Im Land der Barone
Für ein Land wie Rumänien, das beinahe ein halbes Jahrhundert mit eiserner Hand von der Kommunistischen Partei geführt wurde, sind „die Reichen“ ein sehr junges Phänomen. Ihr Streben nach sozialer Abgrenzung hat sie für die Öffentlichkeit rasch sichtbar gemacht und eine Debatte über Reichtum ausgelöst, deren politische Relevanz nicht unterschätzt werden sollte.
Für ein Land wie Rumänien, das beinahe ein halbes Jahrhundert mit eiserner Hand von der Kommunistischen Partei geführt wurde, sind „die Reichen“ ein sehr junges Phänomen. Ihr Streben nach sozialer Abgrenzung hat sie für die Öffentlichkeit rasch sichtbar gemacht und eine Debatte über Reichtum ausgelöst, deren politische Relevanz nicht unterschätzt werden sollte.
Kommunistische „Gleichheit“? Noch vor 20 Jahren war Rumänien kein freundlicher Platz für Reiche. Fast alle arbeitsfähigen RumänInnen arbeiteten für einen gewaltigen Arbeitgeber, den kommunistischen Staat. Dieser sorgte dafür, dass die Einkommenskluft gering blieb. In den staatlichen Betrieben, in den Agrarproduktionskollektiven (APK, rumän. „CAP“, die rumänische Version von Kolchosen) oder in den Zunftgemeinschaften betrug der Einkommensunterschied zwischen ArbeiterInnen und einem Direktor in den 80ern nie mehr als ein Viertel. Weder die Reformgesetze der 70er-Jahre, wie beispielsweise das Redistributionsgesetz (1974), das auf die Effizienzsteigerung im industriellen Sektor abzielte, noch die Beschlüsse des Staatsrates in den 80er-Jahren die Motivation der ArbeiterInnen betreffend haben es geschafft, dieses auf Ideologie gestützte Verhältnis zu stören.
In der tiefen ökonomischen Krise, die in den 80er-Jahren ausbrach, bedeutete dies allerdings eher „eine Gleichheit in Armut“, wie die rumänische Dichterin Ana Blandiana treffend bemerkte.
Laut Alina Mungiu-Pippidi, einer rumänischen Politikwissenschafterin, hat diese vom Staat gelenkte Gleichheit im jungen rumänischen Kapitalismus dann zu einem verstärkten Drang nach Abgrenzung und Zurschaustellung von Wohlstand geführt. Die so genannte Rumänische Revolution im Dezember 1989 hat das Monopol der Gleichheit plötzlich gebrochen und so den Weg für zahlreiche Privatisierungsmaßnahmen freigemacht. Eine der Konsequenzen dieses Prozesses ist die Entstehung einer neuen sozialen Schicht: die der „Reichen“.
Lokale Barone. Ehemalige, unbedeutende FunktionärInnen in Lokalräten, IngenieurInnen aus staatlichen Betrieben, GewerkschaftsführerInnen, GeheimdienstagentInnen oder illegale HändlerInnen waren jene, die den auseinander fallenden postkommunistischen Staat in ein Riesengeschäft zu ihrem eigenen Nutzen umgewandelt haben. Sie sind diejenigen in Rumänien, die „es geschafft haben“ – die Oligarchen Rumäniens, die im Land als „lokale Barone“ (es gibt kaum eine Frau in dieser auserlesenen Gruppe) bekannt sind. Inoffiziell beherrschen sie ein Gebiet, manchmal eine Stadt, ein andermal eine ganze Region. Sie sind wahre Gatekeeper, die Ressourcen und sogar „Gerechtigkeit“ in ihrem Territorium verteilen. Ein Beispiel hierfür ist die Biographie von Dumitru Sechelariu, der bis 2004 Bürgermeister der ostrumänischen Stadt Bacău war. Vor 1989 war Sechelariu zunächst nur unter SpekulantInnen bekannt. In der ersten der Privatisierungsphasen nach dem Fall des Kommunismus knüpfte er aber ein beeindruckendes Netz von Kontakten, das ihn schließlich in die Politik brachte. In seiner achtjährigen Amtszeit als Bürgermeister baute er gemeinsam mit seinem Bruder, einem sozialdemokratischen Senator, ein regionales Imperium auf, das sich von Fußballvereinen über Hotels bis zu Baufirmen erstreckte. Seiner politischen Tätigkeit verdankt Sechelariu, dass er von der Staatsanwaltschaft in Ruhe gelassen wurde. Je nach politischer Situation wechselte er die Partei. Innerhalb von acht Jahren wurde er vom Liberalen, zum Sozialdemokrat und schlussendlich zum Nationalisten. Als im Jahr 2004 dann doch ein Gerichtsverfahren wegen Korruption, Amtsmissbrauch und Meineid gegen Sechelariu eingeleitet wurde, war seine politische Niederlage besiegelt. Derzeit verkauft Sechelariu sein gesamtes Eigentum mit der Absicht in die USA auszuwandern.
Kleine UnternehmerInnen. Die „Barone“ stellen aber nur die Spitze eines Eisbergs dar. Andere ökonomische Eliten erscheinen längerfristig betrachtet viel bedeutender. Es handelt sich um LokalunternehmerInnen, die GründerInnen der über 500.000 Klein- und Mittelbetriebe in Rumänien, von Bars, Boutiquen am Straßenrand, Pizzerias und Apotheken. Sie sind der Stolz der heimischen National-Liberalen Partei. Jedoch haben auch sie ein Imageproblem. Die meisten werden von den Medien als frühere KommunistInnen dargestellt, die das neue kapitalistische Kostüm bequem übergezogen haben. Häufig werden Parallelen zu den ManagerInnen der staatlichen Betriebe gezogen, denen korruptes Vorgehen im Rahmen des Privatisierungsprozesses unterstellt wird. Sie legen für sich selbst überdurchschnittlich hohe Einkommen fest, während die Firmen in den Konkurs schlittern. Durch diesen Prozess werden die mittlerweile massiven Einkommensunterschiede noch vergrößert. Heute verdienen ManagerInnen einer Bank in Rumänien zwischen EUR 7.000 und 10.000, gleichzeitig liegt das Durchschnittseinkommen für die Mehrheit der Bevölkerung relativ niedrig bei derzeit EUR 252.
Diese Umwälzung der sozialen Schichten Rumäniens schlägt sich vor allem in der Politik nieder. Im Rahmen der letzten nationalen Wahlen im Jahr 2004 wurden die lokalen Barone einer Enthüllungskampagne unterzogen. Traian Basescu, der aktuelle Präsident Rumäniens, zog als Kämpfer gegen die Korruption in den Wahlkampf. Sein Slogan: „Gerechtigkeit und Wahrheit“. Der Kampf gegen die illegale Bereicherung, heißt es, hat aber erst angefangen.
Ovidiu Pop studiert Politikwissenschaft in Wien.