Schwarz-Blau: Was auf uns zukommt
Blumige Worte prägen den politischen Alltag. Kürzungen werden neuerdings Harmonisierung genannt. Sparen im System ist das neue Codewort für Zurückdrängen der Interessensvertretungen aus dem Sozialversicherungssystem. Aber welche Auswirkungen haben diese Vorhaben auf die arbeitenden und studierenden Menschen in Österreich? Die Bundesregierung hat sich bereits in ihren ersten 100 Tagen auf das Zurückdrängen von Interessensvertretungen geeinigt und fokussiert. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Senkung des aktiven Wahlrechts für Betriebsrät_innen. Diese Änderung hat zweierlei Folgen. Einerseits wird die betriebliche Vertretung von Lehrlingen, der sogenannte Jugendvertrauensrat, abgeschafft. Andererseits wird mit der gängigen Praxis gebrochen, dass Jugendvertrauensrät_ innen (JVR) in weiterer Folge ihre Arbeitnehmer_innenvertretung in Form des Betriebsrates fortsetzen. Vereinfacht gesagt schränkt dies die Anzahl von Nachwuchsbetriebsrät_innen ein. Dies hat sowohl für arbeitende Studierende als auch für Absolvent_innen, die vor dem Berufseinstieg stehen, massive Folgen. Jugendvertrauensrät_ innen sind es, die sich in Unternehmen für die Rechte von jungen Arbeitnehmer_ innen einsetzen und beispielsweise Weiterbildungsangebote für diese in Betriebsvereinbarungen verankern.
Sparen im System.
Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte in der Pressekonferenz zur Reform der Sozialversicherungen am 22.05.2018 an, dass die Verlierer_innen bei dieser Reform die Vertreter_innen des Systems sind. Betrachtet man allerdings alle Eckpunkte der Reform genauer, ist festzustellen, wer von ihr profitiert und wer leer ausgeht. Durch die sogenannte Strukturreform der Sozialversicherungen sollen Einsparungen von einer Milliarde Euro bis 2023 erreicht werden. Die Sozialversicherungsträger sollen auf vier bis fünf reduziert werden. Auch in der Selbstverwaltung soll gespart werden, ebenso im Verwaltungsaufwand. Aber was steckt hinter dem Prinzip der Selbstverwaltung? Unter Selbstverwaltung versteht man, dass Vertreter_innen von Arbeitnehmer_ innen und Arbeitgeber_innen selbst über die Geschicke im Sozialsystem entscheiden, der Staat hat eine reine Kontrollfunktion. Zukünftig soll es laut Plänen der Regierung eine Parität in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) geben. Das Ergebnis dieser Maßnahme ist, dass Arbeitgeber_ innen, obwohl sie nicht bei der ÖGK versichert sind und 2017 lediglich 28,7% der Beiträge gezahlt haben, gleich viel Stimmrecht bekommen wie die Arbeitnehmer_innenvertretung. Dies sorgt für ein Ungleichgewicht, da Arbeitnehmer_innen die restliche Beitragssumme aufbringen.
Wie viel kann hierbei wirklich eingespart werden?
Im Zuge der Debatte um die Einsparungen hat der Verband der Österreichischen Sozialversicherungsträger Factsheets gegen Fake-News publiziert, in denen festgehalten wurde, dass der Gesamtaufwand für Funktionär_innen 40 Cent pro Versicherter_m beträgt. Wobei auch festgehalten werden muss, dass 90% der Selbstverwaltungsarbeit ehrenamtlich ist. Das zeigt, dass hier kaum eine Einsparung von einer Milliarde möglich sein wird, selbst während der gesamten Legislaturperiode der Regierung wird diese Summe nicht erreicht werden können.
Sie spielen nicht nur mit Emotionen, sondern auch mit unserer Gesundheit.
Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) wurde vor eine Aufgabe gestellt. Wenn diese nicht erfüllt wird, soll die AUVA abgeschafft werden, gab Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein bekannt. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt soll 500 Millionen Euro einsparen, das sind rund ein Drittel des gesamten Budgets – eine Summe, die unweigerlich Leistungskürzungen mit sich bringt. Ansonsten droht die Auflösung, wodurch eine Übernahme der AUVA-Leistungen, beispielsweise von den Krankenkassen, notwendig würde und dadurch neue Belastungen für die Versicherten erscheinen würden. Das nur, weil man die Wünsche der Großindustrie nach einer Lohnnebenkostensenkung erfüllen will. In beiden Fällen könnte bevorstehen, dass die bisherige Unfallversicherung für Schüler_innen und Student_innen aufgelöst wird, da hier keine Beiträge zu zahlen sind, aber Leistungen in Anspruch genommen werden. Unfallversicherungsbeiträge werden im Gegensatz zu allen anderen Sozialversicherungsbeiträgen von der Arbeitgeber_ innenseite geleistet. Bei einer Auflösung steigen also die Kosten für Arbeitnehmer_innen.
An den Taten messen.
Kanzleramtsminister Gernot Blümel rief am 28. Dezember 2017 in der Sendung Zeit im Bild 2 dazu auf, die Regierung an ihren Taten zu messen. Hundert Tage später lässt sich ein Resümee ziehen, welches Blümels Ansprüchen gerecht werden sollte. Der Schlagzeilenpolitik folgen nun Taten, die eine harte Zäsur darstellen. Angefangen von Angriffen auf Gewerkschaften durch die Zurückdrängung von betrieblicher Mitbestimmung, bis hin zur Einführung von Studiengebühren, Umfärbungen im Sozialversicherungssystem und der Zerschlagung der AUVA. Auch wenn anzuerkennen ist, dass die Mehrheit der Wähler_innen den Regierungsparteien ihre Stimme gegeben hat, tragen wir alle die Verantwortung, Widerstand zu leisten, wenn die Regierung gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung arbeitet.
Nikola Ilic ist Wiener Jugendsekretär der GPA-djp, der Gewerkschaft für Studierende.