Sophie Lojka

Der Traum vom Leben auf der Bühne

  • 13.07.2012, 18:18

Die lokale Musikszene ist im neuen Jahrtausend wieder zum Leben erwacht. Trotzdem scheintes schwierig, mit dieser Musik genug Geld zu verdienen, um davon leben zu können.

Die lokale Musikszene ist im neuen Jahrtausend wieder zum Leben erwacht. Trotzdem scheintes schwierig, mit dieser Musik genug Geld zu verdienen, um davon leben zu können.

Österreich ist in aller Welt bekannt für die großen MusikerInnen, die innerhalb seiner Grenzen geboren wurden oder gewirkt haben. So tanzte vor ein paar hundert Jahren ganz Europa zu den Klängen von Mozart und der Strauß’schen Familie. Ende des letzten Jahrtausends hatte Falco seinen großen internationalen Erfolg und der Begriff Austro-Pop war in aller Munde.
Gerne wurde und wird die österreichische Musikszene für tot erklärt, nur um sie kurz darauf als wiederauferstanden zu feiern. Die Neuen ÖsterreicherInnen werden von Ö3 in Dauerwerbesendungs-Manier gespielt und FM4 nimmt gerne österreichische Alternativbands ins Programm.

Pop ist in. Gerade in den letzten Jahren hat sich in der Musikszene einiges getan. Die sogenannten Neuen ÖsterreicherInnen entstanden durch eine Initiative von Ö3, die 2007 beschloss, Pop-, Rock- und Alternativmusik zu fördern. Der Begriff hat sich auch für eine Art von Bewegung innerhalb der österreichischen Musiklandschaft etabliert.
Begonnen hat diese Bewegung mit dem großen Erfolg Christina Stürmers im Ausland sowie mit Soundcheck, einem Bandcontest von Ö3, der einige neue Talente zu Tage befördert hat. Gleichzeitig erhöhte sich die Airplay-Zeit österreichischer Bands auf Ö3 von fünf auf neun Prozent. Bis 2011 sollen es bereits elf Prozent sein.
Nicht nur Christina Stürmer ist in allen Medien und der Werbung zu sehen. Mittlerweile sind Namen wie Luttenberger*Klug, SheSays, Mario Lang, PBH Club oder Zweitfrau nicht mehr aus der Pop-Radio-Welt wegzudenken. Der Begriff Austro-Pop kann also auch im neuen Jahrtausend mit Inhalt schmücken und ist heute nicht mehr bloß ein Ausdruck für vergangene musikalische Leistungen österreichischer Alt-KünstlerInnen. 

Die Suche nach Alternativen. Auch FM4 ließ sich den Schwung an neuen musikalischen Entdeckungen nicht entgehen. Seit Oktober 2001 betreibt der Sender eine Online-Plattform, auf der österreichische KünstlerInnen ihr Material kostenlos hochladen können. In einer wöchentlichen Sendung werden Neuigkeiten rund um die Szene veröffentlicht sowie neue MusikerInnen vorgestellt.
Auch dieses Jahr suchte der Sender wieder junge DJ*anes, die auf Festivals auflegen. Zur Bewerbung musste ein Mix-Tape mit Liedern aus dem FM4 Soundpark eingeschickt werden. Nicht nur auf Festivals sondern auch in der Sendung zum Soundpark werden die Mixes dann gespielt.
Neben der Ausstrahlung der Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entstanden auch einige Initiativen von KünstlerInnen. So gründeten Bernhard Kern und Robert Stadlober zum Beispiel 2005 in Wien Siluh Records. Mittlerweile beherbergt das Label eine Handvoll österreichischer Bands. Neben Robert Stadlobers Band Gary komponieren auch andere Alternativ-MusikerInnen wie A Life, A Song, A Cigarette, Killed By 9V Batteries und Sweet Sweet Moon unter Siluh Records. 

