Non Chérie

Viel Klon um nichts

  • 05.10.2016, 13:47
Kleinkriminelle Waisin findet heraus, dass sie eine von mehreren Klonen ist, tut sich mit den anderen zusammen und macht sich auf, ihren „Schöpfer_innen“ und heimlichen Aufseher_innen in den Hintern zu treten.

Kleinkriminelle Waisin findet heraus, dass sie eine von mehreren Klonen ist, tut sich mit den anderen zusammen und macht sich auf, ihren „Schöpfer_innen“ und heimlichen Aufseher_innen in den Hintern zu treten. Die Details der Story sind wesentlich komplizierter, aber das spielt keine große Rolle: Weder für die Frage, ob die Zuschauer_innen sich in die Serie verlieben (das steht und fällt nämlich mit den hinreißenden Klonen) – noch in Hinblick auf den Comic. Selbiger hat einfach zu wenig Seiten, um sich in Details zu ergehen – dabei ist es genau das, was er verspricht: Mehr Hintergründe zur geliebten Serie sollte er liefern.

Aufgeteilt in fünf Kapitel, eins für jede der Hauptklone, Sarah, Helena, Alison, Cosima und Rachel, liegt die Annahme nah, dass jedes Kapitel einen Strang aus dem Leben der jeweiligen Frau näher beleuchtet, der in der Serie zu kurz kam. Statt sich auf dieses Ziel zu konzentrieren, bemüht sich der Comic jedoch gleichzeitig, die erste Staffel zusammenzufassen. Er scheitert an beiden Zielen. Wer die Serie nicht gesehen hat, wird mit dem Comic überfordert sein, den Plot nicht nachvollziehen können und sich nicht in die Charaktere verlieben, die unerträglich flach bleiben. Wer hingegen bereits Fan ist, wird sich mit dem Comic langweilen und sich die Frage stellen, warum 99 Prozent des Inhalts nur wiederkäuen, was bereits bekannt war. Allein in Rachels Kapitel ist ein Teil ihrer Kindheit zu sehen, der in der Serie kürzer dargestellt wurde, neue Einsichten ergeben sich daraus aber nicht. Zudem hat es einen schalen Beigeschmack, wenn aus einer dermaßen queeren Fernsehserie ein Comic hervorgeht, in dem auf mehrere Hetensexszenen sage und schreibe ein lesbischer Kuss kommt – und Obertucke Felix nicht als queer zu erkennen ist.

Auch der Zeichenstil vermag es nicht, zu überzeugen. Wann immer Bilder aus der Serie direkt „geklont“ wurden – es wurde vermutlich direkt über Screenshots gemalt – sind die Charaktere mitunter atemberaubend gut zu erkennen, die Bildkomposition beeindruckend. Sobald die Künstler_innen jedoch frei zeichnen mussten, wird es sogar schwer, die einzelnen Personen auseinander zu halten. Die am Ende des Bandes angehängten Variant-Cover verschiedener Zeichner_innen sind vielfältig und würden wunderschöne Poster ergeben, doch als einzig wirklich innovativer Teil des Comics sind sie einfach den Kaufpreis nicht wert.

Der einzige Hoffnungsschimmer ist der zweite Band: „Helsinki“. Er soll vor allem die Geschehnisse in Finnland erläutern, die in der Serie bis einschließlich Staffel drei nur angedeutet wurden und erst in Staffel vier ansatzweise ans Licht kommen. Damit würde der Comic wirkliche Lücken füllen, was Band eins mit dem bisschen Extrainformationen pro Klon wahrlich nicht halten konnte. Leider ist dieser zweite Sammelband, obwohl bereits im März 2016 in den USA erschienen, erst im Oktober auf Deutsch zu bekommen.

Die vierte Staffel der Fernsehserie gibt es seit dem 6. August auch im deutschsprachigen Netflix, die fünfte und letzte Staffel wird 2017 in den USA anlaufen.

Non Chérie macht queeren Krempel, feministisches Gedöns und stolpert mitunter versehentlich auf dem Campus der Uni Wien umher.
 

