Pornos an der Schule
Pornographie hat längst im kulturellen und sozialen Leben von Kindern und Jugendlichen Fuß gefasst. Wieso sollte sie nicht Gegenstand des Sexualunterrichtes sein?
Pornographie ist ein Konsumgut unserer Gesellschaft. Man kann ganz nach eigenem Belieben im Internet darauf zugreifen. Die Suchkategorien sind vielzählig. Die Industrie richtet sich stark nach männlichen Interessen und expandiert, um möglichst viele sexuelle Vorlieben anzusprechen. Etwa 1,5 Milliarden Besucher_innen pro Monat verzeichnen allein die drei beliebtesten Seiten (Pornhub, xHamster und Redtube).
OMNIPRÄSENTES THEMA. Wir beschäftigen uns aktiv mit unserer Sexualität und tauschen uns mit Freund_innen über Erfahrungen aus. Gönnen wir uns kurz eine Pause, konfrontieren uns Medien und Werbung mit dieser Thematik. Pornografische Inhalte umgeben uns somit täglich und der soziale Druck ist da. Diese Einflüsse übertragen sich auch auf Kinder und Jugendliche. Trotzdem wird Pornographie tabuisiert und erscheint als Randthematik in der schulischen Sexualerziehung.
PURE ROMANTIK. An der University of Arkansas ergab eine inhaltliche Analyse der meist konsumiertesten Porno-Filme, dass in 89 % physische Aggression und in 49 % verbale Aggression angewendet wird, die hauptsächlich von Männer ausgeübt und von Frauen mit Vergnügen oder einem neutralen Verhalten geduldet wird. Bringt der offene und in vielen Fällen unkontrollierte Zugang zu Pornographie eine neue Generation kleiner gewaltbereiter Sexist_innen hervor, die von Liebe und Lust nichts wissen möchten?
In „Alles Porno?“ befasst sich Laura Kuhle anhand verschiedener Studien mit dem Sexualverhalten heutiger Kinder und Jugendlicher. Der Erstkontakt mit Pornographie erfolge durchschnittlich im Alter zwischen elf und zwölf Jahren. Etwa die Hälfte der befragten 16 bis 19-Jährigen geben an, mindestens einmal in der Woche Pornos zu konsumieren. Wo Mädchen Neugier, Spaß und Lernen angeben, steht die sexuelle Erregung und Selbstbefriedigung für Buben im Vordergrund. Um Auswirkungen und Einfluss des Pornographiekonsums zufriedenstellend zu erforschen, wären Langzeitstudien nötig. Mit keiner der herangezogenen Studien ließen sich jedoch „schädliche Auswirkungen auf das Sexualleben Jugendlicher und ihrer Lebensgestaltung“ belegen.
ÄNGSTE UND SORGEN. Dieses Differenzieren beherrschen aber nicht alle in gleichem Maße. Zwar lassen die Studien keine Rückschlüsse auf gewalttätige, sexistische oder misogyne Verhaltensweisen, doch stellt Kuhle gleichermaßen fest, dass Kinder durch Pornographie einen Leistungsdruck verspüren und damit überfordert, verunsichert und verängstigt seien. Die entscheidenden Komponenten hinsichtlich einer negativen Beeinflussung der Psyche und des Verhaltens bei Kindern und Jugendlichen sind „Medienkompetenz, eigene sexuelle Erfahrung, wahrgenommene Realitätsnähe der pornographischen Skripte, sowie das soziale und kulturelle Umfeld der Jugendlichen“. Sind diese Bereiche nicht genug entwickelt, erfolgt keine Differenzierung zwischen diesen Welten. Wo Mädchen sich fragen, ob sie gewisse Praktiken ausführen oder unterwürfig sein müssen, bedienen sich Buben des Porno-Jargons, um an ihrer männlichen Identität zu basteln und beschäftigen sich mit Leistungsfaktoren wie Ausdauer und Penisgröße.
KLARTEXT IN DER SCHULE. Es ist wichtig, dass sich Eltern möglichst früh mit der Aufklärung der Kinder beschäftigen und Fragen beantworten. Laut dem deutschen Sexualberatungsverband ProFamilia gehen diese Fragen mit zunehmendem Alter eher zurück, da dieser intime Thematik als unangenehm empfunden wird. Stattdessen wenden sich Kinder und Jugendliche an Gleichaltrige, um sich auszutauschen. Deswegen sollte die Auseinandersetzung mit Pornographie Teil der Sexualerziehung im schulischen Kontext darstellen.
In Großbritannien versucht man den Zugang zur Pornographie für Minderjährige mittels Gesetzen und Blockaden zu erschweren. Ob dieser Ansatz Früchte tragen wird, ist fraglich, wenn man bedenkt, wie technologieaffin jüngere Generationen sind. Während die dänische Forderung, Porno-Videos als Unterrichtsmaterial zu zeigen, etwas gewagt wirkt, könnten Lehrer_innen zumindest gezielt auf das Halbwissen der Kinder eingehen und damit arbeiten. Ein wesentliches Problem sei, laut dem Sexualwissenschaftler Konrad Weller, die nicht stattfindende frühzeitige Begleitung sexueller Sozialisation. Stattdessen werde eine Verwahrlosungsdebatte geführt, in der Kinder und Jugendliche zu „präsexuellen Wesen verklärt werden“.
M. Liebon studiert Rechtswissenschaften an der Universität Wien.