Musikalische Armut. Trotz der Bekanntheit der Bands und der starken Unterstützung durch die heimischen Radios ist der Erfolg für viele Bandsin Österreich beschränkt. So meint Bernhard Kern von Siluh Records: „Als Musiker oder Musikerin ist es, glaube ich, schon ziemlich schwierig, auf lange Sicht Geld zu verdienen. Die bekanntesten Bands aus dem FM4 Universum können nicht davon leben.“ Außer im Fall Christina Stürmers scheint also Musik für österreichische Musikschaffende nicht für den Lebensunterhalt auszureichen.
Zwar gibt es in Österreich einige Förderungen, so zum Beispiel von der Gesellschaft zur Förderung österreichischer Musik Ges.m.b.H., die zu 100 Prozent der Vereinigung AKM (AutorInnen, KomponistInnen und VerlegerInnen) gehört. AKM ist die größte UrheberInnenrechtsgesellschaft Österreichs. Für einige KünstlerInnen ist dies aber auch eine politische Frage, denn die Freiheit der Kunst bedeutet für sie, dass Kunst allen Menschen zugänglich sein muss.
Neben dieser Form der Förderung gibt es auch Geld von verschiedenen Stellen, wie zum Beispiel aus den jeweiligen Kunsttöpfen der Städte und Gemeinden oder auch von Privatinitiativen. Der Dschungel an Fördermöglichkeiten ist gerade für junge MusikerInnen ohne Label schwer zu durchschauen.
Bernhard Kern sieht aber noch ein anderes Problem: „Für viele Bands ist es auch Bequemlichkeit, die spielen eben ihre fünf Gigs bei den FM4 Festivals und den Rest des Jahres müssen sie sowieso in ‚echten‘ Jobs arbeiten. Nach dem Ende des Studiums ist dann oft die Karriere zu Ende.“ Seiner Meinung nach können auch österreichische Bands in ihrer jeweiligen Nische außerhalb von Österreich Bekanntheit erlangen, dies ist aber ein langwieriger und anstrengender Prozess mit vielen Kleinstauftritten. Und so bleibt der Traum vom Leben auf der Bühne meist genau das: Ein Traum. 
 

Was können GenossInnenschaften heute schaffen?

  • 13.07.2012, 18:18

Bereits das Wort GenossInnenschaft klingt schon nach verstaubtem Gerümpel am Dachboden der Großelterngeneration. Ein genauerer Blick auf die Geschichte dieser Zusammenschlüsse ergibt, dass der erste Eindruck nicht getäuscht hat.

Kommentar

Bereits das Wort GenossInnenschaft klingt schon nach verstaubtem Gerümpel am Dachboden der Großelterngeneration. Ein genauerer Blick auf die Geschichte dieser Zusammenschlüsse ergibt, dass der erste Eindruck nicht getäuscht hat. GenossInnenschaften gibt es schon lange. Der Grundgedanke ist seit damals gleich geblieben. Die Mitglieder sind gleichzeitig auch BesitzerInnen und KapitalgeberInnen. Entscheidungen werden demokratisch getroffen.
GenossInnenschaften sind trotz ihrer langen Geschichte aber keinesfalls reif für den Müllcontainer. Ganz im Gegenteil. Auch wenn manche bekannte Vereinigungen zu großen Firmen herangewachsen oder bereits wieder in der Versenkung verschwunden sind, bilden sich weiterhin auf der ganzen Welt neue GenossInnenschaften. Sie versuchen, ihren Mitgliedern wirtschaftlich unter die Arme zu greifen oder bessere Arbeitsbedingungen für sie zu schaffen.
Diese Ziele klingen nach Weltverbesserung. In einigen Bereichen gelingt das auch. Fairtrade ist wohl das bekannteste Beispiel dafür, dass durch faire Entlohnung bessere Lebensbedingungen für ganze Dörfer geschaffen werden können. Das Vorleben von neuen Formen der Produktion und des Konsums trägt mit Sicherheit dazu bei, Impulse für die Wirtschaft außerhalb der GenossInnenschaften zu geben.
Gleichzeitig erschleicht einen bei der Beschäftigung mit dieser Form von Zusammenarbeiten und Konsumieren auch ein wenig das Gefühl, dass viele dieser neuen Co-Ops, die es auch in Österreich gibt, zwar von einer besseren Welt träumen, diese aber nur im kleinen Kreis für ihre Mitglieder schaffen. Ein Umsturz des kapitalistischen Systems ist über die Grenzen der eigenen Vereinigung hinaus nur schwer bewirkbar. Hinzu kommt noch, dass viele der neuen GenossInnenschaften eine eingeschränkte Zielgruppe haben – die Bevölkerung der gehobenen Schichten kann so ohne schlechtes Gewissen einkaufen und hat dabei noch das Gefühl, die Welt zu verändern. Mit fair gehandelten und demokratisch produzierten Produkten wollen sie zeigen, dass sie trotz voller Geldbörse nicht auf die Probleme dieser Welt vergessen haben. Ein Statussymbol also für ein paar wenige, die es sich leisten können.
Das bewusste Konsumieren darf nicht die einzige engagierte Tat bleiben, wenn das derzeitige ausbeuterische System verändert werden soll. Allerdings sind GenossInnenschaften ein wichtiger Schritt in Richtung einer Gesellschaft, in der alle Menschen ihre Umwelt demokratisch mitgestalten können, und sie schaffen heute schon faire Arbeitsbedingungen.

