Flora Eder

Bereit, den Kampfanzug anzuziehen

  • 13.07.2012, 18:18

Oslo war vorhersehbar, die Gesellschaft rückt nach rechts und kritische Öffentlichkeit stumpft ab. welcher widerstand macht jetzt Sinn? Ein Licht aufs Meer des Antifaschismus.

Oslo war vorhersehbar, die Gesellschaft rückt nach rechts und kritische Öffentlichkeit stumpft ab. welcher widerstand macht jetzt Sinn? Ein Licht aufs Meer des Antifaschismus.

Unfassbar und pietätlos“, empörte sich FPÖ-Chef Heinz- Christian Strache drei Tage nach dem Attentat von Oslo, sei es, die Politik seiner Partei in irgendeinen Zusammenhang mit diesem Ereignis zu stellen. Denn plötzlich wurde öffentlich thematisiert, was ohnehin offensichtlich ist – und schon drei Monate danach in Vergessenheit zu geraten scheint: Dass die FPÖ und ihre Verbündeten in ganz Europa den Boden für „Einzeltäter“ wie Anders Behring Breivik bereitet haben. Die inhaltlichen Parallelen finden sich schwarz auf weiß in Breiviks Manifest: Dort zitiert er die aus Vorträgen am FPÖ-Bildungsinstitut bekannte „Islamexpertin“ Elisabeth Sabaditsch-Wolff genauso wie die freiheitliche Wahlkampflüge vom Verbot des Nikolos in Wiener Kindergärten. Umgekehrt ruft die FPÖ mittels Schüttelreimen, Comics und Computerspielen immer wieder wörtlich und symbolisch zu Gewalt auf. Ganz direkt wird Strache, wenn es „um unsere Heimat“ geht: „Da muss man auch bereit sein, den Kampfanzug anzuziehen“, wetterte er, der einige Jahre davor noch selbst im Kampfanzug durch den Wald robbte, beim FPÖ-Parteitag 2006.
Heribert Schiedel, Rechtsextremismus-Experte im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), schrieb in den Tagen rund um die Osloer Attentate gerade am letzten Kapitel seines neuen Buches „Extreme Rechte in Europa“, das im Oktober in der Edition Steinbauer erscheinen wird. Er sei damals nicht besonders überrascht gewesen und meint sogar, die Anschläge waren angekündigt: „Das war nur eine Frage der Zeit. Das Bekennerschreiben zur Tat war schon da, dessen Inhalte weitgehend akzeptiert.“ Breiviks Ansichten fände man fast wörtlich in „Texten, Aufsätzen, Reden von europäischen Rechten verschiedener Fraktionen. Je weiter man nach rechts außen geht, desto unmittelbarer werden die Vernichtungsphantasien, die Drohungen, die Paranoia.“

Buckeln und Treten. Basis für Rechtsextremismus sind nicht allein die Skins von nebenan im Thor- Steinar-Style oder rechtsextreme Internetseiten. Vielmehr entspringt all das einer Gesellschaft, in der es schnell einmal hart auf hart gehen kann. Von klein an lernen wir, unsere Wünsche nicht zu hoch zu schrauben, oder gleich zu unterdrücken. Nach den engen Schlingen der Kleinfamilie folgen Kindergarten, Schule und manchmal auch Militär – Institutionen, die patriarchal- autoritär geprägt sind und auf ein hartes Konkurrenzverhältnis in der Arbeitswelt, einen soziallöchrigen Staat und ein hierarchisches politisches System vorbereiten. Die Verletzungen und Demütigungen können dabei immens sein, die Handlungsspielräume, am eigenen Leben etwas zu ändern, minimal. Das führt häufig zu aggressiver Resignation: Nach oben buckeln, nach unten treten. Erklärungen werden gesucht, Verschwörungstheorien entstehen. Angst, Neid und Hass liegen eng beieinander – und werden auf „die Anderen“ projiziert. Rechtsextremismus ist die idealtypische Äußerung davon.

Mit dem zunehmenden antimuslimischen Ressentiment in der Gesellschaft hingegen tun sich klassische Rechtsextremist_innen oft schwer – werden doch die Muslim_innen von Vielen als Verbündete gegen „die Juden“ betrachtet. Eine elegante inhaltliche Klammer zwischen klassischem Rechtsextremismus und antimuslimischem Alltagsrassismus bietet aber der Mythos der „Türkenbelagerung“. Bereits im Austrofaschismus wurde dieser als „Kampf um das Abendland“ hochstilisiert. Der FPÖ gibt er nicht nur eine Möglichkeit, die „rein“ gehaltene Nation zu feiern und damit die Kernklientel zu bedienen, sondern auch, um mit dem verstärkten Ressentiment gegen Muslim_innen Stimmen zu fangen. Der antimuslimische Konsens verbreite sich also „auf Basis der ‚Verteidigung europäischer Werte‘ gepaart mit paranoiden Vorstellungen einer ‚linkslinken Multi-Kulti-Verschwörung‘“, sagt Schiedel.

