Prekäre Lehre
Prekäre Arbeitsverhältnisse an Universitäten existieren nicht erst seit gestern. Schon in den 1960er-Jahren wurden LektorInnen für einzelne Lehraufträge beschäftigt. Mittlerweile sind zwar alle angestellt, bekommen aber nur schlecht dotierte Semesterverträge.
Prekäre Arbeitsverhältnisse an Universitäten existieren nicht erst seit gestern. Schon in den 1960er-Jahren wurden LektorInnen für einzelne Lehraufträge beschäftigt. Mittlerweile sind zwar alle angestellt, bekommen aber nur schlecht dotierte Semesterverträge.
Was sich aber gegenüber den 1960er-Jahren geändert hat, ist die Tatsache, dass viele LektorInnen mittlerweile auch außerhalb der Universitäten oft nur ähnlich prekäre Beschäftigungsverhältnisse vorfinden wie innerhalb der Unis. Zwar gibt es immer noch den Typus des Anwalts, der nebenher eine Lehrveranstaltung hält, dieser ist jedoch mittlerweile die große Ausnahme. Für immer mehr WissenschaftlerInnen sieht die Welt außerhalb der Unis nicht besser aus als innerhalb. Und so gibt es heute deutlich mehr LektorInnen, die entweder (fast) nur davon leben, mehrere Lehraufträge parallel – manchmal auch an mehreren Universitäten – zu halten, oder sich von einem Projekt zum nächsten durchzuwurschteln. Dabei wird zwar oft auch geforscht und damit inhaltlicher Input für die Lehrveranstaltungen geschaffen, soziale Sicherheiten bringen solche (Forschungs-)Projekte jedoch nicht. Kein Wunder, dass viele jüngere LektorInnen nach einigen Jahren entweder aus der Wissenschaft aussteigen oder ins Ausland abwandern. Älteren LektorInnen bleibt auch diese Option nur selten. Werden diese einmal krank oder ist ihre Lehre plötzlich nicht mehr gefragt, weil sie durch jüngere oder durch Senior Lecturer ersetzen worden sind, müssen sie nicht einmal gekündigt werden. Es genügt ihnen, einfach keinen Lehrauftrag mehr zu geben. Und schon steht der 50 Jahre alte Sozial- und Kulturanthropologe oder die 45 Jahre alte Philosophin auf der Strasse. Hochqualifizierte werden am AMS dann rasch zu Überqualifzierten.
Förderung? LektorInnen erhalten jeweils nur für ein Semester gültige Verträge. Das ist eine Entscheidung der jeweiligen Universitäten. Nach dem neuen Kollektivvertrag wäre es sehr wohl möglich, langjährigen LektorInnen auch längerfristige oder unbefristete Arbeitsverträge zu geben. LektorInnen haben fast nirgends einen Arbeitsplatz. Wenn überhaupt Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, dann allenfalls eine Kopierkarte, ein Postfach oder ein Institutsschlüssel. An manchen Instituten gibt es nicht einmal das. LektorInnen haben keinen Zugang zu Förderungen zu denen anderes wissenschaftliches Personal Zugang hat, etwa für den Besuch von internationalen Konferenzen oder Übersetzungskosten für wissenschaftliche Artikel. Obwohl also sämtliche wissenschaftliche Artikel zu Hause mit eigenem Computer am eigenen Arbeitsplatz mit eigenen Büchern verfasst werden, werden LektorInnen einmal im Jahr von den Universitäten aufgefordert, ihre wissenschaftliche Leistung für die Leistungsbilanzen ihrer Universitäten zur Verfügung zu stellen. Die Uni profitiert damit gleich mehrfach von ihren prekarisierten MitarbeiterInnen.