Gemeinschaftliches Arbeiten und Konsumieren weltweit

  • 13.07.2012, 18:18

Die GenossInnenschaftsbewegung breitet sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts weltweit aus. In Österreich oft mit Raiffeisen-Bank und Konsum gleichgesetzt, gibt es international Beispiele, die ein moderneres Bild auf den Zusammenschluss von Menschen zu Produktions- oder Konsumgemeinschaften werfen.

Die GenossInnenschaftsbewegung breitet sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts weltweit aus. In Österreich oft mit Raiffeisen-Bank und Konsum gleichgesetzt, gibt es international Beispiele, die ein moderneres Bild auf den Zusammenschluss von Menschen zu Produktions- oder Konsumgemeinschaften werfen.

GenossInnenschaften oder auch Kooperativen gibt es schon seit dem Altertum. Damals schlossen sich Menschen zu Bündnissen wie Glaubensgemeinschaften zusammen, die genossInnenschaftliche Züge hatten. Im Mittelalter bildeten sich unter sozial oder wirtschaftlich schwachen Personen Vereinigungen, die zum Beispiel die Begräbnisse der Mitglieder finanzierten. Aus GenossInnenschaften, die sich um die gemeinschaftliche Verwaltung der Almen kümmerten, entstand später die Schweizer EidgenossInnenschaft, die eine Form der direkten Demokratie darstellt.
Im Dezember 1844 gründeten 28 WeberInnen die Rochdale Society of Equitable Pioneers. Robert Owen, ein englischer Unternehmer, gründete diese ProduktivgenossInnenschaft, um die Lage der FabriksarbeiterInnen zu verbessern. Außerdem gründete er eine KonsumgenossInnenschaft in Form eines Ladens, um den Menschen leistbare Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Owen gilt als der Begründer der modernen Form dieses Zusammenschlusses. Das BesucherInnenbuch der Pioneers zeigte unter anderem Namen aus England, Deutschland, Spanien, Japan, Italien und Russland. George Jacob Holyoake veröffentlichte die Geschichte der Rochdale Pioneers 1858 unter dem Titel Self-Help by the People. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Die GenossInnenschaftsbewegung breitete sich ab diesem Zeitpunkt rasch aus. Im deutschsprachigen Raum wurden die ersten GenossInnenschaften 1847 von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch gegründet. Aus Raiffeisen’s Vereinigung zur Bekämpfung von Armut der ländlichen Bevölkerung entstand später ein Darlehenskassenverein. In Europa gibt es heute 300.000 GenossInnenschaften mit über 140 Millionen Mitgliedern.

Was ist das denn? GenossInnenschaften sind Zusammenschlüsse von natürlichen oder auch juristischen Personen. Das so genannte S-Prinzip bedeutet hier: Selbstverwaltung, Selbstverantwortung und Selbsthilfe. Die KapitalgeberInnen und Mitglieder sind gleichzeitig EntscheidungsträgerInnen und GeschäftspartnerInnen der Vereinigung.
Laut Gesetz müssen GenossInnenschaften den Erwerb oder die Wirtschaft der Mitglieder fördern. Sie müssen dies in Abstimmung mit ihren Mitgliedern durch sinnvolles unternehmerisches und marktgestalterisches Handeln erfüllen. Das besondere an dieser Form des wirtschaftlichen Zusammenarbeitens besteht darin, dass hier die erwirtschafteten Gewinne direkt an die Mitglieder weitergegeben werden. Eine Nichtweitergabe erfolgt nur dann, wenn neu investiert werden muss. Gewinn ist aber nicht der Selbstzweck einer GenossInnenschaft. Je nach Zweck muss das erwirtschaftete Geld auch entsprechend eingesetzt werden.
Die Mitglieder in solchen Zusammenschlüssen sind nicht auf eine bestimmte Zahl beschränkt. Die Anzahl kann je nach neu gewonnenen und ausgeschiedenen Mitgliedern ständig schwanken. Durch die Mitgliedschaft verpflichten sich die Personen zwar zur Einzahlung von Kapital und zur Entrichtung von etwaigen Mitgliedsbeiträgen, können aber dann von der jeweiligen Leistung der GenossInnenschaft profitieren.

