FPÖ-Mann Tiller: Ich kann rudelbumsen
Gedanken zur Swingerclub-Installation des Künstlers Christoph Büchels offenbaren das schier unglaubliche künstlerische Potential in den Reihen der FPÖ. Eine staunende Betrachtung und Richtigstellung.
Gedanken zur Swingerclub-Installation des Künstlers Christoph Büchels offenbaren das schier unglaubliche künstlerische Potential in den Reihen der FPÖ. Eine staunende Betrachtung und Richtigstellung.
Wien, Ende Februar dieses Jahres: In die Gemächlichkeit der österreichischen Innenpolitik platzt ein empörter, nach einem Skandal rufender Schrei. Die FPÖ Wien (und somit auch die Mutterpartei) hat eine Kunstaktion des Schweizers Christoph Büchel in der Secession als groß angelegte Verschwendung von Steuergeld aufgedeckt. Unter dem „Deckmantel“ der Freiheit der Kunst wolle Büchel in der traditionsreichen Secession einen Swingerclub installieren, ließen die Freiheitlichen verlautbaren. Aber Rudelbumsen, so der freiheitliche Kulturfunktionär Helmut Tiller, das sei keine Kunst. Sogar er könne es, meinte der gute Mann. Eine Schweinerei, Vorführsex als Kunst auszuweisen und dafür auch noch enorme Summen einzustreichen. 90.000 Euro an jährlicher Förderung, das ist für die FPÖ schlichtweg „durchgeknallt“.
Ohne die exaltierten Freiheitlichen würde die Aktion des Schweizers vermutlich nicht einmal soviel Aufmerksamkeit wie der Podcast vom Bumsti aus Erdberg erregen. Erst durch das Jaulen der Wölfe erreicht das unerhörte Treiben gewisse Bekanntheit. JournalistInnen wissen zwar nicht, was und wie sie davon berichten sollen, sind aber erneut erstaunt über die überbordende Kreativität der Freiheitlichen, mit der sie ihre neueste künstliche Erregung zuwege gebracht haben.
Umsunst – die Kunst? Dieses Ereignis bringt mich ins Grübeln über Kunstbegriff und Kulturpolitik. Nach einigen Überlegungen erkenne ich klar, dass die Eff dabei ist, ins eigene Nest zu machen. Unter Artikel IV ihres Parteiprogramms lese ich Folgendes:
„Kunst ist Privatsache. Der Staat darf über seine Kunstpolitik keine Geschmacksbevormundung, politische Instrumentalisierung und Subventionsgängelung betreiben. […] Der Staat hat seine Kunstförderung auf die Schaffung von Rahmenbedingungen und infrastrukturellen Einrichtungen zu beschränken. Diese sollten insbesondere Kunsthochschulen, Konservatorien und Musikhochschulen, Galerien und Ausstellungsräumlichkeiten, öffentliche Bühnen und Konzertsäle, Werkräume und Starthilfen für Jungkünstler umfassen.“
Wie mir scheint wird unter der Goldkugel im freiheitlichen Takt geswingt. Die Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession erhält jährliche Subventionen, ist aber nicht „gegängelt“ in dem Sinne, weisungsabhängig zu arbeiten. Zudem stand hinter ihrer Gründung der Gedanke, zeitgenössischen, progressiven, eben jungen KünstlerInnen eine Plattform – eine „Starthilfe“ – zu geben. Ich frage mich also, wozu die ganze Aufregung – bloß schon wieder wegen des Wahlkampfs?
Fiat iustitia … Geht es den Freiheitlichen nicht um mehr als profanes Wahlkämpfen? Können die diesmal zugegebenermaßen bescheidenen Einwürfe zur Kulturpolitik von Seiten der FPÖ generell als Geschwätz abgetan werden? Haben ihre FunktionärInnen nicht eine wichtige Botschaft, sind sie vielleicht nur etwas zu ungeschickt, zu holprig im Umgang mit der deutschen Sprache, um diese auch zu kommunizieren? Unterschätze ich die Kunstkompetenz der Freiheitlichen?
Nun, ich will mich nicht in die Riege derer stellen, die reflexartig die FPÖ anpinkeln. Im Gegenteil, ich will unpopulär sein, ich will, dass der Eff und ihrer Kulturpolitik Gerechtigkeit widerfahre! Angestrengt denke ich also nach. Die Klagenfurter Seebühne kommt mir in den Sinn, ein inzwischen bereits versunkenes Kapitel des freiheitlichen Kunstaktionismus. Doch die Idee, lobend darüber zu berichten, versinkt ebenso. Der einstmals so strahlende Kunstkoloss ist in letzter Zeit so arg in Verruf geraten, dass selbst die Gründerväter ihm die Liebe entziehen. Trotz großzügiger Unterstützungen von Seiten des Landes und des schönen Karl-Heinz musste nicht nur künstlerischer Bankrott angemeldet werden. Ein anderes freiheitliches „Kunstprojekt“ glänzt dafür umso heller.
… et ars pereat. Ein für die FPÖ in den Niederösterreichischen Landtag gewähltes „gallisches Dorf“ hält der heimatlichen Politikerkaste einen Spiegel vor – ganz ohne Werbetrommel und moralisch anstößige Aktionen. Es handelt sich hierbei um Karl Schwab, den wohl talentiertesten Politsatiriker des Landes. Bescheiden und doch selbstüberzeugt und voll Inbrunst prangert er die intellektuellen Missstände unserer Gesellschaft an, indem er sie selbst vorspielt. Sein Spiel mit der Sprache gemahnt an Karl Kraus, er ist der lebende Beweis, wie sehr die Kunst den Freiheitlichen am Herzen liegt. Unvergessen sein Appell an die Abgeordneten zum Landtag: „Ich frage Sie, ist Kunst, wenn jemand vielleicht ein poar olte Radln zamschwoaßt? […] Und sagt, das ist Kunst. Des is Metallkunst. Aber des is net Kunst!“
Mit entlarvender Ehrlichkeit und überraschender Glaubwürdigkeit stellt dieser Fackelträger des Intellekts PolitikerInnen aller Couleurs und Ebenen nach, wie es kein anderer Kabarettist oder Kabarettistin bislang vermochte (Hader spielt Hader versus Schwab spielt Politiker). Ohne die Aufmerksamkeit seiner KollegInnen zu erregen, hat er den Landtag in eine Kleinkunstbühne verwandelt.
Stellen wir uns vor: Mit 6.500 Euro im Monat ist dieses Projekt voll ausfinanziert. Hochgerechnet ist das kaum mehr als die „Perversen“ in der Secession nehmen! Weiters wird in dieser „Werkstatt“ sicher keine „politische Instrumentalisierung“ betrieben. Eintritt ist sowieso nicht zu begleichen, sogar Minderjährige können beiwohnen. Schau, unseliges KritikerInnengesindel, das ist ordentliche Kulturpolitik!
Somit bin ich beruhigt, weiß nun, dass sich am Horizont des Freiheitlichen Kunstverständnisses die dunklen Wolken lichten. Mich erfüllt die Hoffnung, dass die FPÖ sich auf die weiteren großen KünstlerInnen in den eigenen Reihen besinnt, diese fördert und fortan von künstlichen Erregungen ablässt; sich gewahr wird, den Kunstbegriff als Partei vielleicht prägen zu können, aber nicht zu definieren. Denn wie Karl Schwab bereits auf die Frage, was Kunst denn überhaupt sei, zu antworten wusste: „Das entscheidet sicher der Volk, der was das konsumieren muss.“