Wohnst du schon?
Während die Mietpreise in Wien und anderen Unistädten explodieren, kämpfen die BetreiberInnen von Studierendenwohnheimen mit Platznot und fehlenden Förderungen. Bis zu 90 Prozent der BewerberInnen müssen abgelehnt werden. Eine Entspannung der Lage ist derzeit kaum in Sicht. Wer leistbar wohnen will,braucht vor allem Glück.
Während die Mietpreise in Wien und anderen Unistädten explodieren, kämpfen die BetreiberInnen von Studierendenwohnheimen mit Platznot und fehlenden Förderungen. Bis zu 90 Prozent der BewerberInnen müssen abgelehnt werden. Eine Entspannung der Lage ist derzeit kaum in Sicht. Wer leistbar wohnen will,braucht vor allem Glück.
Drei Jahre lang hat Irina auf den Brief gewartet: Schon 2009, noch mitten in ihrem Archäologie-Studium, hat sie sich für eine Gemeindewohnung in Wien vormerken lassen. Mit dem Kuvert kam vor allem große Erleichterung: 49 Quadratmeter im zweiten Wiener Gemeindebezirk um 367 Euro. Viel nachzudenken gab es da nicht, Irina sagte zu. „Ich hatte Glück“, meint die 26-Jährige aus Steyr. „Da habe ich schon von ganz anderen Wartezeiten gehört.“ Denn der Wohnungsmarkt in Wien ist angespannt. Alleine im vergangenen Jahr stiegen die Mieten um etwa zehn Prozent. Seit 2007 verzeichnen Immobilienportale und -firmen eine Verteuerung von über 30 Prozent. Durchschnittlich elf Euro Miete bezahlt man inzwischen pro Quadratmeter. Besonders teuer sind kleine Wohnungen unter 50 Quadratmetern Fläche und jene in innerstädtischer Lage: zwei Faktoren, die vor allem Studierende treffen. Denn die Hälfte der österreichischen Studierenden lebt laut Studierenden-Sozialerhebung 2011 wie Irina in einem eigenständigen Haushalt, entweder alleine oder mit dem/der PartnerIn zusammen.
Bevor sie in ihre neue Gemeindewohnung gezogen ist, hat Irina im Studierendenwohnheim im Gasometer gewohnt. Ihr Zimmer dort war acht Quadratmeter groß, das Bad teilte sie sich mit einem Mitbewohner, die Küche und die Toilette mit drei. In dem klobigen Betonbau gab es nur wenig Licht und noch weniger Privatsphäre. Denn die beiden Mitbewohner im Doppelzimmer hatten ständig Besuch. „Ab und zu waren bis zu zehn Leute in dem Zimmer“, erzählt Irina. Aber sie war bereit, diese Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Denn immerhin kostete das Zimmer nur rund 260 Euro, Strom, Gas sowie Internet bereits inbegriffen. Im Vergleich dazu geben Studierende, die in einem selbstständigen Haushalt leben, laut Sozialerhebung rund 400 Euro pro Monat für die Miete aus. Das Internet oder die Heizung sind da noch nicht inkludiert. Auch Lisa zog für das Studium von Ottensheim in Oberösterreich nach Wien und erst einmal in ein Wohnheim. „Nach der Matura haben das die meisten Leute bei uns so gemacht. Weil man weniger Verantwortung hat und auch neue Leute kennenlernt“, erzählt sie.