Österreichische Varianten. Das klingt zuerst alles sehr theoretisch. Bei genauerer Betrachtung kennt aber jede Person in Österreich zumindest eine GenossInnenschaft. Die Raiffeisen-Gruppe mit ihrem Giebelkreuz als Markenzeichen ist in jedem Teil Österreichs zu finden. 1,7 Millionen Menschen sind in Österreich Mitglied und 40 Prozent der Bevölkerung sind KundInnen. Somit stellt sie die größte Bankengruppe in Österreich dar.
Die erste Raiffeisenkasse wurde in Österreich 1886 gegründet, weitere EinzelgenossInnenschaften folgten. Ab 1894 gab es landesweite Zentralen, und seit 1898 gibt es den Österreichischen Raiffeisenverband. Die Struktur ist seit damals stark gewachsen. In Österreich gibt es derzeit 560 selbstständige Raiffeisenbanken mit insgesamt 1.800 Filialen. Raiffeisenbanken wurden zur wirtschaftlichen Absicherung ihrer Mitglieder gegründet. Neben der Möglichkeit, die Entscheidungen innerhalb des Verbandes mit zu bestimmten, sind Mitglieder vor allem auch MiteigentümerInnen.
Eine weitere bekannte GenossInnenschaft stellte Konsum dar. Sie war bis zu ihrer Insolvenz 1995 eine KonsumgenossInnenschaft. Gemeinsam mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund war Konsum mehrere Jahrzehnte lang Besitzerin der BAWAG (Bank für Arbeit und Wirtschaft). Konsum wurde deshalb oft als gewerkschaftliches Unternehmen wahrgenommen, was aber rein rechtlich nicht der Fall war.
Die ersten KonsumgenossInnenschaften wurden in Österreich bereits 1852 gegründet. Viele ArbeiterInnen wollten den steigenden Preisen für Lebensmittel entgehen und solidarisierten sich. Die Zusammenschlüsse befassten sich mit dem Vertrieb von Nahrungsmitteln und anderen Gütern des täglichen Gebrauchs. 1903 kam es mit Unterstützung der damaligen SPÖ zur Gründung des Zentralverbandes österreichischer Konsumgesellschaften. Nach dem Ersten Weltkrieg versuchte der Konsumverband aber parteilich unabhängig zu werden.
Nach schwierigen Phasen für die GenossInnenschaften während des Ständestaats und dem Nationalsozialismus begann nach dem Zweiten Weltkrieg ein rascher Aufbau des Konsumverbandes. Ab Mitte der 1950er Jahre nahm der Mitgliederzuwachs aber ab, die Mitglieder waren veraltet und viele GenossInnenschaften waren nahe am finanziellen Ruin. Ein neues Konzept war von Nöten. 1970 wurde daher der erste Konsum-Großmarkt und 1971 das erste Konsum-Möbelhaus eröffnet. Der Verband sollte sich zur Konsum-Einzelhandelskette weiterentwickeln. Anfänglich steigende Gewinne konnten sich aber nicht auf Dauer einstellen. Konsum musste Anfang der 90er Anteile an der BAWAG verkaufen. 1995 wurden die bestehenden Filialen von anderen Unternehmen übernommen oder aufgelöst.

