Meine Oma und die Klimakrise: Eine Bitte um mehr intergenerationalen Dialog und Verständnis


Die Klimakrise drängt immer weiter in unseren Alltag vor, doch wie beeinflusst sie das Leben der sozial benachteiligten älteren Generation?

Klimagerechtigkeit – davon ist heutzutage häufig die Rede. Der globale Norden hat dem globalen Süden die katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise beschert. Die ältere Generation hat für die jüngere Generation nicht vorgesorgt, sondern maßlos die Ressourcen unserer Erde verbraucht. Wir sind an mehreren Kipppunkten, wenn nicht sogar bereits darüber hinaus. Jedoch stellt sich die Frage, ob all diese Narrative stimmen.

Was ist mit jenen Personen, die zwar Teil dieser älteren Generationen sind, jedoch selbst nicht zu unserem Problem massiv beigetragen haben? Was ist mit den Personen, die in Altersarmut leben und in ihrem Leben nur dafür gearbeitet haben, irgendwie zu überleben und dabei nicht das Privileg hatten, zu überlegen und selbst zu entscheiden, was klimagerecht ist und was nicht?

Meine Oma ist genau so eine Person, die sich ihr Leben lang anstrengen musste und niemals etwas von der Gesellschaft geschenkt bekam. Nun ist sie in Pension und bezieht die Mindestsicherung, welche gerade so zum Überleben reicht – nicht jedoch zum Leben. Sie hat „Glück“, da sie eine genügsame und positive Person ist, welche nicht nach viel Luxus strebt. „Du weißt, wie es bei mir ist, ich komme immer irgendwie über die Runden. Auch früher, als deine Mama klein war, war es nie einfach. Da habe ich am Weg Beeren gepflückt und Kompott gemacht, damit wir was auf dem Brot haben, als ich von der Mama ihrem Papa weg bin. Unterhalt gab es damals ja noch nicht.“

Es gab Zeiten, zu denen sie drei Jobs gleichzeitig hatte und dennoch kein Geld für qualitativ hochwertige Lebensmittel und Kleidung, geschweige denn Urlaub, vorhanden war. Im Kontrast zum Leben vieler Menschen heute war Arbeit in ihrem Leben vorrangig zum Überleben anstatt eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Sie sagt heute oft zu mir „Mach nicht denselben Fehler, den ich gemacht habe. Versuch nicht zu viel zu arbeiten und such dir eine Arbeit, die dir Spaß macht. Du weißt, ich hatte nie die Möglichkeit, das zu machen, was mir Spaß macht. Ich musste arbeiten gehen, damit Essen auf den Tisch kommt.“

Während wir die ältere Generation oft für die Klimakrise verantwortlich machen, müssen wir die Verantwortung neu verteilen. Die reichsten zehn Prozent unserer Gesellschaft verursachten und verursachen immer noch zwei Drittel der Klimakrise. Während es sich manche Personen leider nicht leisten können, eine faires Bio-Baumwolle T-Shirt zu kaufen, leben die reichsten zehn Prozent weiter auf unsere Kosten und verstärken unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Probleme. Auch meine Oma muss leider meist auf jenes zurückgreifen, was bei Lidl, Hofer oder Action gerade im Angebot ist. Ebenso ist es bei Lebensmitteln: Regional und Bio kostet mehr. Wenn eine Person nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung hat, muss sie sich zweimal überlegen, welche Produkte sich finanziell noch ausgehen. Glücklicherweise hat meine Oma nach ihrem gesamten bisherigen Leben am Existenzminimum mittlerweile Übung, wie sie mit ihrem geringen Gehalt beziehungsweise mittlerweile Pension klarkommt. Dies kann darf jedoch nicht der Anspruch unserer Gesellschaft sein!

Gesamtgesellschaftlich verurteilen wir, die Jüngeren, die Älteren, für ihr Verhalten in der Vergangenheit und der Gegenwart. Von dieser Pauschalisierung müssen wir jedoch abkommen und die Probleme der Mehrheit der älteren Bevölkerung hören und ernst nehmen. Von Jahr zu Jahr klagt meine Oma immer mehr über die Hitze im Sommer. „Früher habe ich das besser weggesteckt, aber auch ich werde älter und die Hitze ist anders als früher“, erzählt sie mir oft, wenn ich sie im Sommer frage, wie es ihr geht. Das Wetter verändert sich rapide und die Hitzetage nehmen zu. In ihrer kleinen Sozialbauwohnung gibt es keine Klimaanlage – ganz abgesehen von den Stromkosten, die durch den Betrieb einer Klimaanlage wiederum entstehen würden (ebenso paradox, wie das Vorantreiben der Klimakrise durch eine Klimaanlage). Sie muss versuchen, die Wohnung dunkel zu halten und sich mit Ventilatoren irgendwie abzukühlen, jedoch bleibt das schwüle Wetter und die nass-feuchte Tropenluft bestehen. Im Sommer führt dies zu einer stärkeren sozialen Isolation. Dies ist nicht nur bei meiner Oma der Fall, sondern auch bei ihren Nachbar_innen, Freund_innen und Bekannten. Sie trauen sich aufgrund des Wetters nicht mehr raus, und dies nicht nur im Sommer wegen der Hitze, sondern auch im Winter aufgrund von beispielsweise Glatteisgefahr oder Starkregen.

Insbesondere mit einer Mobilitätseinschränkung und dem damit einhergehenden Benötigen eines Rollators führen solche Wetterveränderungen zu einer eingeschränkten Partizipationsmöglichkeit am aktiven gesellschaftlichen Leben. Welche gesundheitlichen Folgen eine soziale Isolation zur Folge hat, dürfte uns allen wahrscheinlich Covid-19 verdeutlicht haben. Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, welches vermehrt in der jüngeren und älteren Generation auftritt. Hierbei bietet dies jedoch auch die Möglichkeit, wieder näher zusammenzurücken und in den Austausch miteinander zu gelangen.

Wir müssen als Gesellschaft wieder mehr Grauzonen sehen und ein offenes und geschultes Auge entwickeln, um Personen (in unserem Umfeld) so gut wie möglich zu unterstützen. Generationengerechtigkeit gilt nicht nur für Pensionen- und Rentenbeiträge, sondern eben auch für die Gesundheit jener Personen, die unsere Gesellschaft nach dem Krieg wiederaufgebaut haben.

Ramon Hou studiert Geschichte an der Universität Wien.


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