Zu viele Bewerberinnen, überfüllte Wohnheime. Jedes Jahr strömen tausende StudienanfängerInnen in die Universitätsstädte Österreichs. Vielen von ihnen geht es ähnlich wie Lisa. Sie wollen erst einmal sorgenfrei und billig wohnen und bewerben sich in einem Wohnheim. Alleine für Wien listet das Wissenschaftsministerium 94 verschiedene Heime unterschiedlicher Größe: Von acht Plätzen bis zu mehreren hundert Betten ist alles dabei. Trotzdem ist der Andrang weitaus größer als das Angebot. Die Statistiken mehrerer großer Heimträgerorganisationen zeigen: Fast 80 Prozent aller BewerberInnen müssen abgewiesen werden. „In Wien ist die Situation am schlimmsten. Hier mussten wir fast 90 Prozent der Bewerbungen ablehnen“, erklärt Sabine Straßer, Geschäftsführerin von home4students. Die gemeinnützige Heimträgerorganisation ist einer der größten Anbieter und betreibt 16 Wohnheime in Wien, Graz, Klagenfurt, Salzburg und Innsbruck. Nach Wien ist die Lage in Innsbruck und Salzburg am kritischsten, am entspanntesten sei die Situation in Klagenfurt. Dort kann etwa der Hälfte der Anmeldungen stattgegeben werden. Das bestätigen auch die Zahlen der ÖJAB (Österreichischen Jugendarbeiterbewegung), ebenfalls einer der größten gemeinnützigen Heimbetreiber Österreichs: Von 8889 Anmeldungen für das Studienjahr 2012/13 mussten rund 7500 Bewerbungen abgelehnt werden, weil am gewünschten Studienort zur gewünschten Zeit keine Plätze mehr frei waren. Alleine 5012 Bewerbungen für 2400 verfügbare Plätze gab es in Wien, 1811 Bewerbungen für 421 Plätze waren es in Graz. Da viele Studierende länger als ein Jahr in einem Heim bleiben, sind viele der Betten aber schon im Vorhinein besetzt. Der Wettbewerb um die Heimplätze spiegelt auch den Wohnungsmarkt wider: In Wien, Innsbruck und Salzburg, wo die Mieten besonders teuer und der Platz knapp ist, gibt es die meisten Bewerbungen.
Gekürzte Förderungen, kaum Sanierungen. Es besteht also durchaus noch Bedarf an neuen Studierendenwohnheimen. „Wir wollen wachsen“, sagt auch Straßer. Woran es scheitert? „Vor allem an dem Mangel an leistbaren Immobilienobjekten. Das ist natürlich auch wieder eine Frage der finanziellen Mittel“, erklärt die home4students-Geschäftsführerin. Die finanziellen Mittel sind derzeit bei allen Heimträgerorganisationen knapp. Denn 2010 beschloss die Regierung im Zuge der Budgeterstellung, die Förderungen für Studierendenwohnheime zu streichen. Früher übernahm der Bund ein Drittel von Neubauoder Sanierungskosten, jetzt gar nichts mehr. Die Summe der Förderungen bewegte sich dabei jährlich etwa bei zehn bis elf Millionen Euro. „Das Tragische ist, dass diese Kürzung so ansatzlos passiert ist. Fast alle Studentenheimträger sind gemeinnützig. Das bedeutet, man darf keinen Gewinn machen und kann auch keine großen Rücklagen schaffen“, schildert Straßer. Das Geld für Sanierungen und Neubauten muss daher jetzt von den Studierenden kommen. „Wir mussten unsere Preise mehr als um den normalen Verbraucherpreisindex erhöhen, haben aber versucht, sie so niedrig wie möglich zu halten“, so Straßer. Laut Studierenden Sozialerhebung 2011 haben Studierende in Wohnheimen durchschnittlich die geringsten Kosten: 260 Euro müssen sie monatlich veranschlagen. Das liegt deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt der Wohnkosten von 350 Euro.
Noch profitiere die Organisation von einer alten Veräußerung und internen Umstrukturierungen. Im Heim Sensengasse im neunten Wiener Gemeindebezirk, wo auch die Verwaltung von home4students untergebracht ist, wurde im Herbst das Büro verkleinert. So wurden elf zusätzliche Betten geschaffen. Aber auch diese Maßnahmen geschehen in der Hoffnung, dass die Förderung wieder eingeführt wird. „Denn Sinn und Zweck der Übung ist es ja, leistbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und leistbar hat seine Grenzen“, meint die Geschäftsführerin. Vor allem bei Neubauten könne die Situation ohne eine Wiedereinführung der Förderung kritisch werden. „Die Zimmer in Neubauten müssten dann auf jeden Fall teurer sein“, sagt Straßer. Sie schätzt, dass die Preise sich mindestens bei 400 Euro bewegen würden. Nicht jeder kann einfach in eines der home4students-Heime einziehen. Soziale Bedürftigkeit ist die Grundvoraussetzung, schon bei der Anmeldung müssen die Einkommensverhältnisse der Eltern offengelegt werden. „Der Rest ist Geschwindigkeit und Glück“, meint Straßer. Wer sich zuerst meldet und alle Kriterien erfüllt, bekommt den Platz. Da es keine offizielle Anmeldefrist gibt, sondern das ganze Jahr Bewerbungen eintreffen, wird nicht gereiht.