GenossInnenschaften auswärts. Österreichische GenossInnenschaften hören sich ein wenig nach Großkonzern oder verstaubter Vergangenheit an. International sieht das ein wenig anders aus. Auf Englisch heißen diese Vereinigungen Co-Operatives oder kurz Co-Ops. In Großbritannien begannen sich Anfang des 19. Jahrhunderts Menschen gegen die Form der Wohlfahrt zu wehren. Sowohl Staat als auch Kirche begannen zwischen „förderungswürdigen“ und „unwürdigen“ Armen zu unterscheiden. Daher wurden die ersten Friendly Societies gegründet. Ende des 19. Jahrhunderts waren knapp 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Großbritannien und 90 Prozent in Australien Mitglieder einer Friendly Society. Sie waren damit die größte Form von Vereinigungen von ArbeiterInnen im angelsächsischen Raum vor der Gründung von Gewerkschaften.
GenossInnenschaften stellen eine Form der wirtschaftlichen Demokratie dar und sollen so die politische Demokratie ergänzen. Diese Motive sind in den großen österreichischen GenossInnenschaften kaum noch sichtbar, im internationalen Bereich stehen sie dafür stärker im Vordergrund. So sind gerade viele kleinere Co-Ops klar im linken bzw. sozialistischen Spektrum anzusiedeln. Ein Beispiel hierfür stellt The London Socialist Film Co-Op dar. Sie zeigen aktuelle und ältere Filme, um sozialistische Kultur weiterzutragen. Nach den Veranstaltungen werden die TeilnehmerInnen zu Diskussionen angeregt. Mitglieder werden dazu ermuntert, eigene Filme zu drehen, sich aktiv an der Organisation von Veranstaltungen zu beteiligen oder Vorschläge für gezeigte Filme zu machen.
Rainbow Grocery in San Francisco wurde 1975 gegründet und ist ein vegetarischer Supermarkt. Er entstand aus einem Projekt namens People‘s Common Operating Warehouse of San Francisco, bei dem Essen von Menschen der Umgebung in Großmengen eingekauft und danach untereinander aufgeteilt wurde, um das Zusammenleben in der Gemeinschaft und politisches Denken zu fördern. Aus diesem zuerst religiösen Projekt entstand dann der säkulare Verkaufsladen.
Den Titel Co-Operative konnte Rainbow Grocery erst 1993 führen, denn bis dahin besaß Kalifornien keinen rechtlichen Terminus für Arbeiter-Innen-Co-Ops. Doch schon von Beginn an war Rainbow Grocery ein von den Mitgliedern demokratisch organisierter und gemeinsam besessener Laden. Im Unterschied zu KonsumgenossInnenschaften ist das Geschäft aber nicht in Besitz der Menschen, die dort einkaufen, sondern gehört den ArbeiterInnen. Die Vereinigung beschreibt sich selbst als Zusammenschluss der einzelnen Abteilungen im Laden wie Einkauf, Käse, Reinigung oder Bäckerei. Auf der Abteilungsebene werden die Entscheidungen wie Neueinstellungen oder Einkauf eigenständig getroffen. Nur größere finanzielle oder rechtliche Entscheidungen werden von dem jährlich gewählten Board, das sieben Mitglieder hat, getroffen. Zur Wahl für das Board können sich alle MitarbeiterInnen bzw. Mitglieder aufstellen – egal in welcher Abteilung sie arbeiten. Zusätzlich zum Board gibt es monatliche Treffen der Mitglieder, in denen Entscheidungen besprochen und abgestimmt werden.

