Jan Marot

Am toten Winkel der Welt

  • 13.07.2012, 18:18

Seit Dekaden pochen die aus Marokko vertriebenen BewohnerInnen der Westsahara auf staatliche Souveränität. Mangels diplomatischer Lösung während einer UN-Waffenruhe setzen seit 2005 vor allem StudentInnen auf zivilen Ungehorsam und einen durch den Arabischen Frühling verstärkten Aufstand in den besetzten Gebieten.

Seit Dekaden pochen die aus Marokko vertriebenen BewohnerInnen der Westsahara auf staatliche Souveränität. Mangels diplomatischer Lösung während einer UN-Waffenruhe setzen seit 2005 vor allem StudentInnen auf zivilen Ungehorsam und einen durch den Arabischen Frühling verstärkten Aufstand in den besetzten Gebieten.

Er wird des Teufels Vorgarten genannt. Der Süden der algerischen Sahara, nahe der verminten Grenze zu Marokko, verdeutlicht, dass die Wüste in ihrer Trostlosigkeit variiert. Hierher, wo nicht eine Akazie auf ihre Existenz beharrt und keine Dattelpalmen Oasen umsäumen, sind die Saharauis, die BewohnerInnen der Westsahara, vor fast 40 Jahren vor der marokkanischen Armee geflüchtet. Ein vergessener Konflikt, der bis heute auf eine Lösung wartet.
Trotz seiner reich vorhandenen Phosphatvorkommen wurde Spanien 1975 seiner Kolonie Fluss des Goldes (span. Rio de Oro) überdrüssig und verließ den Westen der Sahara.
Die Saharauis führten bereits seit 1973 mit der von Mohamed Abdelaziz mitbegründeten Frente POLISARIO einen Guerillakrieg gegen Spanien und Frankreich. Während mauretanische Truppen, die ebenfalls Gebietsansprüche in der Westsahara stellten, 1979 zermürbt wurden, scheiterte der Widerstand der Saharauis gegen Marokko.
Als die Vereinten Nationen (UN) 1990/1991 schließlich einen Waffenstillstand erwirkten, war ein Referendum über die Selbstbestimmung der Saharauis vorgesehen – unter Einbeziehung derer, die unter marokkanischer Besatzung leben, getrennt durch einen 2.700 Kilometer langen „Wall der Schande“. Abgestimmt wurde jedoch bis heute nicht, während Marokkos Königshaus über Niedrigsteuern seine Art der Kolonialisierungspolitik betreibt. Lokale Arbeitskraft wird gebraucht – für Bergbau, Fischerei, Infrastruktur, im Tourismus und für Solarkraftwerke, die in Zukunft auch Europas Netze laben sollen.

