An einer KZ-Gedenkstätte arbeiten
Wer sind die Menschen, die im Vermittler_innen-Pool an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeiten? Warum tun sie sich das an und wie gehen sie damit um? Fünf Guides haben über ihren Bezug zu Arbeit, Ort und Motivation gesprochen und darüber welchen Platz sie dort besonders interessant finden.
Wer sind die Menschen, die im Vermittler_innen-Pool an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen arbeiten? Warum tun sie sich das an und wie gehen sie damit um? Fünf Guides haben über ihren Bezug zu Arbeit, Ort und Motivation gesprochen und darüber welchen Platz sie dort besonders interessant finden.
Die Portrait-Strecke ist der zweite Teil zum progress online Bericht Wo sich Vergangenheit und Gegenwart treffen - Mauthausen
„Wenn man hier lange arbeitet und sich jedes Mal schrecklich fühlt, dann ist das nicht gesund.“ -Stefan
Stefan studiert Jura in Linz und arbeitet nebenbei als Vermittler an der Gedenkstätte. Eigentlich wollte er schon 2011/12 als Zivildiener Rundgänge durchführen, was jedoch zu dieser Zeit nicht möglich war. Deshalb besuchte er den letzten Ausbildungsturnus und ist somit seit Anfang diesen Jahres Teil des Vermittler_innen-Teams. Der Gedenkstätte Mauthausen wendete er sich zu, da seine Großeltern in der Nähe wohnen, der Ort ihm also nicht fremd war und er stark an Geschichte interessiert ist. Deswegen macht er auch bald ein Auslandssemester in Krakau, wo er sich gern in die Materie vertiefen möchte und gespannt auf die Gedenkdiener_innen in den dort umliegenden Gedenkstätten ist.
Die meisten Leute aus seinem Umfeld finden seine Arbeit im Memorial toll, meint er, zieren sich aber, selbst zu kommen. So sieht er sich manchmal nicht nur als Vermittler vor Ort, sondern auch als Vermittlungsstelle nach außen, denn „viele Leute wollen her, brauchen aber eine private Einladung.“
Die Arbeit mit den Besucher_innen-Gruppen findet er spannend, obwohl er sich nach mehreren Schüler_innen-Gruppen auch mal auf älteres Publikum freut. „Jeder Rundgang ist unterschiedlich, manchmal ist es schwieriger sich auf die Menschen einzustellen, manchmal einfacher“, sagt er. Probleme mit Desinteresse habe er aber noch nie gehabt.
Sehr interessant findet er das spanische Denkmal am Denkmalhain. Dessen Hintergrund ist ein Beispiel dafür, wie kompliziert die Geschichte der NS- und Nachkriegszeit eigentlich ist. Nach der Ankunft der US-Armee im Lager der so genannten Befreiung, war es vielen Häftlingen nicht möglich nach Hause zurück zu kehren, so auch den Spanier_innen, welche fast 30 Jahre darauf warten mussten und sich danach vereinzelt auch in der Umgebung angesiedelt hatten. Fast alle Denkmäler in diesem Bereich der Gedenkstätte wurden von Staaten finanziert. Nicht so das spanische, was – wenn man an den dortigen Bürgerkrieg und Diktator Franco denkt – auch logisch erscheint. Deshalb hängt auch bei den Befreiungsfeiern im Mai am Denkmal nicht nur die aktuelle spanische Nationalflagge sondern auch die republikanische.
An einem solchen Ort Geschichte zu vermitteln, ist Stefan sehr wichtig. Und obwohl hier so viel Grausames passiert ist, verbindet er mit dem Ort mehr Positives als Negatives. Man trifft hier seine Kolleg_innen und interessante Gruppen und denkt nicht immer an den ganzen Schrecken, denn „wenn man hier lange arbeitet und sich jedes Mal schrecklich fühlt, dann ist das nicht gesund.“
Dass sich ein KZ inmitten einer offenen und wunderschönen Landschaft befand, damit rechnen die wenigsten. - Reinhard
Reinhard macht seit seinem Abschluss der dritten Vermittlungsausbildung Rundgänge an der Gedenkstätte. Im Jahr 2010 war er bereits als Zivildiener dort tätig und hatte sich anschließend unter anderem aufgrund seines großen Interesses an Zeitgeschichte für die Vermittlungstätigkeit entschieden.
