Vorsitzkommentar: Distance-Learning
so langsam kehrt die von Sebastian Kurz vielbeschworene „neue“ Normalität in unser Leben ein. Für uns alle waren die letzten Wochen und Monate wirklich nicht einfach – es gab zu viel Unsicherheit, viel zu wenig Kommunikation vonseiten des Wissenschaftsministers mit den Studierenden. Mittlerweile scheinen, spät aber doch, viele Dinge gesetzt. Die Regierung hat mittlerweile zugegeben, dass es nie verboten war, sich im Privaten mit Freund_innen oder Familie zu treffen; ein frisch gezapftes Bier erwartet uns im nächsten Schanigarten und sogar sommerliche Grenzöffnungen werden thematisiert, was die Tagträumereien von Strand, Meer und Karlovačko gar nicht mehr so unrealistisch macht. Eine Sache jedoch wird sich so schnell, vielleicht sogar auch im kommenden Wintersemester, nicht ändern: das Distance Learning.
„Sehr Gut“ oder „Mangelhaft“? Ein kurzer Recap: Unsere Hochschulen mussten mit 16. März auf Fernlehre umstellen. Zuerst galt dieser Plan bis zu den Osterferien, bald war aber klar, dass es im Sommersemester quasi keine Präsenzlehre mehr geben würde. Die Unterschiede in der Ausgestaltung vonseiten der Lehrenden sind ungefähr so groß wie der neu geschaffene Absatzmarkt von Mund-Nasen-Schutzmasken. Manche haben eher auf Hausübungen als Diskussionen umgestellt, manche sind technisch versiert, viele nicht. Allein bei uns im Vorsitzteam erleben wir unterschiedlichste Zugänge und Problemstellungen: Adrijana steht vor einem Berg an Hausübungen, da viele Lehrende so ihre nicht stattfindenden Einheiten kompensieren wollen; Desmond kam keinen Satz weiter bei seiner Masterarbeit, da er momentan ausschließlich Quellen aus der Unibibliothek benötigen würde; und Dora saß mittlerweile viermal in einer Videokonferenz für eine Lehrveranstaltung, zu der der_die Vortragende nicht erschienen ist, weil der Termin falsch notiert wurde.
Das alles ist ärgerlich, zermürbend und erhöht auch unsere Unsicherheit in Hinblick darauf, in welcher Form wir dieses Semester abschließen werden können. Damit sind wir nicht allein: Mittlerweile gibt es mehrere Befragungen dazu, wie es uns Studierenden mit Distance Learning geht. Nachdem Bundesminister Faßmann – wenn er sich mal dazu herablässt, etwas zu Hochschulen und Studierenden zu sagen – immer wieder betont, dass das Distance Learning „sehr gut“ laufe, verwundert es nicht, dass die vom BMBWF beauftragte Studie im Ton positiver klingt als jene, die von Forscher_innen der Uni Wien durchgeführt wurde . Im Grunde lassen sich aus der Uni-Studie folgende Dinge ablesen: Nur 7% der Studierenden geben an, (sehr) erfolgreich im Distance Learning zu sein. 13% der Studierenden haben kein W-Lan zuhause, 7% keine Geräte wie Laptop oder Tablet, die jetzt fast lebensnotwendig erscheinen, wenn man an Lehrveranstaltungen teilnehmen möchte. Rund ein Drittel der Studierenden gibt an, mit finanziellen Problemen zu kämpfen.
Der Tragödie Erster Teil (?) In Hinblick darauf, dass der Anspruch des Bildungssystems sein sollte, niemanden zurückzulassen und gerade jetzt den Studierenden nicht noch eins reinzuwürgen, die ohnehin grad vor einem existenziellen Scherbenhaufen stehen, weil sie ihren Job verloren haben, sich um Angehörige kümmern müssen oder ihnen nahestehende Personen an das Coronavirus verloren haben, sind diese Umfrageergebnisse eine Katastrophe und können auch durch Faßmanns mantraartiges „Alles ist super!“ nicht beschönigt werden. Dass wir Studierende hier so offensichtlich ignoriert werden, ist an Zynismus kaum mehr zu überbieten.
Nachdem allerdings auch niemand so genau weiß, wie es bei uns mit Infektionszahlen, Sicherheitsmaßnahmen etc. in ein paar Monaten ausschauen wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir auch im Wintersemester nicht vollständig auf unsere Hochschulen zurückkehren können werden. Dementsprechend braucht es hier endlich klare Ansagen und Handlungen vonseiten des zuständigen Ministeriums. Schnellere und klarere Infos an Hochschulen und Lehrende, was sie (nicht) dürfen, welche Möglichkeiten sie haben, und ein Ausgleich der finanziellen Schieflage, die sich für viele Studierende ergeben hat; bspw. durch die Bereitstellung von Laptops und Tablets für die Fernlehre, eine Ausweitung der Toleranzsemester für die Studiengebühren und einen kompletten Erlass der Studiengebühren für dieses und das kommende Semester.
Nicht nur Klein- und Mittelunternehmen und Gastronom_innen fragen sich mittlerweile, in wessen Kasse die 38 Mrd. Euro „Koste es was es wolle“ für den Härtefallfonds eigentlich wandern. Der Erlass der Studiengebühren für Studierende an öffentlichen Universitäten würde den Staat ca. 29 Mio. Euro kosten - Peanuts für den Härtefallfonds. Dass es also offensichtlich am nicht vorhandenen politischen Willen liegt, Studierenden hier unter die Arme zu greifen, die ohnehin momentan durch alle Raster durchfallen, zeigt, wie wichtig wir Studierende und unsere finanzielle Absicherung Minister Faßmann und der schwarz-grünen Bundesregierung offenbar sind. Wir kämpfen weiter für einen gerechte Entlastung von uns Studierenden und gute Fernlehre-Angebote während der Corona-Krise. Lasst euch nicht unterkriegen!
Adrijana, Desmond und Dora