„Hinfort mit den Serienstereotypen, her mit den Klonen“

  • 05.10.2016, 13:37
Teilzeitkleinkriminelle Waise aus armen Verhältnissen findet zufällig heraus, dass sie unzählige Klone hat …

Teilzeitkleinkriminelle Waise aus armen Verhältnissen findet zufällig heraus, dass sie unzählige Klone hat, tut sich mit ihnen zusammen und kämpft gegen jene, die sie geklont haben und deren finstere Machenschaften. Gut, das klingt nicht annähernd so spannend und komplex, wie die Serie tatsächlich ist – doch ihr werdet Orphan Black eh nicht wegen des Plots schauen.

Es ist der Klon-Club, also ihre verschiedenen Klone, die Protagonistin Sarah Manning nach und nach kennenlernt, die euch das Herz rauben werden. Schon Alison, die Soccer-Mum mit Vorliebe für Basteln, Geschenkeverpacken, Drogendealen und Mord, hat mehr Witz und Finesse als alle Staffeln Breaking Bad zusammen. Zudem kommt jede Menge Queeres: Nicht nur sind einige Hauptcharaktere lesbisch, bi, schwul, trans* und intergeschlechtlich, darunter auch Klone, nein, vor allem bricht die Seriengestaltung grandios mit Traditionen. Andauernd sprechen Frauen, die ebenso Hintergründe wie eigene Handlungsstränge haben, miteinander – und definitiv über etwas anderes als Männer. Männliche Charaktere hingegen haben nahezu ausnahmslos Nebenrollen, die die Protagonistinnen und deren Plot unterstützen (Bösewichte ausgenommen).

Und das fetzt. So richtig. Die Klone machen einfach Spaß. Sie können ihr ganzes Potential entfalten, weil sie nicht, wie es sonst in Serien passiert, durch irgendwelche Typen, deren Plot vorangetrieben werden muss, ausgebremst werden. Alle werden von Tatiana Maslany dargestellt, die derart überzeugend spielt, dass sie nicht mal Perücken und Accessoires bräuchte, um die Klone trennscharf voneinander abzugrenzen.

Eine weitere auffallende Besonderheit der Serie ist, dass es nicht ständig Vorwände gibt, um die Protagonistinnen nackt zu zeigen – dafür sind es öfters mal Männer, die in Dusch- und Umkleideszenen Haut zeigen. Allen voran Schnuckel Felix, Sarahs Adoptiv-Bruder, Künstler (was sonst), Make-Up-Fan und Vollzeit-Tunte. Nicht nur seine Outfits, sein Witz und sein Charme bereichern die Serie ungemein – dass er auch keine Berührungsängste gegenüber einem trans* Mann hat, ist im Mainstream-TV vermutlich einmalig.

Ein großer Makel der Serie: Sie ist weißer als Magerquark. Nicht-weiße Charaktere gibt es allein in Nebenrollen. Durchgehend dabei ist allein ein Schwarzer Cop – also genau die eine Schwarze Rolle, die gerade bei so vielen Serien neben einem ansonsten komplett weißen Cast steht.

Die vierte Staffel der Fernsehserie gibt es seit dem 6. August auch im deutschsprachigen Netflix, die fünfte und letzte Staffel wird 2017 in den USA anlaufen.

 

Non Chérie studiert mitunter versehentlich in Wien und macht sonst so queeren Kram und trans*aktivistisches Gedöns.

Zwei mal „Wo kommen Kinder her?“, ohne heteronormative Kackscheiße

  • 29.01.2016, 17:52

Zwei Bücher, zwei Kinder, zwei unterschiedliche Familien, zwei Geschichten darüber, wie Eltern zu Kindern kommen. Zwei Mal kinderfreundliche Erklärungen, die darauf verzichten, die Mär von Zweigeschlechtlichkeit und Vater-Mutter-Kind-Familien zu zementieren.

Zwei Bücher, zwei Kinder, zwei unterschiedliche Familien, zwei Geschichten darüber, wie Eltern zu Kindern kommen. Zwei Mal kinderfreundliche Erklärungen, die darauf verzichten, die Mär von Zweigeschlechtlichkeit und Vater-Mutter-Kind-Familien zu zementieren.