Verhaftungen, Folter, Mord. Im Zuge des Konfliktes hat sich eine Form der Apartheid etabliert, warnt die saharauische Menschenrechtsorganisation Afapredesa. „Saharauis werden in Marokko als minderwertige Menschen behandelt“, so deren Präsident Abdeslar Omar im algerischen Rabouni, eines von mehreren Flüchtlingslagern im Umkreis von Tindouf. Dort leben zwischen 80.000 und 160.000 Saharauis und auch die Exilregierung der Demokratischen Arabischen Republik Westsahara (RASD) hat hier ihren Sitz. Es herrsche ein „kontinuierlicher Terror“ gegen die in Marokko lebenden Saharauis“, klagt Politologe Omar: vom „Verschwindenlassen“ und wahllosen Verhaftungen über Folter bis zum Mord – „schwerste Menschenrechtsverletzungen, doch deren Überwachung ist nicht Teil des UN-Mandats“.
Zwar haben sich die Konfliktparteien darauf geeinigt, Saharauis Kurzreisen aus den Lagern zu gewähren, aber viele Familien sind seit Dekaden getrennt. Tausende Anträge habe Marokko abgelehnt, und „viele, die reisen durften, wurden schikaniert, attackiert, verhaftet und misshandelt“. Mohamed Hassanna (26) erwirkte ein Wiedersehen mit seinen Angehörigen per Hungerstreik. „Zig meiner Anträge waren abgewiesen worden, da ich mich für eine unabhängige Westsahara ausgesprochen habe“, sagt Hassanna. Über einen Monat harrte er aus, an den Zaun der kleinen UN-Dependance gekettet. „Mit Erfolg“, sagt er den Tränen nahe. Fünf Tage durfte er seine Familie sehen.
Seit über sechs Jahren begehrt auch eine junge Generation von Saharauis in den von Marokko besetzten Städten auf. Aber auch gegen die studentisch organisierte Protestwelle wird massiv vorgegangen. „Ein Studienkollege von mir ist bei einem Protest verhaftet und in Gewahrsam ermordet worden“, sagt Ahmed Salem (24), Wirtschaftsstudent aus dem marokkanischen Agadir. Kein Einzelfall, und doch will Ahmed weiter demonstrieren. Er fordert einen saharauischen Staat und Gerechtigkeit für die Hunderten von Opfern. Deren Namen füllen eine meterlange Wand beim Büro der NGO Afapredesa.
„Wir Saharauis fürchten uns nicht mehr“, sagt sich Mohamed Abdelaziz, Generalsekretär der Frente POLISARIO und seit 1976 Präsident der RASD: „Wir haben vierzig Jahre der Erniedrigung durchlebt und werden nicht ewig an diesem Grad festhängen.“ Auf das studentische Aufbegehren, das er „parallel zu anderen friedlichen Bewegungen des Arabischen Frühlings“ sieht, ist er stolz. Der Widerstand werde „weitergehen und wachsen“. Marokko stehe nunmehr einer „Doppelbelastung“ gegenüber – dank der Protestbewegung des 20. Februar, deren Forderungen von der regierenden islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung völlig ignoriert wurden. „Das saharauische Volk zu unterdrücken und dem eigenen Volk grundlegende Rechte abzusprechen, ist nicht lange durchzustehen.“
Aber die Situation der saharauischen Flüchtlinge bleibt vorerst prekär: Ohne die UNHCR-Flüchtlingshilfe, staatliche Nahrungsspenden und die Unterstützung durch private Vereine, die „Solidaritätskarawanen“ organisieren, wären Bildung und Gesundheitsversorgung undenkbar. Mangelernährung ist weit verbreitet.

Von Klagenfurt ins Krisengebiet. Aus diesem Grund hat sich rund um den Soziologen Hubert Höllmüller an der Fachhochschule Kärnten eine Initiative formiert, die mit dem Bildungsministerium der RASD kooperiert. Ende Oktober 2011 wurde in Klagenfurt ein VW-Bus samt Anhänger mit PCs, der Ausstattung eines ersten Turnsaales und Lehrmaterialien bepackt, um via Marseille und Oran in die Sahara zu den Lagern bei Tindouf zu fahren. Begleitet wurden die FH-MitarbeiterInnen und Studierenden stets vom algerischen Militär, das sich zu Recht um AusländerInnen sorgt. Am Tag der Abreise des Teams [an dem sich auch der Autor beteiligte, Anm. d. Red.] wurden just in Rabouni drei NGO-MitarbeiterInnen von der Al Kaida des islamischen Maghreb entführt. Noch sind sie nicht freigekommen.
Die Zahl der freiwilligen HelferInnen sinkt seither. Und angesichts der Wirtschaftskrise nehmen auch Hilfstransporte aus Spanien und Italien ab. Das erschwert die Umsetzung der ehrgeizigen Pläne der RASD-Bildungsministerin Mariam Salek Hmada. Sie will mit internationalen PartnerInnen eine erste Universität in Tifariti umsetzen. „Bildung ist der Schlüssel zum Leben, wenn auch oftmals fern der Lager“, sagt Hmada. An Lehrbüchern mangelt es, die maroden Unterrichtsräume sind überfüllt, Atemwegserkrankungen weit verbreitet, und doch schafft das Gros den Schulabschluss nach algerischem Standard. Knapp 20.000 Saharauis studieren in Algerien, aber auch in Kuba und Venezuela. Hmada weiß, dass „viele junge Saharauis daran denken, zu den Waffen zu greifen“. Sie rät zur Bedachtsamkeit: „Ich habe nicht an zivilen Ungehorsam geglaubt. Aber das ist der Weg.“
 

Entfesselung der Empörung

  • 13.07.2012, 18:18

Für soziale Gerechtigkeit, für die „wahrhaftigkeit“ der Politik statt deren „unterwerfung unter Märkte“und für die Chance auf ein würdevolles Leben gehen abertausende „Empörte“ in Portugal und Spanien auf die Straße. Sie starten dabei eine Revolution auf Raten, die sich zusehends globalisiert.