Jeder Rundgang und jede Gruppe sei unterschiedlich, er findet aber alle Altersklassen interessant: „Zu Jüngeren habe ich vielleicht einen guten Zugang, weil ich selbst noch nicht so alt bin und ihnen einfacher auf gleicher Stufe begegnen kann. Aber generell hat auch jedes Alter des Vermittlers oder der Vermittlerin seine Vorteile.“
Er ist nicht ganz so oft hier, aber macht die Arbeit sehr gerne. Die Vermittlung von Geschichte ist ihm wichtig und bietet ihm außerdem eine Abwechslung zum Studium an der FH Steyr. Wegen seinem Studium würde er auch nicht hauptberuflich am Memorial arbeiten wollen.
Ein interessanter Aspekt an der Gedenkstätte ist für ihn der schöne Ausblick. Die beeindruckende Landschaft passe einfach nicht zu den Dingen, die damals hier geschehen sind. Genau das thematisiert er auch in seinen Rundgängen, was bei vielen Besucher_innen zu einem AHA-Effekt führt. Jede_r hat schon etwas darüber gehört und jede_r hat sich vor der Ankunft schon seine/ihre Meinung darüber gebildet. Dass sich dann ein KZ inmitten einer offenen und wunderschönen Landschaft befindet, sichtbar auf einem Hügel und nicht versteckt im Wald, damit rechnen die wenigsten. Dieser Kontrast eignet sich laut ihm besonders gut, mit den Besucher_innen über die damalige Zivilgesellschaft in der Umgebung und deren Mitwissen zu sprechen.
Das macht auch diesen Ort für ihn zu einem Ort der Aufklärung: „Ich sehe viel Aufklärungsbedarf und man muss Missverständnisse aus dem Weg räumen.“
„Es wird einem hier so viel Herzlichkeit und Dankbarkeit entgegen gebracht.“ - Silvia
Silvia ist seit 2 Jahren hauptberuflich an der Gedenkstätte tätig. Sie arbeitet im Bookshop, im Museum und wo sonst jemand gebraucht wird. Um sich noch mehr mit der Materie beschäftigen zu können, entschied sie sich zusätzlich an der letzten Vermittler_innen-Ausbildung teilzunehmen. Nun macht sie seit ca. einem Jahr Rundgänge an der Gedenkstätte - zwar nicht so oft, da diese außerhalb der hauptberuflichen Arbeitszeit stattfinden, was stressig ist, aber sie meldet sich, wann immer sie Zeit hat. Sie widmet sich dieser Arbeit sehr gern.
Die „Information“ bzw. der Bookshop, wie er genannt wird, ist für Silvia zentral. Hier hält sie sich die meiste Zeit auf und ist dort vor und nach den Rundgängen die erste und letzte Ansprechperson für ihre Kolleg_innen aus der Vermittlung und für viele Besucher_innen. Letztere kaufen dort die Tickets und/oder Literatur zum Thema, melden sich für Rundgänge an, leihen sich Audioguides, lassen sich von ihr den Weg erklären und erzählen auch hin und wieder über ihre Beweggründe die Gedenkstätte aufzusuchen. Häufig wird Silvia auch von Überlebenden bzw. deren Angehörigen angesprochen. Für die Gespräche mit ihnen nimmt sie sich gerne Zeit. „Sie berühren mich sehr“, sagt sie und fügt hinzu: „Es wird einem dort so viel Herzlichkeit entgegen gebracht. Einmal ist mir eine US-amerikanische Besucherin nach unserer Unterhaltung fast um den Hals gefallen.“
Als Vermittlerin und Festangestellte genießt Silvia den Kontakt und die Kommunikation in den unterschiedlichsten Sprachen mit den vielen verschiedenen Menschen, denen sie dadurch begegnet. Sie mag ihre Aufgaben an diesem Ort und empfindet die Auseinandersetzung mit ihm als sehr wichtig. Bevor sie nach Dienstschluss nach Steyr heimfährt, schließt sie mit dem Ort ab. „Man muss das tun, wie in anderen Tätigkeiten auch.“
„Wenn ich mir vornehme was zu ändern, dann ist das ein guter Ort, um das zu versuchen.“ - Casimir
Casimir ist schon vor längerer Zeit als Fremdenführer auf das „Vermitteln“ in Gedenkstätten gestoßen. Sein Großvater war in einem Konzentrationslager inhaftiert, was sein Interesse an der Tätigkeit geweckt hat. So begleitet er seit nun dreizehn Jahren Besucher_innen an der Gedenkstätte Mauthausen, gelegentlich auch am Lern-und Gedenkort Schloss Hartheim und im ehemaligen Mauthausen-Außenlager Ebensee. Teil des Vermittler_innen-Teams in Mauthausen ist Casimir seit der ersten Ausbildung, jedoch bietet er seine Dienste auch außerhalb dessen an, auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Er beginnt seinen Rundgang vor den massiven Mauern des ehemaligen Schutzhaftlagers. Dieser Bereich ist für ihn besonders interessant, denn hier werden die Besucher_innen zum ersten Mal mit ihren Vorstellungen und teilweise Hirngespinsten konfrontiert. Die Menschen bringen viele skurrile Ideen mit an diesen Gedächtnisort und genau dann, wenn sie das erste Mal vor den hohen Mauern stehen, sprudeln diese meist in Form von Fragen aus ihnen heraus: Wo denn die ganzen Juden umgebracht wurden oder ob das Geräusch (Bohren der Renovierungsarbeiten) eine Soundinstallation sei, die das Leiden nachahmen soll.