Wie Single-Vater Tobias mit Lotta schwanger wurde, erfährst du in „Wie Lotta geboren wurde“.

Die Geschichte fängt bereits vor seiner Schwangerschaft an, erzählt von Tobias Hobbys und seinen Freund_innen. Ein Freund schenkte ihm die Samen, die er benötigte, um Lotta zu bekommen. Dass Tobias vermutlich ein trans* oder inter* Mann ist und weshalb er eine Gebärmutter hat, wird nicht unnötig thematisiert. Stattdessen betont das Büchlein Tobias' Vorfreude – und wie er zusammen mit Freund_innen und Verwandten jubelte, als Lotta endlich auf der Welt war.

„Maxime will ein Geschwister“! Oder gleich mehrere. Dabei ist für ihn das Geschlecht des potentiellen Geschwisterchens gänzlich irrelevant und wird nicht mal angesprochen. Macht einfach mal, Mamis! Die beiden Mütter sind einverstanden, greifen zur anonymen Samenspende und neun Monate später kann Maxime sein Geschwister Nikola im Arm halten.

Test

Beide Bücher behandeln eine ähnliche Thematik und eignen sich beide dafür, Kindern zu erklären, wie sie auf die Welt kamen, ohne ihnen dabei gleich cissexistische Unwahrheiten à la „alle Frauen können schwanger werden, alle Männer können das nicht“ aufzutischen. Auch die Mär von der Familie, die unbedingt genau einen Vater und genau eine Mutter bräuchte, bleibt den Kindern so erspart. Ein klares Plus für alle Kids: Sowohl für die, deren Familie nie in Kinderbüchern vorkommt, als auch für alle anderen, die so ein bisschen über den Tellerrand raus schauen können, von Kindern bis Erzieher_innen. Je nach Alter der Kinder können sie auch als Anstoß dienen, über Geschlecht zu sprechen: z.B. warum wir bei jedem Menschen unbedingt das Geschlecht wissen wollen. Oder warum die meistern Eltern auf „Bruder oder Schwester“ beharren, statt einfach wie in Maximes Geschichte „Geschwister“ zu benutzen.

Die Erklärungen zum Ablauf einer Schwangerschaft sind liebevoll und kleinkindgerecht. Körperteile sind weniger wichtig als das Wesentliche: Die Freude, die mit den Kindern und dem Kinderbekommen verbunden ist. So dass jedes Kind weiß: Die Hauptsache ist, dass meine Eltern sich bewusst für mich entschieden haben und sich darüber freuen, dass es mich gibt!

Auch die Vielfalt von möglichen Bezugspersonen und Familienformen wird betont. Nicht nur Maxime und seine Mütter oder deren Verwandten freuen sich über das Baby , sondern auch Mitbewohner_innen und Freund_innen sind gleichberechtigt dabei. Nicht angesprochen, aber gezeigt wird, dass nicht alle in einer Familie die gleiche Hautfarbe haben müssen: Maxime ist ebenso wie eine seiner Mütter Schwarz, Baby Nikola und die andere Mutter weiß.

Der Zeichenstil der Bücher ist liebevoll minimalistisch auf das Wesentliche reduziert. Verbunden mit tuscheähnlicher Zeichnung spricht das stringente Farbkonzepte sehr an: Keine Hintergründe, als Farben nur Schwarz, Gelb und ein Hauch Rot in Lottas Geschichte, Schwarz, Lila und Grautöne in Maximes Büchlein.

Hinter den Mini-Format-Büchern (13,6 x 13,6 cm) steht der neue, reichlich queere Zwei-Personen-Verlag „Atelier 9 ¾“ , der sich auf Comics und Kinderbücher spezialisiert hat.  „Wie Lotta geboren wurde“ gibt es sogar schon auf Schwedisch.

Non Chérie studiert mitunter versehentlich an der Universität Wien, macht meist feministisches Gedöns und queeren Krempel.

Beide Bücher könnt ihr euch auch gleich ausleihen – in der queer_feministischen Bibliothek der ÖH Bundesvertretung. Dort gibt es einen ganzen Schwerpunkt zu nicht-normativen und queerfreundlichen Kinderbüchern für verschiedene Altersstufen und zu diversen Themen. Schaut vorbei.

