Seit einigen Jahren sinkt die Wahlbeteiligung bei den Studierendenvertretungswahlen konstant und auch die Beteiligung an außerhochschulischem Engagement geht zurück.
Kritische Avantgarde. Vor allem von Studierenden wird seit 1968 oft erwartet, dass sie die Menschen zu kritischem und reflexivem Denken anregen müssten. Sie sollten Gesellschaftliche Zusammenhänge hinterfragen und politische Gegebenheiten verändern – ja, verbessern wollen.
All zu tief sitzt die Erinnerung an die 68er-Bewegung, die westliche Studierendenbewegung schlechthin. Im Vergleich dazu enttäuschen die heutigen StudentInnen, politische Missstände an Hochschulen werden hingenommen, oder zumindest nicht so heftig wie früher bekämpft. Es wird immer schwerer, junge Menschen zur Beteiligung an Protestmärschen und Demonstrationszügen zu begeistern. Das eigene politische Gewicht wird nicht ernst genommen. „Das bringt doch eh nix“, ist oft zu hören, oder: „Das betrifft mich doch eh nicht, sollen sich die anderen dafür einsetzen“.
Altruistisches Handeln wird in den meisten Fällen als irrational und unnachvollziehbar abgetan. Dieses Überlegungen schockieren, vor allem die „alten 68erInnen“, die in Erinnerung an ihre Jugend den Duft der Revolution immer noch riechen können, oder zumindest wollen. Überlegungen, die kein gutes Licht auf die StudentInnen der Generation 2000 werfen.
Entmündigt. Doch bei all der Kritik an den unpolitischen Studierenden darf auch nicht vergessen werden, dass in den vergangenen Jahren sukzessive Möglichkeiten der studentischen Mitbestimmung abgeschafft wurden. Mit der Novelle des Universitätsgesetzes 2002 zum Beispiel wird der Senat, das wichtigste Entscheidungsgremium an der Universität, in dem sich auch StudierendenvertreterInnen (wenn auch nur in sehr geringer Zahl) einbringen können, weiter abgewertet. Auf den Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen zeigt sich ein ähnliches Bild. Solange die Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten von Studierenden an ihren Hochschulen und in der Gesellschaft im Allgemeinen weiterhin bewusst klein gehalten werden, ist politisches Interesse und politische Anteilnahme in vielen Bereichen für diese gar nicht möglich.
Wer also wieder politischere Studierende haben will, der müsste wieder entsprechende Möglichkeiten schaffen, in der Rahmen Politik gelebt werden kann.