Für soziale Gerechtigkeit, für die „wahrhaftigkeit“ der Politik statt deren „unterwerfung unter Märkte“und für die Chance auf ein würdevolles Leben gehen abertausende „Empörte“ in Portugal und Spanien auf die Straße. Sie starten dabei eine Revolution auf Raten, die sich zusehends globalisiert.

Sie zelteten im Zentrum Madrids an der Puerta del Sol, in Mailand vor der Börse, skandierten zu Hunderttausenden Parolen. Sie forderten soziale Gerechtigkeit im israelischen Tel Aviv und selbst in Santiago de Chile sekundierten über eine Million DemonstrantInnen die Forderung nach einer neuerlichen Verstaatlichung des Bildungssektors. Stets gewaltfrei und mit zivilem Ungehorsam – und konfrontiert mit Attacken seitens der Polizei, die in Madrid und Barcelona mit Schlagstöcken gegen die DemonstrantInnen vorging, die in Athen Wasserwerfer, abgelaufenes Tränengas und brutale Körpergewalt einsetzte und in Chile ebenfalls Tränengas gegen die StudentInnen anwandte.
Die Proteste, die in Portugal am 12. März dieses Jahres mit der so genannten Geração à rasca (dt. „Generation in der Bredouille“) begonnen hatten, schwappten prompt nach Spanien über, wo die Plattform Wahre Demokratie, jetzt – initiiert von Jon Aguirre Such – am 15. Mai in Massendemonstrationen landesweit aufbegehrte. Die Bewegung gewann eine Eigendynamik und wächst weiter, global wie lokal. Es scheint, als fände der beherzte Aufruf des einstigen Widerstandskämpfers gegen Nazi-Deutschland, Stéphane Hessel (93), in seinem Essay „Empört Euch!“ in Iberien den größten Widerhall. Als der Résistance-Veteran Anfang September nach Madrid geladen war, fehlten ihm fast die Worte: „Die Protestbewegung ist etwas Wunderschönes. Spanien, wie die Welt ganz generell, sie sollten sich vom Neoliberalismus verabschieden.“

Murmeltiertagsgefühl. „Nein, sie vertreten uns nicht!“, „Die Revolution hat begonnen!“ oder „Sie nennen es Demokratie, es ist ein Polizeistaat!“ sind einige der vielen Protestrufe der unzähligen spanischen „Empörten“ (span. indignados). Eine „verlorene Generation“, die sich von den aus ihrer Sicht „wirtschaftshörigen“ Großparteien, seien es SozialistInnen oder die rechtskonservative Volkspartei, ihrer Zukunft beraubt fühlt. Dabei geht es unter anderem um würdevolles Arbeiten und Wohnen, sowie um Parolen wie „Eure Krise bezahlen wir nicht“, gegen „die Märkte“, die „Rating-Agenturen“ oder die „Banken- Rettungen“. Die Unterwerfung der Politik durch die „Märkte“ gelte es zu brechen, ebenso die „Zweiparteien-Diktatur“, welche seit 36 Jahren die spanische Politik charakterisiert. So treten die indignados für die Stärkung der Kleinparteien und parlamentarische Pluralität, gegen politische Korruption und Sinnlosigkeiten per Finanzierung aus der Staatskasse an. Bei einem Blick auf die Ansprachen spanischer Ministerpräsidenten seit Leopoldo Calvo-Sotelo im frühen demokratischen Spanien um 1981 über Felipe González bis zu José Maria Aznar, kommt ein Murmeltiertagsgefühl auf: Auf deren Agenda standen seit jeher Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise und die Verbesserung des Zugangs zu Wohnungen für die junge Generation. Nach wie vor werden diese Themen gebetsmühlenartig in die TV-Kameras posaunt.