Nur für Frauen*?

  • 27.10.2014, 15:25

Labels, die regeln sollen, wer in feministische Schutzräume darf, gibt es viele, gerade in Uni-Kontexten. Doch wer ist eigentlich wirklich gemeint? Eine Kritik.

Labels, die regeln sollen, wer in feministische Schutzräume darf, gibt es viele, gerade in Uni-Kontexten. Doch wer ist eigentlich wirklich gemeint? Eine Kritik.

Im Rahmen der Frauenbewegungen wurden bestehende Räume wie Universitäten für Frauen geöffnet – und neue Räume geschaffen. Dazu gehören feministische Bibliotheken oder frauengeführte Kneipen. Manche Räume sollen Schutzräume sein, also die Möglichkeit bieten, ohne Anfeindungen, Häme und Konkurrenzgefühl neue Fähigkeiten zu lernen, sich fortzubilden und auszutauschen. Deshalb haben Männer dort keinen Zutritt. Die Räume selbst können fixe Lokalitäten sein, wie etwa der „Uni Frauen Ort“, das „UFO“ in der Wiener Berggasse, das seit mehr als 30 Jahren besteht. Andere Räume existieren als temporäre Aneignung bestehender Orte, etwa im Rahmen von Workshops und Seminaren wie der wissenschaftlichen Schreibwerkstätte für Frauen*, die jedes Semester an der Uni Wien angeboten wird. Auch bei anderen Veranstaltungen wie Konferenzen, Diskussionen und Vorträgen kann gelten: „nur für Frauen“ oder „FLIT* only“. Doch was bedeutet das?

Orte für wen? „Frauen“, „Frauen*“ und „FrauenLesben“ haben als Labels eine lange Tradition. Die Schreibweise mit Sternchen und die Bezeichnung „FrauenLesben“ entwickelten sich aus der Kritik am eindimensionalen Frauenbegriff. Beide Labels zeugen von der Ablehnung der Idee, dass es „die Frau an sich“ gäbe. Es wird außerdem damit betont, dass die so eingeordneten Personen kein verbindendes Element, keine „wirkliche Weiblichkeit“ teilen, es also keine Frauen jenseits gesellschaftlicher Einteilung gibt. Der Begriff FrauenLesben fungiert als Sichtbarmachung von Lesben und ihren spezifischen Belangen. Auch die Idee vom Lesbischsein als mögliche Geschlechtsidentität schwingt in der Bezeichnung mit.

Foto: Sarah Langoth

Wer sich in Hochschulräumen oder dem aktivistischen Milieu bewegt, der_die mag auch schon über den Begriff FLIT (manchmal auch FLIT* geschrieben) gestolpert sein. Eine schnelle Google-Suche nach den vier Buchstaben führt zu einem Insektizid, das in den 20ern gegen Moskitos entwickelt wurde sowie zur „flow control digit“, einem Begriff aus der Routerund Netzwerktechnik. Allerdings soll das Label FLIT* nicht die Paketvermittlung in einem Netzwerk beschreiben oder gar die Umwelt mit DDT vollpumpen, sondern die Diversität der in einem Raum willkommenen Menschen sichtbar machen. Der Begriff FLIT steht für Frauen_Lesben_Inter*_Trans*. „Trans*“ meint alle, die sich nicht oder nicht ausschließlich dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen. Trans*Personen und Wissenschaftler_innen benutzen verschiedene Begriffe wie z.B. Transgender, Transsexuelle, Transidenten, die je nach Person verschieden definiert und abgegrenzt werden. Der Überbegriff Trans* wird dabei nicht von allen Trans*Personen gutgeheißen. Manche nutzen Trans*Frau/Trans*Mann als Selbstbezeichnung, andere verwenden trans* als Adjektiv und manche möchten nur als Frauen oder Männer bezeichnet werden. Der Überbegriff Inter* steht für Menschen, deren Körper nicht in gesellschaftlich aufgestellten Normen von dem, was Männer- bzw. Frauenkörper beinhalten dürfen/müssen, passen. Dies kann aufgrund ihrer Chromosomen, Genitalien, Gonaden, Hormonlevel oder Kombinationen von diesen Faktoren sein. Neben "inter*" werden häuftig auch Begriffe wie intersexuell oder intergeschlechtlich verwendet.

