Zweimal hingehört
Žen Suncani ljudi
Marie Luise: Die kroatische Band „ŽEN“ hat im Jänner ein weiteres Album unter dem queerfeministischen Wiener Label Unrecords herausgebracht. Der Titel „Sunčani ljudi„ bedeutet übersetzt so etwas wie „sonnige Leute“. Die vielreisende Band hat in einigen großen Städten Europas einen Stamm an Fans und Bewunder_innen gefunden. Sie definieren die eigene Musik als „psy indie rock“ und sich selbst als audiovisuelle Band, weil sie immer mit einer Frau auftreten, die live Visuals zur Musik fabriziert. Die Klänge der Lieder sind verträumt und entführen in mit Synthesizern unterlegte Sphären. Die Texte sind durchwegs kroatisch. Zu ihrem Lied „Pusti me da hodam“ („Lass mich gehen“), das auch auf dem neuen Album vertreten ist, ist ein Musikvideo erschienen, in dem ein Mann im Rollstuhl mit seinen Hunden zu sehen ist. In den verträumt wirkenden Aufnahmen fährt er zu einem Wasserfall, geht baden und lässt sich tätowieren. Die drei Musikerinnen haben das Album aufgenommen, während sie mehrere Europa Touren unternahmen und ihren Kampf um das Überleben des Autonomen Zentrums in Zagreb führten, in dem sie proben und aufnehmen. Live reißt diese Band mit, berührt das Publikum, und hinterfragt Gender-Stereotype.
Katja: Auch wenn das Album „Sunčani ljudi“ von Žen schon im Jänner erschienen ist, wollten wir es in dieser Ausgabe besprechen. Einerseits, um endlich mal eine Platte des tollen Wiener Labels Unrecords vorzustellen, welches schon zwei andere Alben von Žen veröffentlicht hat und außerdem noch Artists wie Aivery oder Petra und der Wolf im Katalog hat. Andererseits, weil „Sunčani ljudi“ – siehe Übersetzung von Marie Luise – erst jetzt im Sommer so richtig gehört werden kann, wie es dem Lied gebührt, mit einer ordentlichen Portion Sonne am Himmel und dem ein oder anderen Spritzer am Balkon oder im Park. Žen kann man in die Genres Post Rock oder Math Rock einordnen, für beide Schubladen sind sie meistens aber viel zu fröhlich und gut gelaunt. Nicht immer, wohlgemerkt, aber diese Band passt auf einem Festival wohl am ehesten auf die Nachmittagsbühne. Zur Musik lässt sich am besten chillen und in der Wiese liegen. Eine Afterhour kann man auch gut damit beschallen und bevor ich beginne, Tipps zum Drogenkonsum dazu zu liefern, höre ich lieber auf mit dieser Art der Beschreibung.
Vague Land
Marie Luise: „Land“ ist die dritte Platte der Wiener Band Vague und wird Mitte Juni bei dem Wiener Label Siluh erscheinen. Sie klingt gitarrenlastig, sensibel und unaufgeregt. Die Lieder fliegen dahin wie grüne Hügel, denen man aus einem Zugfenster zusieht. Es gibt keine großen Löcher oder Brüche, die Lieder greifen ineinander und ab und an sind eingespielte Klänge zu hören. Alles passt, als wäre es aus einem Guss, stilsicher und klar. Die Lyrics treten in den Hintergrund und ziemlich schnell nachdem man in eines der Lieder hineingehört hat, werden die Melodien vor allem von den gesungenen Worten getragen, die mit weichen Stimmen und ab und zu Kopfstimmen vorgetragen werden. Aufgenommen und produziert wurden die Songs und eingespielten Interludes von der Band selbst, die sich so mehr Raum für unkonventionelle Zugänge ermöglicht. Vague arbeiteten erstmals mit einem Saxofonisten zusammen und erweiterten ihre Instrumentation nun um Keyboard-Sounds und Drumcomputer. Insgesamt ist Vague mit „Land“ ein harmonisches und gefälliges Album gelungen – und das ist keinesfalls negativ gemeint.
Katja: Eine Band, um die man in Wien nicht herumkommt: Vague. In so ziemlich jeder Konzert-Location der Stadt haben sie schon gespielt und am 15. Juni werden sie in der Arena ihr neues Album live präsentieren. Darauf finden sich viele Facetten der Band, die auch schon auf ihrer EP und dem Vorgängeralbum „In the Meantime“ zu hören waren und ihren Sound ausmachen, vor allem Empfindsamkeit und gleichzeitige Leichtigkeit des Seins. Bei „Land“ hört man aber neben dem Lo-Fi- Gesang sofort eine perfektionistische Ader heraus, die vermutlich damit zu erklären ist, dass das Album auch selbst produziert wurde. Zwar liegt der Schwerpunkt auf Improvisation und Zufall, doch ist nichts an „Land“ roh. Die Songs greifen ineinander wie ein Uhrwerk, funktionieren ohne Störung und Unterbrechung wunderbar als komplettes Album. Die Band selbst nennt ihren Stil Post-Indie-Pop. Manchmal ist ein bisschen Shoegaze und beizeiten auch Post-Rock zu hören. Das Ganze könnte ein bisschen mehr Biss und Aufregung vertragen, doch eigentlich hat es Marie Luise mit „harmonisch und gefällig“ gut auf den Punkt gebracht. Das ist eben keine Kritik, sondern nur ein Hinweis, bevor man sich die Platte anhört.
Marie Luise Lehner studiert Drehbuch und Ton an der Filmakademie Wien.
Katja Krüger hat Slawistik und Germanistik an der Universität Wien studiert.