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Outfittery will „Shopping für Männer“ bieten. Ein Selbstversuch.
Curated Shopping ist ein Geschäftsmodell im Online-Versandhandel, dem sich einige Neugründungen gänzlich verschrieben haben und dem sich zur Zeit viele etablierte Online-Versender anschließen. Einer bestimmten Zielgruppe werden nach Austausch von Größenangaben und modischen Vorlieben komplette Mode-Outfits zugesendet. Der Kunde kennt die Produkte im Vorhinein nicht und vertraut auf die Stilsicherheit der Berater_innen. Lea von Outfittery ist vermutlich die bekannteste vermeintliche Online-Modeverkäuferin im deutschsprachigen Werbefernsehen und versucht der Zielgruppe Mann die Vorzüge dieses Konzeptes näherzubringen. Gleichzeitig repräsentiert sie die Modeberater_innen des Online-Modeversandhauses und soll deren Vorgehensweise dem potentiellen Kunden aufzeigen.
„Shopping für Männer“ lautet die Devise und da ist es wohl auch kein Zufall, dass neben einigen Männern vorwiegend attraktive Damen als Style-Expertinnen auf der Homepage des 2012 gestarteten Unternehmens, das sich als Branchenführer ausweist, aufscheinen und von einer „Taskforce Männerversteher“ befehligt werden. Um in die Zielgruppe dieses Werbekonzepts zu fallen, muss einem Menschen nur folgendes Unternehmenscredo genügen: „Eine Welt, in der Männer das tun, was sie glücklich macht“, was auch immer das sei. Shopping sei nämlich nicht für jeden Mann ein Vergnügen. Aber die Zeit und Mühe, durch Läden zu laufen, kann einem erspart werden, wenn er den Personal Shopping Service in Anspruch nimmt.
How I met my Stefanie. Eindrucksvoll wird vermittelt, dass diese modischen Menschen ihr Handwerk verstehen, denn im Einleitungsvideo zur Anmeldung wird gezeigt, wie zwei weitere Style- Expertinnen, Vanessa und Tanja, in Berlin (Berlin!!!), das so anders, kreativ und inspirierend sei, selbst modisch gekleidet fröhlich Outfits zusammenstellen. Obwohl mir weder zum eigenständigen Kaufen von Kleidung die Lust fehlt, noch die dafür benötigte Zeit Probleme bereitet, bin ich gespannt, ob ich einen Benefit aus einer Beratung ziehen könnte. Stefanie wird mir als meine persönliche Ansprechpartnerin zugewiesen und per automatisch generiertem Outlook-Termin wird ein Telefonat vereinbart. Sie lässt mich nicht lange warten und ein paar Stunden später stellt sie sich mir telefonisch vor und fragt, ob wir uns duzen sollten, schließlich seien wir ja gleich alt. Ich bejahe und beantworte etwas schüchtern ihre Fragen, bei denen sie voraussetzt, dass ich Mode-Fachvokabular verstehe. Meine Heimatstadt sei wunderschön, versichert sie mir und nennt mir eine Lieferdauer. Sie werde sich bemühen, verspricht sie mir und ich lese nach dem Gespräch auf der Unternehmensseite ihre Hobbys nach. Mit einem Klick auf ihr Foto erfahre ich darüber hinaus, wie sie ihren Kaffee trinkt und was sie glücklich macht.
„Styled with love“ ziert eine Woche später die Seitenwand meiner Outfit-Box! Darin liegen ein Foto von ihr und eine handgeschriebene Nachricht, die mit „Lieber Ernst“ beginnt. Ach, Stefanie! Die Kleidungsstücke sind natürlich auch in dem Paket, befinden sich jedoch zunächst nicht im Fokus des Interesses. Die Enttäuschung folgt jedoch abrupt. Warum verwendet sie für die direkte Anrede an mich am Ende des Briefes wieder „Sie“? Wahrscheinlich hat sie unser Gespräch vergessen und in mir erhärtet sich die Annahme, dass ich womöglich doch nur einer von unzähligen Kund_innen bin, der_die einer ungleichgeschlechtlichen Kontaktperson bereitwillig alle seine_ihre persönlichen Daten, Interessen und Vorlieben bekanntgibt und das obwohl ich doch immer darauf achte, nicht in die Falle interessensbezogener Werbung zu tappen. Ich frage mich, ob Stefanie nach Provision bezahlt wird oder Verkaufszahlen erreichen muss und erinnere mich an ihr Versprechen, dass meine Outfits besser werden, wenn wir uns besser kennenlernen. Außerdem wolle sie mich bald wieder anrufen, wie kann ich da einfach alles wieder zurücksenden? Kundenbindung wird hier erfahrbar gemacht.
Persönlichkeit. Alle Klischees, die Männer und Kleidung in Kombination bieten, werden ausgiebig bedient und die Lösung für den Mann liegt parat: weibliche Modeberaterinnen, die alle damit verbundenen ungewünschten und lästigen Aufgaben übernehmen und das auch noch kostenlos, wie zum Schein suggeriert wird. Frauen in Werbungen sind nun wahrlich nichts Neues, aber diese direkte Instrumentalisierung ist von enormem Ausmaß. Der konsumierenden Person sollen Interesse und Nähe vermittelt werden, in Wahrheit kommt hier lediglich ein ausgeklügeltes Businesskonzept zur Anwendung, das mit der versprochenen Persönlichkeit, Inspiration, Liebe zum Detail und Kreativität nichts zu tun hat. Ein armseliges Spiel. Viele Menschen lieben es, über Kleidung ihr Innerstes nach außen zu kehren, Neues zu wagen, Altes zum vielleicht wiederholten Male hervorzuholen und auf andere Weise zu kombinieren. Bei Curated Shopping kann mehr oder weniger teure Kleidung zwar durch Kaufkraft erworben werden, wie bei jedem gewöhnlichen Modehaus auch, Originalität muss dadurch trotzdem nicht gegeben sein. Die gelieferten Jeans, die karierten und einfarbigen Hemden, die grauen Sweater, die Sneakers und der schwarze Gürtel werden den Versprechungen nicht gerecht und werden meinen Kleiderschrank nicht bereichern. Wer an sich selbst einen modischen Anspruch stellt, sich seine Kleidung aber nicht selbst auswählen kann, wäre wohl auch über Hilfe beim Anlegen derselben froh. Glücklicherweise wird für Bittstellungen dieser Art kein Service angeboten, aber wer weiß, was zukünftig noch alles zur Kundenbindung angedacht wird.
Ernst Königshofer studiert Germanistik und Geographie und Wirtschaftskunde an der Universität Wien.