Willkommen? Darüber, wer (nicht) in Schutzräumen willkommen ist, wird diskutiert und gestritten, seit es diese Räume gibt, obgleich es naheliegend scheint, dass Frauen(*)-Räume allen Frauen(*) offenstehen. Immerhin herrscht in feministischen Kreisen weitestgehend Einigkeit darüber, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist und Frausein nicht über Genitalien oder bestimmte Hormonspiegel definiert wird. Bei der Frage nach Trans*Frauen in Frauen(*)-Räumen berufen sich jedoch einzelne Raumverwalter_innen auf die Anatomie oder bemühen andere – meist ebenso trans*und inter*feindliche – Argumentationen. Die Anwesenheit von Trans*Männern wird und wurde seltener oder weniger intensiv diskutiert, weil sie wegen dem bei der Geburt zugewiesenen weiblichen Geschlecht geduldet werden. Inter*Personen und nichtbinäre Personen, also jene, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizieren hingegen werden meist – wie auch in den LGBT-Szenen – schlicht übersehen. Angesichts der Frage, wer in „ihren“ Räumen und Gruppen willkommen ist, haben sich bereits viele feministische Gruppen und Szenen zerstritten und gespalten.

Alle ausser Männer? Vor dem Hintergrund dieser Debatten und unterschiedlichen Positionen ist es fahrlässig, wenn Gruppen nicht klar dazu Stellung beziehen, wen sie in ihren Frauen(*)und FLIT-Räumen willkommen heißen und wen nicht. Viele Räume sind offen für alle Personen, die keine Cis-Männer sind. Die Vorsilbe „cis“ ist das Gegenstück zu trans* und inter*. Damit sind jene Menschen bezeichnet, bei denen Geschlechtsidentität und bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht übereinstimmen. Manche Räume wie beispielsweise das Wiener Frauenzentrum richten sich ausschließlich an Cis-Frauen und Cis-Lesben.

Zudem gibt es Orte, die manche Personengruppen aus dem Trans*und Inter*-Spektrum akzeptieren, andere jedoch nicht. So sind in einigen Räumen neben Cis-FrauenLesben nur als Frauen oder weiblich identifizierte Trans*und Inter*Personen willkommen, Trans*Männer aber nicht. Andere Räume richten ihr Angebot hingegen nur an Trans*und Inter*Personen, die bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurden. Fragt mensch verschiedene Mitglieder der Organisation, was etwa mit dem Stern hinter Frauen* auf dem Einladungsplakat gemeint ist oder wen FLIT genau einschließt, folgt erfahrungsgemäß in vielen Fällen Schweigen. Das Team hat offenkundig selbst nicht darüber gesprochen, was und wer mit dem schicken Label Frauen(*)/FLIT gemeint ist.

Mitgemeint? Wenn bei einer Veranstaltung nicht angegeben wird, wer genau willkommen ist, ergibt sich für einige Besucher_innen oft eine unsichere Situation. Nämlich für jene, die vom hegemonialen Bild der Cis-FrauenLesben abweichen. Wer nicht als FrauLesbe gelesen wird, sucht Frauen(*)bzw. FLITRäume mit einem Kloß im Hals auf. Eine Trans*Frau kann sich etwa bei einem Event, das zur Einladungspolitik keine Informationen bereitstellt, nicht sicher sein, ob sie „mitgemeint“ ist und wie die Veranstalter_innen zu Trans*Personen stehen. Sie kann nicht abschätzen, ob sie an der Tür aufgehalten und abgewiesen wird. Oder ob ihr während der Veranstaltung vielleicht abschätzige Blicke oder körperliche Übergriffe drohen, wenn sie von Teilnehmer_innen für einen Cis-Mann gehalten wird, der sich unrechtmäßig Zutritt zu einem Frauen-Raum verschafft hat. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Räume, Gruppen und Events eindeutig offenlegen, wen sie wirklich ansprechen wollen.