Heute hat beinahe jedeR zweite unter 30Jährige in Spanien keinen Job. AkademikerInnen streichen mitunter ihre Titel aus dem Lebenslauf, um überhaupt noch eine Anstellung, freilich prekär, zu erhalten. 45,7 Prozent Arbeitslosigkeit bei den Jungen – das ist ein Wert, der sich nicht nur seit Krisenbeginn verdoppelt hat, er erscheint im EU-Vergleich außerirdisch. Viele, die zu Boomzeiten noch gelockt von den Gehältern der Bauund Tourismusindustrie Schule und Studium abgebrochen haben, zählen heute zum paradox erscheinenden Kollektiv der „jungen Langzeitarbeitlosen“.

Arbeitslos vs. Auswandern. César Corrochano ist einer von vielen, die sich empören und sich von Anfang an der Bewegung angeschlossen haben. Vor dem Abschluss seines Architekturstudiums in Madrid stehend, lebt der 29Jährige wie das Gros seiner AltersgenossInnen noch im Elternhaus. Mit seinem „Gehalt“ für einen Uni-Halbtagsjob à 470 Euro (zehn Bezüge jährlich) ist ein WG-Zimmer (ab 350 Euro aufwärts) illusorisch. Sozialversicherung ist ein Fremdwort für ihn und auch Jobbewerbungen hat er nach zig Absagen satt: „Entweder ich wechsle mein Berufsfeld, oder ich wandere aus“, sagt Corrochano: „Vielleicht auch nach Deutschland.“ Immerhin hat er sein Erasmus-Semester in Hannover verbracht, und spricht fast akzentfrei „einbisschen Deutsch“, wie er bescheiden sagt. Zahlreiche KollegInnen wären bereits in Berlin, Paris oder eben in Panama oder Chile in Büros tätig, um der Hoffnungslosigkeit der „verlorenen Generation“ Iberiens zu entfliehen. Von der Politik ist er schwer enttäuscht: „Egal was man wählt, verändern wird sich nichts“, beklagt er. Ein Großteil der PolitikerInnen sei „auf ihren persönlichen Vorteil erpicht und hat den Kontakt zur Bevölkerung ohnehin längst verloren“. Darum fordert er „eine fairere Welt“ ein, „die definitiv möglich sei“.

Worte der Unterstützung äußerte auch der international angesehene Richter Baltasar Garzón. Er wünscht sich, dass „die 15M-Bewegung zu einer dauerhaften Institution“ wird. Und so manches, das auf den „Volksversammlungen“ der indignados auf unter dem Motto „Yes, we camp“ errichteten Zelt-Plätzen landesweit debattiert wurde, steht bereits auf der Agenda der Realpolitik, wenn auch stark abgeschwächt: Der Schutz der vor der Enteignung stehenden Hypotheken-kreditnehmerInnen und ein Transparenzgesetz wider die Polit-Korruption, wie von den „Empörten“ gefordert, ist mittlerweile in Vorbereitung. Immerhin wurden die Vermögenswerte aller Abgeordneten offengelegt. Außerdem steht eine Wahlrechtsreform an, die die Kleinparteien stärken soll. Denn das D’Hondtsche Wahlsystem, das übrigens auch in Österreich angewandt wird, benachteiligt diese bisher. Ein Blick zurück auf den Wahlgang von 2008 veranschaulicht das. Die Vereinigte Linke errang knapp 960.000 Stimmen, erhielt jedoch lediglich zwei Abgeordnete. Ein Sitz „kostete“ die fast 500.000-fache Bekundung des WählerInnenwillens. Die Großparteien errangen mit je zehn und elf Millionen Stimmen hingegen 169 (Sozialisten) und 154 (Konservative) Sitze im Parlament – einen pro 65.000 Stimmen.