Auch private Anbieter erkennen zunehmend den Markt Studierendenwohnheim. Im Herbst 2013 wird mit dem Milestones-Wohnheim, unweit des neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien, das größte privatwirtschaftlich geführte Wohnheim Wiens eröffnen. Statt Zimmer gibt es dort Apartments, jedes mit einer Größe von 24 Quadratmetern. Fitness- Raum, Partydach und eine eigene Parkanlage sind selbstverständlich. Dieser Luxus hat allerdings auch seinen Preis: 550 Euro pro Monat wird ein Apartment kosten. „Wenn die Gemeinnützigen nicht mehr können oder die notwendig gewordenen hohen Preise mit ihrer Philosophie nicht mehr vereinbaren können, wird es der private Markt auffangen. Da geht es um Gewinnmaximierung“, sagt Straßer.
Steigende Mieten, befristete Verträge. Das Geld der gemeinnützigen Studierendenwohnheime wird in den nächsten Jahren noch knapper werden, aber schon jetzt hätten einige Heime Sanierungen dringend nötig. Im Herbst 2009 zog sie Lisa in ein Wohnheim in Wien Josefstadt. Dort wohnte sie um 224 Euro in einem „Mini-Doppelzimmer“. Internet musste sie extra bezahlen. „Das war für mich wirklich eine schlimme Zeit. Ich habe in einem ziemlich heruntergekommenen Zimmer gelebt, eingepfercht auf engstem Raum mit einer wildfremden Person. Die Gemeinschaft war zwar nicht schlecht dort, aber es war alles alt, dreckig und ziemlich trist“, schildert die heute 21-Jährige. Sobald wie möglich zog Lisa aus und suchte sich ein neues Heim. Dort gab es mehr Platz und nach kurzer Wartezeit auch ein Einzelzimmer. Auf Dauer war das für sie trotzdem nicht die ideale Wohnlösung. „Irgendwann konnte ich diese Einheitsbrei-Möbel nicht mehr sehen und irgendwann nervt es auch einfach nur noch, beim Kochen immer alles sofort wegräumen zu müssen“, erklärt die Journalismus-Studentin. Heute wohnt sie mit zwei anderen Studentinnen in einer Wohngemeinschaft in Wien Alsergrund. „Ich habe mich so gefreut, als ich das erste Bild an die Wand genagelt habe“, erinnert sie sich. Mit Strom und Gas kommt sie für ein 18 Quadratmeter großes Zimmer auf Mietkosten von rund 350 Euro. Etwa ein Viertel der österreichischen Studierenden teilt sich laut Sozialerhebung die Wohnungskosten mit anderen und lebt in einer WG.
Das käme auch für Manuel in Frage. Seit zwei Jahren sucht er in Wien eine Wohnung. Noch lebt der Biologiestudent bei seinen Eltern. „Sobald ich etwas Leistbares finde, bin ich weg“, meint der 20-Jährige. Bei der WG-Suche scheiterte es oft an der Lage oder an hohen Preisen für kleine Zimmer. Denn immer mehr Menschen leben in Österreichs Städten, oft in Einzelhaushalten. Dagegen werden viel zu wenige Neubauten errichtet, warnen etwa Wohnbaugesellschaften wie die BUWOG. Das schafft ein Platzproblem. Laut den Berechnungen der Plattform immobilien.net steigen die Preise am stärksten in den Ballungsräumen, neben Wien wird so etwa auch der oberösterreichische Zentralraum Linz-Wels-Steyr immer teurer. Absoluter Spitzenreiter in Sachen Mietpreise bleibt allerdings Innsbruck. Die größten Mietsteigerungen gibt es bei privaten VermieterInnen, wobei der Trend auch in Richtung befristeter Verträge geht. Diese Erfahrung hat auch Manuel gemacht. Als er zu Freunden in eine WG ziehen wollte, verlängerte der Vermieter den Vertrag nicht wie mündlich versprochen um weitere drei Jahre. Die zwei Studenten mussten ausziehen und Manuel seine Kartons wieder auspacken.