Gregor Wakounig

Good Cop, Bad Cop, Robocop

  • 13.07.2012, 18:18

Zwei Demonstrationen, zwei Autoren, zwei Welten. PROGRESS hat zwei Autoren darum gebeten, eine Reportage über ihre jüngsten Erlebnisse auf antifaschistischen Demonstrationen zu schreiben. Einmal in Frankfurt, einmal in Wien

Zwei Demonstrationen, zwei Autoren, zwei Welten. PROGRESS hat zwei Autoren darum gebeten, eine Reportage über ihre jüngsten Erlebnisse auf antifaschistischen Demonstrationen zu schreiben. Einmal in Frankfurt, einmal in Wien

Wien, 29. Jän. 2010

Der Europaplatz ist Ausgangspunkt vieler Demonstrationen in Wien, von hier aus lässt es sich gut die Mariahilferstraße entlangziehen, was für Aufmerksamkeit sorgt. Am 29. Jänner dieses Jahres kommen die DemonstrantInnen jedoch nicht voran. Der gesamte Platz wurde von der Polizei mit Tretgittern umstellt. Da sich die hunderten versammelten AntifaschistInnen aber ihr Recht nicht nehmen lassen wollten, gegen den Ball des teilweise rechtsradikalen Wiener Korporations-Ringes zu protestieren, versuchten viele, die Absperrungen zu durchbrechen. Die Polizei antwortete mit Knüppeln.
Trotz lautstarken Protests werden immer wieder Menschen ohne ersichtlichen Grund festgenommen. Pfefferspray liegt in der Luft und hinter der Polizeikette wird drohend ein Wasserwerfer in Stellung gebracht. „Nur raus hier!“, denken sich die meisten Demonstrierenden. So einfach geht das aber nicht. Die Polizei lässt die Leute nämlich nur tröpfchenweise und gegen Herausgabe der Daten aus dem Kessel. Die Daten werden nun dazu verwendet, die AktivistInnen nach dem Versammlungsgesetz anzuzeigen, da sie sich auf einer verbotenen Kundgebung befanden. 

„WEGA-Beamte beamtshandeln“. Szenenwechsel: Am Schwedenplatz versammeln sich an die 150 Menschen, von denen es einige irgendwie aus dem Kessel am Europaplatz geschafft haben. Sie wollen den Protest gegen Polizeigewalt und den WKR-Ball in die Innenstadt tragen. Noch bevor sie aber richtig loslegen können, baut sich vor ihnen ein massives Polizeiaufgebot inklsuive Wasserwerfer auf. „Wir demonstrieren wo wir wollen, gegen Repressionen und Kontrollen!“ wird gerufen, ebenso „Alerta Antifascista!“.
Die DemonstrantInnen bewegen sich schnell, sie wissen, dass die Polizei heute nicht zimperlich ist. Es wird brenzlig, die Menschen die etwas langsamer sind, werden von WEGA-BeamtInnen schon „beamtshandelt“. Am Karlsplatz angekommen laufen die PolizistInnen in die U-Bahn Station. „Kummts her, ihr klanen Scheisser!“ schreit ein Polizist in Vollmontur, der aussieht wie Robocop Die Polizei jagt den Demonstrierenden mit gezogenem Schlagstock hinterher. Im Chaos gehen FreundInnen verloren und man kann nur noch zuschauen, wie die Leute um einen herum veprügelt werden. Die Angst liegt in der Luft, selbst als DemonstrantIn erkannt und geschlagen zu werden. Auch als bürgerlich aussehende alte Damen und Herren gegen die Gewalt der Polizei protestieren, prügelt diese weiter, ganz so als hätten sie nie etwas anderes gelernt.  

Frankfurt, 30. Jän. 2010

Josef lächelt freundlich. Der 31-Jährige spielt gern mit seiner Tochter, trinkt abends mal ein Bier und kreuzt in der Wahlzelle meist SPD an. Heute ist er, wie viele zur Demo nach Frankfurt gekommen – als Polizist. Dass die schwarz gekleideten jungen Mensch hier „All Cops Are Bastards“ schreien, versteht er nicht.
Langsam trudeln zweitausend Personen auf dem großen Platz vor der Goethe-Universität ein. Anlass ist der Ruf nach einer Bildungsreform, doch wie auf vielen Demos geht es auch um linke Grundanliegen – wie den Antifaschismus. Drinnen riecht es nach Wuzelzigaretten und VoKü-Essen. Draußen bläst der Demo-Lastwagen Techno-Beats in die Menge. Nach einer Weile klettert einer der OrganisatorInnen aufs Podium. Der Marsch würde sich verzögern, sagt er, weil die Polizei den Bus aus Braunschweig aufhalte und durchsuche. Seine Stimme klingt aufgewühlt: „Schon seit Tagen provoziert uns die Polizei. Ich fordere die Frankfurter Bullen auf, den Bus durchzulassen!“. Dann marschieren die Zweitausend los.

Der Black Bloc ist ganz vorne mit dabei. Herrscht hinten im Zug noch ein leiser Anflug von Love & Peace, geht es hier zur Sache. Die jungen Radikalen haben Spruchbanner wie eine Mauer um ihren Tross herum gezogen. Dahinter sehen sie aus wie eine römische Kohorte, die durch Germanien zieht. „Nie wieder Deutschland“, schreien sie der Polizei entgegen. 

Der schwarze Block ist eine der großen Idiosynkrasien der Linken. Durch das gleichförmige Auftreten bei Demonstrationen wirkt der Black Bloc nicht als eine Ansammlung von Einzelpersonen, sondern als einheitliche Masse. Ihr Auftreten ist betont maskulin-aggressiv: Wenn die „Schwarzen“ marschieren, sind ihre Gesichter meist in den „Grimmig“-Modus geschaltet. Bekommt einer der PolizistInnen „auf die Schnauze“, hat er selbst Schuld. Es sind ja ohnehin „alle Bullen Bastarde“.

„Keiner in die Uni rein“. Nach zwei Kilometern explodiert ein Böller direkt vor einer Polizistin. Der Truppe platzt daraufhin der Kragen. Die „Cops“ setzen ihre Helme auf, und haken sich ein. Ihre „menschliche Mauer“ zwingt die Marschierenden zum Langsamergehen. Als sie später das Uni-Gelände erreichen, gibt der Polizeichef den Befehl aus: „Keiner in die Uni rein“, sagt er, „nicht mal zum pinkeln“. Demonstrierende und Polizei tauschen gebrüllte Vorwürfe aus. Wenige Wochen zuvor besetzten hunderte Studierende hier Hörsäle, bis sie gewaltsam geräumt wurden. Das wird sich heute nicht wiederholen. Die Demo marschiert weiter, in die anbrechende Dunkelheit hinein.