Erst der Anfang. Der streitbare Philosoph Fernando Savater empört sich hingegen über die „Empörten“: Diese seien so unbedeutend wie ein „Kistchen Gartenkresse“. Der Soziologe Kerman Calvo, Professor an der Universität Salamanca und Autor einer ersten wissenschaftlichen Expertise über die spanische Protestbewegung, sieht die Bewegung hingegen erst am Anfang. „Sie stehtauf keinen Fall vor ihrem Ende. Ganz im Gegenteil“, sagt er. Sie sei „in eine Phase der Selbstdefinition eingetreten und lege nun ihre Prioritäten fest“. Der spanische staatliche Rundfunk gab zuletzt die Zahl jener, die „in irgendeiner Form an der Protestbewegung mitgewirkt“ hätten, mit bis zu acht Millionen an – in einem Land, das knapp 47 Millionen EinwohnerInnen zählt. Die Vernetzung der Bewegung geschieht nicht einzig über Twitter per Hashtags wie #15M, #spanishrevolution, #tomalaplaza und Facebook. Auf eigenen Blogseiten der zahllosen lokalen Volksversammlungen werden auch zu regionalen Themen Lösungsansätze debattiert. Denn ein Mausklick auf „Gefällt mir“ alleine ist keineswegs ein revolutionärer Akt.

Lokale Stärke. „Neben unseren Blockade-Aktionen gegen die polizeilichen Delogierungen säumiger HypothekenkreditnehmerInnen, ist das das Gebiet, über das wir derzeit den größten Zuwachs verzeichnen“, sagt Marta Cifuentes (28)aus Granada: „Über lokale Themen, wie etwa die Schließung einer Bezirksbibliothek, kommen wir an einen breiten Personenkreis, der uns sonst nicht kennen würde.“ Sie hat Psychologie fertig studiert und widmet sich nun – aus „purem Interesse“ – einer Kunstausbildung im Bereich-Schmuckdesign. Seit Beginn der Proteste ist Cifuentes Teil der 15M-Bewegung. „Ich war bei der Demo im Mai, und zwei Tage später erfuhr ich, dass die Ersten ein Protestcamp errichtet hatten. Ich bin sofort hingegangen“, sagt sie. „Es ist fast unglaublich, wie schnell wir uns organisiert hatten. Binnen weniger Tage hatten wir eine Gemeinschaftsküche, einen Kindergarten, eine Bibliothek, ja selbst psychologische Betreuung leisteten wir im Camp“, sagt Cifuentes, merkt jedoch an: „Bei denjenigen, die Wochen im Freien geschlafen hatten, merkte man deutlich den psychischen Verfall. Manche wurden fast paranoid.“

Zwar wird der kommende Urnengang anlässlich der Parlamentswahlen am 20. November mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einer absoluten Mehrheit der konservativen Volkspartei münden. Enttäuscht von den SozialistInnen unter Zapatero, wenden sich viele WählerInnen der Rechten zu – selbst wenn diese nostalgisch der Diktatur unter Francisco Franco und José Antonio Primo de Rivera, dem Gründer der faschistischen Falange Española de las J.O.N.S., huldigen.

Weiß oder Wahlboykott. „Die vorgezogenen Parlamentswahlen eröffnen ein ideales Zeitfenster für neue 15M-Proteste“, meint der Soziologe Calvo. Doch selbst wenn sich ihr Widerstand gegen beide Großparteien, SozialistInnen wieKonservative, richte, werde „ihr Einfluss auf das Wahlergebnis sehr gering sein“, prognostiziert er: „Die meisten Protestierenden sehen sich nahe der Linken oder sind NichtwählerInnen.“ In der Tat, noch bei den Kommunalwahlen im Mai waren sie laut, die Stimmen, die zum Wahlboykott oder zum durchwegs beliebten „Weiß-Wählen“ (die ungültige Stimme wird gezählt, aber keiner Partei zugerechnet, was die Großparteien minimal schwächt) aufriefen.Nun jedoch – „um einen Erdrutschsieg der Konservativen zu verhindern“, wie die Aktivistin Cifuentes sagte – wollen zumindest Teile der Bewegung von ihrem Recht Gebrauch machen. Im Wahlkampf werden sie ohnehin nicht untergehen: 15M-Delegierte reisen quer durch Europa und um die ganze Welt, um sich persönlich auszutauschen. Einem Sternmarsch aus allen Provinzen gen Madrid folgte einer nach Brüssel, wo die „Empörten“ am 15. Oktober eintreffen wollen. Am selben Tag sind Großkundgebungen in ganz Spanien anberaumt und die Online-AktivistInnen des Kollektivs Anonymous, das die spanische 15M-Bewegung unterstützt, kündigte eine zu Redaktionsschluss noch nicht näher definierte Aktion für den Wahltag, die „OP20N“ an.

 

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