Als Guide am Memorial Mauthausen zu arbeiten bedeutet für Casimir nicht nur eine Einkommensquelle, sondern auch eine Möglichkeit sich darin auszuprobieren, die Welt zu retten. Die Gedenkstätte als Ort empfindet er als sehr vielfältig, was auch mit der eigenen Empfindlichkeit zusammenhänge. Deshalb ist es für Casimir sehr wichtig darauf zu achten, den Ort da zu lassen, wo er ist, auf dem Hügel. Ihn von dort mit nach Hause zu nehmen, tue nicht gut.
Dieser Gedächtnisort hat für ihn viele verschiedene Facetten, er sei ein Ort des Leidens und Vernichtens, ein Ort der Überlebenden, aber auch ein Ort der Hoffnung. Auch wenn Letzteres für viele Außenstehende skurril klinge, für Casimir ist die Gedenkstätte Mauthausen ein Platz, an dem man etwas leisten kann, damit gewisse Dinge nicht wieder passieren. Auch wenn man dann doch zuhause Nachwirkungen einer anderen Facette spürt. „Das Dort-Lassen funktioniert eben nicht immer.“
„Die Menschen sollen zum Nachdenken anfangen, nicht nur über die Vergangenheit, am besten über sich selbst“ - Barbara
Barbara studiert Kultur- und Sozialanthropologie und ist durch einen Kommilitonen auf die Vermittlungsarbeit an der Gedenkstätte Mauthausen aufmerksam geworden. Nun macht sie seit drei Jahren als Teil des Vermittler_innen-Pools vor Ort Rundgänge, wird aber bald auch eine Fixanstellung im Museum annehmen, um sich noch intensiver am Memorial einbringen zu können. Durch ihren Großvater, der aufgrund seines Engagements im Widerstand nahezu die gesamte NS-Zeit im Zuchthaus verbringen musste, besteht für sie ein starker Zusammenhang zwischen Arbeit und Familiengeschichte.
Die Vermittlungsarbeit bietet ihr die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen über ein so schwieriges Thema auszutauschen und diese zum Nachdenken anzuregen. Jene Interaktion sei ein Geben und Nehmen, man bekomme von der jeweiligen Gruppe meist auch immer viel zurück. Auch die Kolleg_innen sind ihr wichtig, um es an diesem schwierigen Ort auszuhalten.
Um die nötige Distanz zu dem schwierigen Platz gewinnen zu können, hilft ihr nicht nur die geographische Entfernung zwischen Mauthausen und ihrem Zuhause in Wien-Umgebung, auch die lange Autofahrt dahin nutzt sie, um sich etwaiger Nachwirkungen zu entledigen.
Der „Raum der Namen“ ist für sie ein besonderer Bereich, denn hier werden seit der Umgestaltung der Gedenkstätte die im Lagersystem getöteten Menschen mit ihrem Namen, in der jeweiligen Schrift (Kyrillisch, Griechisch, etc.) auf beleuchteten Glasplatten angeführt. „Er zeigt auf, wie divers wir Menschen sind“, sagt sie. „Wir haben verschiedene Sprachen und Schriften, wir sehen unterschiedlich aus usw... Aber was uns verbindet ist, dass wir alle Menschen sind. Wir sollten Respekt füreinander haben."
Der in unserer Gesellschaft oft fehlende Respekt für das Leben, habe den Nationalsozialismus erst möglich gemacht. Barbara möchte die Menschen zum Nachdenken anregen, nicht nur über die Vergangenheit, sondern am besten auch über sich selbst.