Universität in Zeiten von Bologna
Ein vor Kurzem erschienener Sammelband behandelt wichtige Debatten zum Bologna-System. Katharina Walbert hat ihn für progress rezensiert.
Ein vor Kurzem erschienener Sammelband behandelt wichtige Debatten zum Bologna-System. Katharina Walbert hat ihn für progress rezensiert.
Seit dem Beschluss in der italienischen Stadt Bologna Ende der 1990er Jahre wird an einem einheitlichen Hochschulraum gebastelt. Das zweistufige System von Bachelor und Master sowie die Einführung eines Leitpunktesystems (ECTS) sind dabei die wichtigsten Neuerungen. Als Ziele werden unter anderem leicht vergleichbare Abschlüsse, europäische Zusammenarbeit und lebenslanges Lernen genannt. Universität soll internationaler werden, wettbewerbsfähig, sie soll Verständnis und Akzeptanz zwischen den Kulturen schaffen und allen Lernenden die gleichen Chancen bieten. Bis heute wird der Bologna Prozess jedoch auch immer wieder kritisiert.
2012 erschien nun der Sammelband „Universität in Zeiten von Bologna. Zur Theorie und Praxis von Lehr- und Lernkulturen“. Verschiedenste ExpertInnen, WissenschaftlerInnen und auch Lehrende und Lernende kommen zu Wort, erläutern ihre Sicht zu den Entwicklungen seit und durch Bologna sowie zur derzeitigen Situation unseres Hochschulsystems. Auch wird die Geschichte der Universität von der Antike bis heute ausführlich beleuchtet.
Bologna wird durchaus auch kritisch beurteilt, zwischendurch taucht sogar die Frage: „Wozu überhaupt noch Universitäten?“ auf. Schnell wird aber klar, dass Lernen ausschließlich über Internet und Fernstudium wohl nicht immer die beste Lösung ist und Universitäten auch in Zukunft noch wichtig für uns sein werden.
Weiters werden verschiedene Modelle zu einer idealen Universität präsentiert, wie zum Beispiel in einem Artikel über die „Drei Phasen eines idealen Bachelor Studiengangs“. Alles dreht sich um die Frage, wie Universität bestmöglich gestaltet werden kann und eventuelle Probleme gelöst werden.
Ein Schwerpunkt liegt auf Gender- und diversitätsgerechtem Lehren und Lernen, dem ein eigenes von insgesamt fünf Kapiteln gewidmet ist. Wie kann man es schaffen, Vorurteile abzubauen, nicht mehr in vorgefertigten Mustern und Schubladen zu denken und Mobilitätshemmnisse – körperliche wie auch interkulturelle abzuschaffen. Was kann man dafür tun, dass auch Studierende und Lehrende, die beispielsweise sehbehindert oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, die gleichen Möglichkeiten haben und sich in der Universität genauso gut zurechtfinden? Was muss getan werden, damit Verständnis und gegenseitiger Respekt zwischen Kulturen wächst? Diesen Fragen widmet sich der Sammelband. Sehr wichtige Themen, die wie der Sammelband zeigt in der Debatte um den Bologna-Prozess nicht zu kurz kommen dürfen.
„Universität in Zeiten von Bologna“ verschafft einen guten Überblick zu einem komplexen Thema, zeigt verschiedene Standpunkte und Meinungen und ist durch die Mischung aus Lehrenden und Studierenden, die zu Wort kommen, durchaus praxisnah. Insgesamt ein wichtiges Buch für alle, die mehr über unser Bildungssystem erfahren wollen.
Universität in Zeiten von Bologna. Zur Theorie und Praxis von Lehr- und Lernkulturen, Herausgeber: Brigitte Kossek/ Charlotte Zwiauer , V & R unipress GmbH, 2012