Fairer Handeln. Natürlich gibt es auch internationale Vereinigungen, die auf größerer Ebene agieren. Als bekannte Vertreterin sei hier Fairtrade genannt. Die Organisation versucht weltweit, durch fairen Handel und gerechte Löhne benachteiligte kleinbäuerliche Familien zu unterstützen. Bei Plantagen werden die PflückerInnen gefördert, da sie die Benachteiligsten in der Produktionskette sind. Die einzelnen ProduzentInnen müssen sich, um das Fairtrade-Siegel zu erhalten und mit Hilfe von Fairtrade Produkte erzeugen zu dürfen, zu GenossInnenschaften zusammenschließen. Wenn dies noch nicht möglich ist, muss zumindest auf demokratische Strukturen hingearbeitet und die ArbeiterInnen gerecht entlohnt werden. Neben Schulungen in den Bereichen Marketing und Produktionsverfahren unterstützt Fairtrade auch soziale Projekte wie den Bau von Schulen, Brunnen und Apotheken.
Die gerechte Produktion von Kaffee ist im öffentlichen Bewusstsein wohl am stärksten mit Fairtrade verbunden. Die Produktpalette umfasst heute aber weit mehr. Schokolade, Datteln und Gewürze sind genauso wie Baumwolle, Teppiche und Fußbälle erhältlich. Das Fairtrade-Gütesiegel zeigt den KundInnen in aller Welt, welche Erzeugnisse unter demokratischen Bedingungen hergestellt wurden. Die Preise sind zwar in den meisten Fällen höher als bei vergleichbaren Produkten ohne Siegel, allerdings können die KonsumentInnen neben dem Erwerb eines guten Gewissens so auch einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen von ArbeiterInnen leisten.
GenossInnenschaften gibt es weltweit in vielen verschiedenen Formen. Allen gemeinsam ist eine demokratische Struktur, die für alle Mitglieder Mitsprache garantiert. Diese Form von Demokratie in Arbeits- und Produktionsprozessen ist ein wichtiger Wegweiser zu einer Gesellschaft, die auf die Bedürfnisse aller eingeht. Viele, vor allem größere, Vereinigungen stellen heute gleichzeitig multinationale Unternehmen dar, die stark im kapitalistischen System verankert sind. GenossInnenschaften müssen daher nicht zwingend zur Veränderung des bestehenden Systems beitragen. Sie können jedoch einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen gerecht bezahlt und in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.

„Wir lieben unsere VoKü!“

  • 13.07.2012, 18:18

Die Volxküchen sind von den Protesten in den großen Hörsälen der österreichischen Universitäten nicht wegzudenken. Das politische Essen zum Selbstkostenpreis oder gegen eine freie Spende blickt auf eine lange Geschichte zurück, und ist nicht nur in Österreich sondern auf der ganzen Welt zu finden.

Die Volxküchen sind von den Protesten in den großen Hörsälen der österreichischen Universitäten nicht wegzudenken. Das politische Essen zum Selbstkostenpreis oder gegen eine freie Spende blickt auf eine lange Geschichte zurück, und ist nicht nur in Österreich sondern auf der ganzen Welt zu finden.

Durch die Besetzung der Hörsäle in Österreich ist die Volxküche vielen StudentInnen ein Begriff geworden. Für die Proteste sind diese so genannten VoKüs ein wichtiger Bestandteil, denn sie versorgen die sich engagierenden Personen mit gesunder Nahrung und dienen als Treffpunkt abseits der Arbeitsgruppen und Plena. „Ohne uns wäre eine so lange Besetzung gar nicht möglich!“, sagt eine Mitarbeiterin der VoKü im Audimax der Uni Wien selbstbewusst, während sie mit einem langstieligen Löffel in einem großen Topf mit Nudeln umrührt. Und tatsächlich wäre es wohl für die meisten Studierenden, die bei den Protesten mitarbeiten, finanziell gar nicht möglich, sich mehrere Wochen von Fastfood oder Restaurantessen zu ernähren anstatt zu Hause selber zu kochen.

Kochen mit Geschichte. Die Institution Volxküche gibt es aber nicht erst seit den Studierendenprotesten in Österreich. Denn im Rahmen von linken Aktionen und Veranstaltungen, aber auch als eigenständiges Event oder regelmäßiger Treffpunkt sind VoKüs schon seit den 1960ern zu finden. Ihre Geschichte geht jedoch noch weiter zurück. Seit über 150 Jahren gibt es Menschen, deren Ziel es ist, leistbares Essen für alle anzubieten. Unter dem Namen Volksküche, Suppenküche oder Armenküche kochten vor allem Frauen für bedürftige Menschen. Viele dieser Einrichtungen gingen davon aus, dass Armut naturgegeben, selbstverschuldet oder durch spezielle Notsituationen, wie zum Beispiel durch Krieg, temporär vorhanden ist und versuchten, diese zu lindern.
Im zweiten Weltkrieg gründeten die NationalsozialistInnen nach dem Verbot der ArbeiterInnenwohlfahrt in Deutschland die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“, die neben der Gründung von Kindergärten und der Betreuung von schwangeren Frauen auch die Speisung der Armen übernahm. Das Essen wurde allerdings nur an Menschen mit „rassischer und politischer Reinheit“ ausgeteilt. So wurde die eigentlich positive Idee der Verteilung von leistbarem Essen faschistisch vereinnahmt.
Dieser Umstand erklärt auch, warum sich die heutigen Volxküchen im deutschsprachigen Raum, die vor allem ab den 1980ern einen großen Aufschwung erfahren haben, mit einer bewussten Falschschreibung bezeichnen. Sie distanzieren sich somit von dem problematischen Begriff des Volkes. Einige VoKüs nennen sich Bevölkerungsküchen (BeVöKüs), um sich noch klarer von der rassistischen Konnotation des Wortes „Volk“ abzugrenzen.

