Muslime als die neuen Juden
Diesen März wurde der Dokumentarfilm Islamophobie österreichischer Prägung, der bereits im vergangenen Jahr Premiere feierte, im Wiener UCI-Kino gezeigt. Der Andrang zur dritten Vorstellung war überraschend groß, der Saal an einem Montagabend fast ausverkauft. Der Film von Regisseur Sinan Ertugrul hat den Anspruch, Islamfeindlichkeit in Österreich zu problematisieren. Während auf der einen Seite rassistische Angriffe in den letzten Jahren nachweislich zunehmen, muss sich der Film auf der anderen Seite die Frage gefallen lassen, ob es ihm im Kern um den Schutz von Individuen, oder um den Schutz der Religion geht.
In mehreren ExpertInneninterviews wird betont, dass man Diskriminierung und Angriffe auf Einzelne thematisieren möchte. Verschiedene Beispiele von Diskriminierung werden den Plot hindurch auch immer wieder aufgegriffen. Allerdings präsentiert der Film durchgehend Personen, die dem politischen Islam das Wort reden. Einer der befragten Experten, Universitätsprofessor Rüdiger Lohlker, verkehrt Theodor W. Adornos und Max Horkheimers Dialektik der Aufklärung und versucht diese als Beweis anzuführen, weshalb die Aufklärung per se schlecht sei. Er übergeht dabei schamlos die Dialektik, die bereits im Titel des Buches betont wird.
Auch einige persönliche Beispiele von Islamophobie, die im Film angerissen werden, nehmen der zu Anfang naiv geäußerten Behauptung, es ginge um den Schutz von Individuen, die Glaubwürdigkeit. Es wird suggeriert, das Eintreten gegen sexuelle Gewalt an Frauen in islamischen Ländern sei „koloniales Denken“. Oder dass es bereits rassistisch sei, wenn die Sportlehrerin muslimische Schülerinnen auch an Ramadan auffordert, genügend Wasser zu trinken. Ein eindringliches Motiv, das zum Ende des Filmes mehrmals Erwähnung findet, ist der Vergleich von MuslimInnen und Juden/Jüdinnen in den 1930er Jahren. Dabei wird „Charlie Hebdo“, die französische Satirezeitschrift, die vor zwei Jahren Ziel eines islamistischen Terroranschlags wurde, indirekt zum neuen „Völkischen Beobachter“ erklärt, der es auf Muslime abgesehen habe. Mehrere der im Film interviewten ExpertInnen bezeichnen Religionskritik als eindeutig rassistisch und damit als illegitim. Das ist schade, denn es bekräftigt zum einen das Bild von Religion als quasi-natürlicher Zugehörigkeit, zum anderen stellt es säkulare und reformerische Kräfte ins Abseits.
Anna Grellmeer studiert im Master Politikwissenschaft an der Universität Wien.