Anna Schiller

Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen

  • 28.09.2012, 23:20

Dr.in Ingrid Schacherl ist eine der AutorInnen der vom BMWF beauftragten Studie „Gender und Exzellenz“. Gegenstand war die Bedeutung des Exzellenzparadigmas für die Offenheit des österreichischen Wissenschaftsbetriebs. Sie forscht bei Joanneum Research zu „Gender in Wissenschaft und Technik“ und „Gender Mainstreaming“.

Dr.in Ingrid Schacherl ist eine der AutorInnen der vom BMWF beauftragten Studie „Gender und Exzellenz“. Gegenstand war die Bedeutung des Exzellenzparadigmas für die Offenheit des österreichischen Wissenschaftsbetriebs. Sie forscht bei Joanneum Research zu „Gender in Wissenschaft und Technik“ und „Gender Mainstreaming“.

PROGRESS: Sie unterscheiden in der Studie gründlich zwischen „Elite“ und „Exzellenz“. Warum war diese begriffliche Trennung wichtig?
Ingrid Schacherl: Der Exzellenzbegriff war in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit sehr präsent. Dabei war immer von Exzellenz die Rede – manchmal steckten dahinter aber Elitekonzepte. Uns war wichtig, herauszufiltern, wie der Begriff definiert wird und wo er herkommt – im Gegensatz zu Elite, denn das sind zwei verschiedene Dinge. Der Elite-Begriff kommt aus Militär, Kirche, Wissenschaft, aus Organisationen die traditionell männlich konnotiert und hierarchisch strukturiert sind. Eliten agieren selektiv und arbeiten mit normativen Konzepten. Die Elite entscheidet, wer gefördert wird. Dieser Kreis ist sehr klein und bleibt unter sich. Der Exzellenzbegriff dagegen ist breiter angelegt. Die Leistungsorientierung steht im Vordergrund. Insofern ist er auch offener, weil niemand per se ausgeschlossen ist.

Sehen Sie im Exzellenzbegriff die Chance, dass er geschlechterneutral wirkt?
Ja. Der Begriff ist leistungsorientiert, und wenn es um Leistung geht, ist Geschlecht kein Ausschlusskriterium. Nachdem aber Leistung in sozialen Prozessen hergestellt wird, ist das nicht automatisch geschlechtsneutral. Im Wissenschaftsbetrieb wird darüber, was als beste Leistung zählt, in männlich dominierten Gruppen entschieden. Deshalb ist es wichtig, Leistungsbeurteilung und Auswahlverfahren möglichst transparent zu gestalten, damit Diskriminierung nicht wirksam werden kann.

Sie erwähnen, dass Österreich im EU-Vergleich bei den Frauenanteilen in der Forschung relativ weit hinten liegt. Warum ist Österreich schlechter als andere Länder?
Es gibt erstens eine historische Begründung. Frauen sind sehr spät an Unis zugelassen worden und hatten zur Zeit des Nationalsozialismus nur begrenzt Zugang. Die zweite Begründung ist, dass hier eine Hochschulkarriere mit einem hohen Statusgewinn verbunden ist. Und da sind wir wieder beim Elitekonzept. Wenn eine männliche Elite ihren Nachwuchs rekrutiert, dann ist es so, dass Männer traditionell Männer wählen. Auch wenn Geschlecht formal kein Kriterium ist – auch wenn alle sagen, es ist objektiv – in den Entscheidungen spielt es immer eine Rolle.

Ist das akademische System im deutschsprachigen Raum elitärer als das in anderen europäischen Ländern?
Ja, das könnte man schon sagen.

Beim Thema Exzellenz drängt sich die Frage des freien Hochschulzugangs förmlich auf. Ist das ein Widerspruch? Ist ein Massenstudium mit Exzellenzförderung vereinbar?
Exzellenz ist ein leistungsorientiertes Konzept. Rein vom Konzept her würde ich sagen, das ist kein Widerspruch. Der Exzellenzbegriff schließt das nicht aus, das sind eher bildungspolitische Entscheidungen.

Das Interview führte Anna Schiller.

Weiterführende Links:
http://www.joanneum.at/uploads/tx_publicationlibrary/rr66_gender_Exzelle...
http://www.advancingwomen.org/files/7/127.pdf