Verschiebung der Normalität. Martina Wurzer, Grüne Gemeinderatsabgeordnete mit antifaschistischem Schwerpunkt, konstatiert Österreich ein tiefsitzendes Problem mit antisemitischen und rassistischen Ressentiments. Die FPÖ spiele auf dieser Klaviatur: „Durch das Erstarken der FPÖ fühlt sich nicht nur die neonazistische Szene bekräftigt, es wirkt auch als Legitimation für latente Fremdenfeindlichkeit. Die Politik und Parolen der FPÖ führen dazu, dass das an den Stammtischen viel besser verbreitbar ist.“ Dies spiegle sich im Verfassungsschutzbericht wider, wobei dieser sehr zurückhaltend mit der Thematisierung rechtsextremer Straftaten sei. Eine eklatante Zunahme von Delikten mit rechtem Hintergrund ist jedoch kaum zu verbergen. Der Ende September veröffentlichte Sicherheitsbericht spricht gar von einem Anstieg um 28 Prozent im Jahr 2010.

Lichtermeer und schwarzblau. Diesem neuerlichen Erstarken des Rechtsextremismus gilt es etwas entgegen zusetzen. Die Frage ist nur, was. Die großen Kundgebungen des „anderen Österreich“ scheinen gescheitert. Die Forderungen des Anti- Ausländer_innen-Volksbegehrens der FPÖ 1993, gegen das damals 300.000 Menschen im Zuge des Lichtermeers auf die Straße gingen, sind heute weitgehend umgesetzt – großteils von SP-Innenministern. Sibylle Summer, linke Sozialdemokratin und Vorstandsmitglied im Republikanischen Club, sieht einen Normalisierungsprozess, der in den letzten Jahren in Bezug auf autoritäre Tendenzen, Rassismus und den Wunsch nach einem „starken Mann“ stattgefunden habe. Dennoch betrachtet sie die klassischen antifaschistischen Kundgebungen, wie sie 1986 gegen Waldheim, 1993 gegen das FPÖ-Volksbegehren und 2000 gegen Schwarz-Blau stattgefunden haben, nicht als sinnlos: „Da war jeweils eine neue Generation engagiert, es sind NGOs entstanden. Solche Bewegungen sind generationsprägend. Daraus erwächst kritischeres Bewusstsein.“ Außerdem sei es wichtig, nicht abzustumpfen und der Empörung Ausdruck zu verleihen: „Eine Demonstration ist eine Verortung der Emotion und kann Ausgangspunkt für politische Organisierung und Aufklärungsarbeit sein.“

Kein Spielplatz für die FPÖ. Auch durch die Vernetzung der Rechten im Internet tun sich hier neue Aktionsformen auf. „Wir sehen unsere Arbeit als Teil einer antifaschistischen Protestbewegung“, sagen die Aktivist_innen von Bawekoll, dem Basisdemokratischen Webkollektikv. Sie beobachten seit Mitte Juni die Tätigkeiten der FPÖ im Internet, sammeln und kontextualisieren diese auf ihrer Website. Den Facebook- Auftritten von FPÖ-Politiker_innen wird dabei genauso nachgegangen wie ihren Verbindungen im Real Life. Denn „Social Media-Plattformen sind kein Spielplatz, auf dem ich, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, tun kann was ich will“, meinen sie. Bawekoll übernehmen gemeinsam mit anderen Blogs und Internetleser_innen einen wichtigen Teil der Recherchearbeit über rechtsextreme Netzwerke. Diese Archive seien ein wertvoller Bestandteil antifaschistischen Engagements, sagt auch Martina Wurzer: „Es ist dramatisch, wie abgestumpft wir von den ständigen Vorfällen und Aussagen von FPÖ-Politiker_innen, Burschenschaftern und Neonazis sind. Diese Blogs helfen, sich daran zu erinnern. Denn der österreichische Staat zeigt extreme Lücken auf, wenn es darum geht, Rechtsextremismus zu beobachten und zu ahnden.“ Schiedel setzt weniger beim Staat als bei der Arbeit mit Jugendlichen an, beim Auslösen von Reflexionsprozessen vor einem historischen Hintergrund: „Warum sollte das nicht auch gesamtgesellschaftlich funktionieren?“ Skandalisierungen und Demonstrationen könnten es schaffen, mehr Zustimmung für antifaschistische Positionen zu erreichen. Doch, so Schiedel nachdrücklich, die Frage sei: „Was mach ich dann mit der Zustimmung? Feiere ich den Sieg der Massen gegen die Nazis? Oder gehe ich einen Schritt weiter, freue mich zwar über Zustimmung, aber frage auch, wie es mit mir selbst, der eigenen Partei, dem eigenen Umfeld, der eigenen Gesellschaft aussieht.“

Die AutorInnen studieren Politik und Geschichte

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