Und was ist mit Fleisch? Volxküchen dienen nicht einfach nur dazu, Essen auszugeben. Die VoKüs zeigen durch ihre Arbeit auf, wie verschwenderisch in unserer Gesellschaft mit Lebensmitteln umgegangen wird. Sie lukrieren ihre Zutaten durch Spenden oder „containern“ und „dumpstern“, also durch das Sammeln von abgelaufenen oder weggeworfenen Lebensmitteln, die noch zum Verzehr geeignet wären. Gleichzeitig geht es ihnen auch darum zu zeigen, wie unmenschlich der Umgang mit Armut im kapitalistischen System ist. Armut ist nicht einfach vorhanden, sondern wird durch Kapitalismus erzeugt. Das politische Engagement der Kochenden wird jedoch in den meisten Fällen nicht gerne gesehen. Unzählige VoKü-AktivistInnen, vor allem in den USA, wurden schon verhaftet und eingesperrt.
Anders als manch eine Regierung haben die Gäste der VoKüs wiederum wenig am Essen auszusetzen – es schmeckt und ist leistbar. Einziger Kritikpunkt bleibt das Nichtvorhandensein von Fleisch. Tatsächlich ist es in den meisten Volxküchen so, dass ausschließlich vegetarische oder vegane Speisen zubereitet werden. Eine Mitarbeiterin der VoKü in der Uni Wien hat dafür eine simple Erklärung: „Fleisch würde sich einfach nicht lange genug halten.“
Der Grund liegt, neben der schon erwähnten schwierigen Lagerung von Fleisch, auch darin, dass der Konsum von tierischen Produkten für die VoKüs ein politisches Problem darstellt. Die Produktion von Fleisch, Milchprodukten und Eiern benötigt eine große Menge von pflanzlicher Nahrung für die Tiere, mit der stattdessen eine viel größere Anzahl von Menschen ernährt werden könnte als durch die so hergestellten tierischen Nahrungsmittel. Auch die Umweltverschmutzung durch die Nutztiere ist ein Kritikpunkt. Zusätzlich setzen sich viele VoKü-AktivistInnen dafür ein, dass es nicht länger zu einer Massentierhaltung und zu einem grausamen Töten von Lebewesen kommt. 

International abgeschmeckt. Volxküchen gibt es auf der ganzen Welt. So gibt es in der so genannten „dritten Welt“ Projekte, bei denen es vor allem darum geht, möglichst viele Menschen mit Nahrung zu versorgen und zu zeigen, dass eine selbstständige Organisation von Lebensmittelproduktion und -beschaffung möglich ist.
In Europa gibt es unzählige Organisationen, die für linke Events und Großdemonstrationen kochen. So zum Beispiel Le Sabot, die sich 2007 gegründet haben. Le Sabot ist vor allem bei Veranstaltungen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland anzutreffen. Sie bezeichnen sich selbst als mobile, vegane Mitmach-Küche.
In den USA gibt es seit genau 30 Jahren die Organisation Food Not Bombs. Mittlerweile sind sie in über 100 Gemeinden in den USA und der ganzen Welt aktiv. Sie versorgen Obdachlose, Tagesbetreuungseinrichtungen und Familien von streikenden ArbeiterInnen mit Essen.
Dies sind nur einige wenige Beispiele für erfolgreiche VoKü-Projekte. Sie und viele andere sind der Grund dafür, warum Menschen auf der ganzen Welt sich dem anschließen, was eine Studentin im besetzten Audimax der Uni Wien treffend auf den Punkt gebracht hat: „Wir lieben unsere VoKü!“