Egal ob die Einladungspolitik Menschen jenseits von Cis-Lesben und Cis-Frauen ansprechen soll oder nicht: Wenn nicht gleich offengelegt wird, wer gemeint ist, geschieht das auf dem Rücken der oft mehrfach diskriminierten Nicht-Cis-Personen, die sich in eine ungewisse Position begeben müssen – oder gleich zu Hause bleiben. Selbst wenn sie „mitgemeint“ sind: Die anderen Besucher_innen haben die Einladungspolitik oft nicht gelesen und ihre eigenen Ideen davon im Kopf, wer (nicht) im Raum willkommen ist. Passive Aggressivität und übergriffiges Verhalten („Was machst du denn hier, das ist‘n Frauenraum!“) können auch in inklusiven Räumen die Folge sein, wenn nicht kommuniziert wird, wer dort sein darf.

Foto: Sarah Langoth

Eigene Formulierungen. Eine Möglichkeit, das Problem zu lösen, wäre es, Einladungen zu spezifizieren, statt sich eines vorgefertigten Labels wie FLIT zu bedienen. „Alle außer Cis-Männer“ ist viel eindeutiger als FLIT, weil nicht offen bleibt, ob auch männlich identifizierte Trans*und Inter*Personen gemeint sind, und es transportiert gleichzeitig, dass reflektiert wurde. Dadurch wird für weitere potentielle Teilnehmer_innen transparent, dass nicht nur Cis-Frauen gemeint sind. Auch „offen für alle, die sich weiblich identifizieren“ oder „alle negativ von Sexismus betroffenen Personen“ sind Möglichkeiten, eine spezifische Einschränkung der Teilnehmer_innen vorzunehmen.

Die Einladungspolitik selbstständig zu formulieren ist eine Möglichkeit für die Organisator_innen, sich darüber klar zu werden, wie die Ansprüche an Raum und Veranstaltung zusammenpassen. Ein Workshop zu sexistischer Diskriminierung etwa könnte sich nicht nur auf die Perspektive von cis-heterosexuellen Frauen beziehen, sondern die Erfahrungen von Menschen anderer Identitäten einschließen. Außerhalb des Geschlechts- und Begehrensaspekts gibt es noch andere Ausschlüsse, wenn es etwa immer weiße Personen ohne Behinderungen sind, die den Standard setzen und so die Perspektiven von People of Color und Menschen mit Behinderungen, die in den meisten Räumen in der Unterzahl sind, übergangen werden.

Die Türpolitik. Auch wenn ein Raum für verschiedene Menschengruppen geöffnet ist, fehlt häufig ein reflektierter Umgang mit der Diversität der Teilnehmenden. Vielen Veranstalter_innen ist nicht bewusst, dass es unmöglich ist, vom Aussehen einer Person auf deren Geschlechtsidentität zu schließen. Auf diese Weise erfahren betroffene Nicht-Cis-Personen, dass sie in diesem vermeintlichen Schutzraum nicht mitgedacht, sondern bestenfalls geduldet sind. Diese Art der Diskriminierung führt den Wunsch nach einem Raum für Austausch auf Augenhöhe ad absurdum. Zur Frage, wie das Problem des Doppelstandards umgangen werden kann, hat zum Beispiel Laura* auf ihrem Blog „HeteroSexismus hacken“ Anregungen gesammelt. Der vermutlich praktikabelste Ansatz wäre es, die Einladungspolitik am Eingang gut sichtbar zu machen und beim Einlass alle Menschen unabhängig von deren Äußerlichkeiten auf die Einladungspolitik hinzuweisen. Es gilt auch auszuprobieren, was funktioniert und was nicht – Hauptsache das eigene Verhalten wird reflektiert und Verantwortung dafür übernommen, statt sich hinter Labels zu verstecken.

Non Chérie studiert in Wien Japanologie und Gender Studies und macht so Queerkram.

*Sternchen in diesem Text weisen nicht auf Anmerkungen am Ende hin! Sie sind, wie öfter im progress, ein Zeichen für gendergerechte Sprache, die Menschen jenseits der Mann-Frau-Binarität einschließen möchte.