Feministisch Schmökern
Wien hat wieder eine feministische Buchhandlung. Zu Gast bei den Betreiberinnen zu einem Gespräch über Literatur, das Teilen der Macht und Österreichs kleine, aber feine feministische Szene.
Wien hat wieder eine feministische Buchhandlung. Zu Gast bei den Betreiberinnen zu einem Gespräch über Literatur, das Teilen der Macht und Österreichs kleine, aber feine feministische Szene.
Vor fünf Jahren hat die Buchhandlung Frauenzimmer zugesperrt. Im vergangenen Jahr ist die Zeitschrift AUF zum letzten Mal erschienen – doch wer fürchtet, die feministische Szene in Wien werde bald ganz verschwinden, darf aufatmen: Seit Anfang 2012 residiert die feministische Buchhandlung ChickLit in der Kleeblattgasse im ersten Bezirk – just in den ehemaligen AUF-Redaktionsräumen.
Roman-Schwerpunkt und Webshop. Lesbenromane und Krimis – der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Roman-Seite, doch es gibt auch Literatur zur Frauenbewegung und -geschichte, Kinder- und Jugendbücher und solche zu feministischer Ökonomiekritik. Neben einem eigenen Webshop (derzeit noch im Entstehen) soll es eine Abteilung zu Wissenschafterinnen geben, die in und um Wien forschen.
Betrieben wird ChickLit vom AUF-Verein, der 31 Jahre lang die gleichnamige feministische Zeitschrift herausgegeben hat. Eva Geber hat jahrzehntelang als Redakteurin mitgearbeitet. Die 70-jährige Journalistin und Buchautorin berichtet, der feministische Aktivismus habe sich in den vergangenen Jahrzehnten quasi von der Straße hinter den Schreibtisch verlagert, und sagt: „Früher haben sich viele nicht getraut, zu sagen ‚Ich bin Feministin‘.“
Heute kann man sich trauen. Doch viele junge Frauen distanzieren sich davon, Feministinnen zu sein – dabei gäbe es noch viel zu tun: Die auseinanderklaffende ökonomische Schere oder Jobs von Frauen, die in Zeiten der Krise als erstes wackeln. Wie lange es dauert, bis sich etwas ändert, ist auch in der Literatur nachzulesen. „Wir müssen uns noch immer mit diesem blöden Thema beschäftigen“, das in Zeitschriften von 1790 ebenso zu finden ist wie in „Stadt der Frauen“ von Christine de Pizan aus dem 15. Jahrhundert. „Es dauert, es ist unfassbar. Die Macht wird nicht abgegeben oder geteilt“, sagt Geber. „Wir sind ja gar nicht so böse!“
Wahrlich nicht. Jenny Unger und Paula Bolyos – zwei Frauen Anfang 30 – schmeißen den Buchladen mit Charme und Humor. Und wenn Paula anfängt, Buchtipps zu geben, ist sie schwer zu bremsen (siehe unten). Für Jenny ist ChickLit ein Raum, der es ermöglicht, selbst wieder nach Büchern zu stöbern; denn das Internet stellt für sie keine Alternative dar: „Ich brauche jemanden, der eine Vorauswahl getroffen hat“, und fügt lachend hinzu: „Jetzt sucht Paula die Bücher raus, und ich lese sie dann.“
Obwohl die feministische Szene in Wien verschwindend klein ist, gibt es vergleichsweise viele feministische AutorInnen. Geber erinnert das an die „hundeschlechte“ Presselandschaft – doch in Kontrast dazu habe es immer außergewöhnlich viele feministische Zeitschriften gegeben, um die sie von Freundinnen aus dem Ausland beneidet wurde. Männer sind in der Kleeblattgasse übrigens genauso willkommen: „Wir wollen natürlich, dass Männer kommen und sich weiterbilden“, sagt Paula und Geber fügt hinzu: „Außer sie reden blöd, dann fliegen sie gleich wieder raus.“
Buchtipps:
„Engel des Vergessens“ von Maja Haderlap (Bachmann-Preisträgerin 2011) – eine Familiengeschichte über die Kärntner SlowenInnen. Michelle Tea, eine queer-feministische Schreiberin aus den USA. Der autobiografische Roman „Der Boden unter meinen Füßen“ von Eva Kollisch, die 1939 als 14-Jährige nach Großbritannien flüchten musste. Katharina Tiwald, eine junge burgenländische Autorin. Von Sara Dreher stammt die sympathische lesbische Privatdetektivin Stoner MacTavish. Audre Lorde, eine feministische, schwarze, lesbische Aktivistin und Autorin aus den USA. Graphic Novels und Comics von Ulli Lust.