Wohnst du noch oder studierst du schon?
Das Thema Wohnen ist in aller Munde. Spätestens seit sich in Berlin tausende Menschen auf den Straßen versammelten, um gegen den drakonischen Wohnungsmarkt zu protestieren, kann nicht länger weggesehen werden: Soll das sogenannte Betongold wirklich Wertanlage oder Spekulationsmittel sein? In Österreich liegt die Situation noch nicht derart im Argen wie in Deutschland. Staatlicher sozialer Wohnbau, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte (und nicht veräußert wurde), bedeutet für tausende von Menschen ein Leben in leistbaren, sauberen und hellen Wohnungen. Der staatliche Wohnbau wird noch ergänzt durch ein Angebot an geförderten Genossenschaftswohnungen. Allerdings ist zweifelhaft, ob diese Maßnahmen ausreichen werden, die individuelle finanzielle Belastung durch Wohnkosten bei stagnierenden oder gar sinkenden Einkommen auszugleichen.
Etliche Faktoren treiben Wohnkosten spätestens seit den 2000ern rasant in die Höhe: Das Mietrechtsgesetz (MRG) etwa - in seinem Verständnis ein Mieter_innenschutzgesetz - verliert nach und nach an Wirkungsmacht, immer weniger Wohnungen fallen als “Altbauten” in die Vollanwendung des Gesetzes, inklusive des so wesentlichen Mietzinsrichtwerts. Gleichzeitig werden nach und nach Ausnahmen geschaffen, welche weitere Umgehungen (z.B. bei Dachausbauten) erlauben. Befristete Mietverträge - und mit ihnen immer kürzere Zyklen bis zur nächsten Mietzinserhöhung bei der erneuten Vertragsschließung - sind immer mehr an der Tagesordnung. Etliche Wohnungen stehen als Wertanlagen ungenutzt frei oder werden zum Zweck der touristischen Kurzzeitvermietung vom langfristigen Wohnungsmarkt genommen. In fast allen Bereichen der Wohnpolitik zehren wir von Errungenschaften vergangener Jahrzehnte. Häufig sind Mieter_innen dem Diktat der Vermieter_innen ausgeliefert. Wer will schon das Dach über dem Kopf aufs Spiel setzen? Die dargelegte Situation macht deutlich, dass es neue Konzepte und Ideen braucht.
Wohnen und Studierende
Rund 60% der unter 21-jährigen Student_innen können sich ein Leben außerhalb des Elternhaushaltes leisten - was natürlich dementsprechend hohe Lebenshaltungskosten nach sich zieht. Vor allem in den ersten Jahren nach der Schule liegt der Prozentsatz des monatlichen Budgets, den Studierende für die eigenen vier Wände ausgeben, bei knapp 60% - dabei sollten nicht mehr als 30% des Einkommens für Wohnkosten ausgegeben werden müssen, um prekäre finanzielle Situationen zu vermeiden.
Für Studierende bedeutet dies mitunter, dass die Wahl des Studiums - oder überhaupt die Entscheidung zwischen Universität und unmittelbarem Eintritt in die Arbeitswelt - davon abhängig gemacht werden muss, ob ein eigener Haushalt, sei es in einer WG, in einem Heim oder in einer eigenen Mietwohnung verwirklichbar ist. Gerade im Bereich der Studierendenwohnheime, die dem wichtigen Grundgedanken folgen, niederschwellige wie auch leistbare Wohnangebote in einer fremden Stadt zu ermöglichen, zeichnet sich seit Wegfall der staatlichen Förderungen seit 2011 ein düsteres Bild ab. Notwendige, nun nicht mehr zu finanzierende Sanierungen und das Eindringen gewinnorientierter Privater in diesen Sektor studentischen Wohnens hat jedenfalls nicht zu einer Verbesserung der Situation geführt, im Gegenteil: Unter dem Mantel von Exklusivität wurden mehrheitlich Immobilien im Sinne von Investor_inneninteressen geschaffen, das Prinzip der Gemeinnützigkeit von Heimbetreiber_innen, welches lange Zeit bestimmend für diesen Sektor war, verschwindet. Die unleistbaren Heimpreise bleiben.
Wohnkosten stellen einen bedenklichen Faktor sozialer Selektion dar. Der ÖVP-Lösungvorschlag “Eigentumswohnung” wirkt wie Hohn. Wohnen ist ein Grundrecht - nicht Luxus. Es muss allen Menschen möglich sein, selbstbestimmt leben und wohnen zu können. Welche Maßnahmen könnten getroffen werden? Wie hat sich studentisches Wohnen im Lauf der Zeit entwickelt? Können wir daraus Ideen für heute und morgen mitnehmen? Begib dich in der nächsten Ausgabe gemeinsam mit uns auf die Suche nach möglichen Lösungsansätzen! Änderung: Begib dich in der nächsten Ausgabe des Progress im März 2020 gemeinsam mit uns auf die Suche nach möglichen Lösungsansätzen
Housing for All
Die europäische Bürger_innen-Initiative „Housing for All“ setzt sich EU-weit für bessere Rahmenbedingungen im sozialen Wohnbau ein. Aufgrund ausbleibender öffentlicher Finanzierung wird Wohnen immer mehr zur finanziellen Belastung, für einige zu unleistbarem Luxus. Das muss sich ändern! Wir unterstützen die EU-Bürger_innen-Initiative, schließ auch du dich an! http://www.housingforall.eu
Soz-Ref Veranstaltungsreihe
Das Sozialreferat der ÖH-Bundesvertretung will in diesem Studienjahr unter anderem einen Schwerpunkt auf das Thema Wohnen legen. Neben der Artikelserie im Progress veranstalten wir an unterschiedlichen Hochschulstandorten eine Vortragsreihe, den Auftakt macht am 10.12. in Innsbruck eine Diskussion zu Miethöhe und Mietzinsbeihilfe. Schau auch auf Facebook oder Instagram vorbei, um weitere Informationen zu bekommen. Du stehst kurz vor dem Einzug in deine eigenen vier Wände? - Hol dir wertvolle Tipps in unserer Broschüre “Studieren und Wohnen”
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