Spende gut, alles gut?

  • 13.07.2012, 18:18

Über das Märchen vom Spendenweltmeister Österreich und warum spenden zwar gut, aber eine gerechte Verteilung besser ist.

Über das Märchen vom Spendenweltmeister Österreich und warum spenden zwar gut, aber eine gerechte Verteilung besser ist.

Armut tut weh, Licht für die Welt, ist da jemand? Sprüche wie diese sind immer wieder in allen möglichen Variationen zu hören und zu sehen. Die Armenhilfe ist in unserem christlichen Wertesystem stark verankert und wer Almosen gibt, der gilt als selbstlos und gut. Speziell um Weihnachten rufen österreichweit unzählige Spendenorganisationen einen Kampf um diese Nächstenliebe aus: Wer bekommt wie viel vom schlechten Gewissen der ÖsterreicherInnen? Viele wichtige soziale Organisationen wie die Caritas, Volkshilfe, Rotes Kreuz, SOS Kinderdorf oder auch Umweltschutzorganisationen sind massiv von privaten Spenden abhängig – die Konkurrenz zwischen ihnen wird größer und der Spendentopf ist begrenzt. Genug Gründe also, sich das Prinzip des Spendens in Österreich einmal genauer anzusehen.
Die österreichische Öffentlichkeit sieht sich selbst gern als Spendenweltmeister. Auf den ersten Blick scheint sich dies zu bestätigen: In kaum einem anderen Land geben so viele Leute an, mindestens einmal im Jahr in irgendeiner Form Geld zu spenden. 1996 gaben 46 Prozent an, dies einmal im Jahr zu tun, 2006 waren es 81 Prozent, und 2008 wieder nur 60 Prozent. Der Teufel steckt aber bekanntlich im Detail: In Deutschland wird pro Kopf eineinhalb Mal so viel gespendet, in Großbritannien fast fünfmal, und in den USA überhaupt achtzehn Mal so viel wie in Österreich. Man kann also sagen: Viele Menschen in Österreich spenden eher wenig.

Konkurrenz. Der absolute Betrag, der im Jahr gespendet wird, liegt wahrscheinlich in einer Größenordnung zwischen 300 und 400 Millionen Euro und ist in den letzten Jahren nur leicht gestiegen. Auf der anderen Seite gibt es rund 500 relevante Organisationen, die sich um diesen Topf streiten. Ihre Zahl steigt kontinuierlich und auch deutsche Spenden-Organisationen drängen zunehmend auf den österreichischen Markt. Dazu kommt, dass die SpenderInnen sich zunehmend lieber an Einzelprojekten beteiligen, als sich langfristig zu binden. Laut Rainer Stoiber von der Volkshilfe lastet auf den Non-Profit-Organisationen (NPOs) ein „enormer Konkurrenz-Druck“, es muss immer mehr Geld für Werbekampagnen ausgegeben werden, um die Leute überhaupt zu erreichen.
Zusätzlich steigt der Druck aufgrund staatlicher Einsparungen: Momentan stammt noch die Hälfte der Mittel von NPOs aus staatlicher Hand, 37 Prozent aus Eigenerwirtschaftung und lediglich 13 Prozent aus privaten Spenden. Viele Organisationen fürchten, dass in den kommenden Jahren aus Spargründen die sichere staatliche Unterstützung abgebaut, und stattdessen der Anteil privater Spenden vergrößert werden soll. Die steuerliche Spendenabsetzbarkeit ist ein Vorbote dieser Entwicklung: Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen, um freiwilliges Spenden schmackhafter zu machen. Speziell aus unpopulären Bereichen ziehen die MinisterInnen von SPÖ und ÖVP bereits jetzt massiv Unterstützungsgelder ab. Herbert Langthaler von der Österreichischen Asylkoordination beklagt beispielsweise, dass in seinem Bereich „laufend staatliche Gelder aus dem Integrations-, Asylrechtsberatungs- und therapeutischen Bereich abgezogen werden. Diese Kosten würden zunehmend auf die Zivilgesellschaft abgewälzt. Auch Andreas Zembaty vom Bewährungshilfe-Verein Neustart spürt die Einsparungen: „Wir müssen immer mehr KlientInnen mit immer weniger Personal betreuen. Wir sind zu 90 Prozent vom Staat abhängig, Spenden bekommen wir kaum, da unsere Materie zu komplex ist. Wer spendet schon für Ex-TäterInnen? Dass damit künftige Opfer vermieden werden, kann man SpenderInnen schwer erklären.“ 

Fast ein Todesurteil. Damit sind wir bei einem der größten Probleme des Spendenwesens angekommen: Das private Geld bekommen meist nur diejenigen Hilfsprojekte, welche in der öffentlichen Meinung gut dastehen. Es wird nicht das objektiv Richtige oder Notwendigste gefördert, sondern das anerkannt Unschuldigste. An erster Stelle der SpendenempfängerInnen stehen Kinder, Tiere, Menschen mit Behinderung, Katastrophenhilfe im Inland und Hunger leidende Kinder in der Welt. Natürlich ist auch hier jeder Euro wichtig, aber wer in der öffentlichen Meinung als „selbst schuld!“ abgestempelt wird, schaut durch die Finger. Für ihr Schicksal selbst verantwortlich gelten in Österreich z.B. Drogenabhängige, Flüchtlinge, Arme, Arbeitslose und Menschen mit Kriminalitätshintergrund. Für Vereine wie Neustart oder Integrationsprojekte ist diese Spendenabhängigkeit daher fast ein Todesurteil.
Ein weiterer Punkt ist, dass immer nur recht wenige Menschen spenden, aber meist die gesamte Gesellschaft von der Arbeit einer NPO profitiert, also auch Leute, die keinen Euro dafür hergeben und lieber ein achtes Paar Schuhe kaufen. Steuern hingegen muss jede und jeder bezahlen. Zweifellos sind hier Steuern gerechter. Die Frage ist nur, ob die Politik diese Steuern auch dort einsetzt, wo sie am notwendigsten und am nachhaltigsten investiert sind – auch wenn der Verwendungszweck unpopulär ist.
Anstatt wie Finanzminister Pröll monatelang in allen Zeitungen die Spendenabsetzbarkeit und sich selbst zu bewerben, statt des teuren Werbe-Konkurrenzkampfs der NPOs um die Spenden und ohne die Society-schwangeren Gala Dinners wäre das Geld womöglich besser gleich in einem lückenlosen Sozialsystem angelegt. Und auch die NPOs und ihre SpenderInnen wären wahrscheinlich dankbar dafür, nicht mehr benötigt zu werden. 

AutorInnen: Julian Schmid