Romana Kollmann

„Es kann notwendig sein, Tausende zu opfern“

  • 13.07.2012, 18:18

Was wissen wir heute über den Zweiten Weltkrieg?

Was wissen wir heute über den Zweiten Weltkrieg? Beginn 1938, Ende 1945. Hitler, Churchill, Roosevelt. Auschwitz und Holocaust. Hiroshima und Nagasaki. Die Epoche des Zweiten Weltkriegs ist wohl diejenige, über die auch SchülerInnen, die Semester für Semester um ihre Geschichtsnoten kämpfen mussten, halbwegs Bescheid wissen. Dementsprechend niedrig ist daher die Motivation, sich mit Literatur zu einer solchen Epoche zu befassen, da das Gefühl vorherrscht, bereits zur Genüge gelehrt worden zu sein. Nicholson Bakers Textcollage Menschenrauch ist aber auch gerade jenen ans Herz zu legen, die sich in den obigen Zeilen beschrieben meinen. Ohne sich selbst zu Wort zu melden, schafft Baker es, mittels Zeitungsausschnitten, Tagebucheinträgen, Reden und Briefen eine Chronik des Zweiten Weltkriegs zu schaffen, die durch die Zurschaustellung der bizarren Handlungsweisen der Kriegsführer starke Zweifel bezüglich dessen Unabwendbarkeit aufkommen lassen. Durch die zitierten Dokumente werden bei LeserInnen Reaktionen ausgelöst, die von ungläubigem Lachen bis hin zu angewidertem Kopfschütteln reichen. Und immer wieder kommt die Frage auf, ob denn nicht alles hätte ganz anders laufen können, wären die Zeichen, die auf einen drohenden Krieg und den bestialischen Holocaust hinwiesen, schneller erkannt worden. Gleichgültig, wie viel Wissen bereits über den Verlauf des Zweiten Weltkriegs vorhanden ist – gewisse Gegebenheiten überraschen garantiert. So zum Beispiel Mahatma Gandhis Opfertheoretik, mit der er sein Konzept der Gewaltlosigkeit zu untermauern versucht: „Ich weiß, dass es notwendig sein kann, Hunderte wenn nicht gar Tausende zu opfern, um den Hunger von Diktaturen zu stillen.“ Die Praxis der Gewaltlosigkeit – ashimsa – sei am wirksamsten angesichts schrecklicher Gewalt, schrieb Gandhi, „auch wenn die Opfer nicht mehr erleben, wofür sie gelitten haben“. Bakers Buch sorgte für allerlei Kritik. Die Verbrechen der NationalsozialistInnen würden verharmlost, Hitler mit Churchill auf eine Ebene gestellt und außerdem würde Baker mit den Quellentexten zu frei hantieren. Angesichts der Tatsache, dass Baker lediglich vorhandenes Material zu einem großen Ganzen zusammengestellt hat, scheinen derartige Vorwürfe nicht wirklich gerechtfertigt. Vielmehr versucht er seinen pazifistischen Standpunkt zu verständlichen, indem er mit leichtem Hohn das Verhalten der EngländerInnen und AmerikanerInnen ebenso für den Verlauf des Krieges verantwortlich macht, wie das der Deutschen. Er verachtet alle am Krieg Beteiligten gleichermaßen. Die einzige Gruppierung, die mit gewisser Würde aussteigt, ist eben jene der bedingungslosen PazifistInnen. Die Verachtung auf alle anderen zu vermitteln, gelingt Baker ohne selbst zur Feder zu greifen. Diese Aufgabe dürfen die LeserInnen übernehmen. Zusammengefasst also eine Lobeshymne auf den Pazifismus, die allerdings hauptsächlich von dessen GegnerInnen gesungen wird. 

Garantien kann ich nicht bieten

  • 13.07.2012, 18:18

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

Journalismus ist seit jeher eine Branche, die Studierende anzieht. Die Fachhochschule Wien startet im kommenden Herbst ein neues Journalismus-Masterstudienprogramm. Das PROGRESS sprach mit Institutsleiter Reinhard Christl über das Pro und Contra einer solchen Ausbildung.

PROGRESS: Was macht den Journalismus-Master für Studierende interessant?

REINHARD CHRISTL: Das Masterstudium bietet die Möglichkeit, das Fachwissen, das Studierende aus einem abgeschlossenen Bachelor-Studium mitbringen, durch eine akademische Journalistenausbildung zu ergänzen. Es ermöglicht den Studenten eine praxisnahe Berufsausbildung.

Bei welchen Bachelor-Studien ist es Ihrer Meinung nach sinnvoll, einen Journalismus- Master anzuhängen, beziehungsweise wem würden Sie davon abraten?

Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen. Natürlich gibt es aber prädestinierte Studiengänge, die sich auch ganz logisch ergeben. Wirtschaftsjournalisten und Journalisten, die sich im Bereich der Politik perfekt auskennen, werden immer gefragt sein. Insofern ist es natürlich sinnvoll, ein Wirtschafts-, Geschichte- oder Politikstudium mit dem Master aus Journalismus zu verbinden. Auch Juristen und Mediziner sind sehr gefragt, genauso aber auch Leute mit einem abgeschlossenen Technikstudium. Was allerdings alle gemeinsam haben müssen ist eine wirkliche Leidenschaft für den Beruf Journalismus. Davon abraten würde ich jenen Personen, die lediglich die Lust verspüren, einmal in den Journalismus reinzuschnuppern.

Der Master-Studiengang dauert vier Semester. Angesichts der Tatsache, dass man sich journalistisches Wissen in der Praxis sehr schnell selbst aneignen kann, stellt sich natürlich die Frage, welche Vorteile man aus einer akademischen Ausbildung im Vergleich zu einer praktischen zieht?

Das mit der schnellen Selbstausbildung stimmt in gewisser Weise. Das Master-Studium soll aber auch gar nicht die Praxis ersetzen, die man im Berufsleben erlernt. Es bietet vielmehr die Möglichkeit, sämtliche Sparten des Journalismus kennenzulernen. Sowohl jene des Print-, als auch die des TV-, Radio- und Online-Journalismus.

Der Online-Journalismus wird ja in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle spielen. Einige prophezeien bereits das Aussterben der Printmedien. Welche innovativen Ansätze bietet die FH hier?

Es ist schwierig, zu diesem Thema bereits konkrete Lösungsansätze vorzulegen. Der Online-Journalismus ist eine sehr junge Art des Journalismus und dementsprechend schwer ist es auch, eine fundierte Ausbildung dafür zu bieten. Wir werden allerdings mit Spezialisten aus der Branche zusammenarbeiten.

Das lässt die Krisen-Frage offen. Was wird Ihrer Meinung nach aus den Printmedien? Hat es denn überhaupt noch Sinn, sich in diese Richtung zu orientieren?

Ich glaube nicht an ein komplettes Aussterben der Printmedien. Natürlich wird ihre Anazahl zurückgehen, da die Konkurrenz aus dem Internet groß ist. War es früher üblich, Immobilien oder Autos in Zeitungen anzubieten, so geschieht dies nun vorwiegend im Internet. Insofern wird es für Zeitungen schwieriger werden, die notwendigen finanziellen Mittel aufzubringen.

Neben der Krise, die den Journalismus an sich betrifft, gibt es ja noch eine zweite: Jährlich wächst die Zahl der Publizistik- AbsolventInnen, die Printmedien müssen aber sparen – wie steht es denn um die Jobchancen als JournalistIn?

Nun, wie bereits gesagt. Der Journalismus ist eine Berufssparte, die man leidenschaftlich betreiben muss. Entscheidet man sich dafür, weil man sich Reichtum erwartet, oder einfach Freude am Zeitungslesen hat, wird man vermutlich eine Enttäuschung erfahren. Man muss mit dem Hauch des Weltverbesserers ausgestattet sein, um in diesem Beruf glücklich zu werden. Mit der richtigen Ausbildung, einer gewissen Risikobereitschaft und der nötigen Leidenschaft wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ohne Arbeit enden. Man muss allerdings auch damit rechnen, dass es sich bei der Bezahlung nicht immer um große Summen handeln wird. Auf jeden Fall werden Qualitätsjournalisten auch dann gefragt sein, wenn es im Internet einem jeden möglich sein wird, journalistisch tätig zu sein. Davon kann man ausgehen.

Es gibt an Fachhochschule Wien auch einen Bachelor-Studiengang für Journalismus. Wie viele der AbsolventInnen haben es denn tatsächlich in ein Angestelltenverhältnis geschafft und wie viele arbeiten noch freiberuflich?

Konkrete Zahlen habe ich da nicht. Ich kann aber sagen, dass die Abgänger der ersten beiden Jahre zu einem hohen Prozentsatz eine Karriere in einem Angestelltenverhältnis begonnen haben. Und das auch bei renommierten österreichischen Tageszeitungen. In den darauffolgenden Jahrgängen war dies nicht mehr ganz so der Fall. Dementsprechend schlechter fällt daher auch die Karrierebilanz aus.

Wir sprechen beim Masterstudium von 34 freien Plätzen pro Jahr, was also im besten Fall auch 34 AbsolventInnen wären. Ein Zuwachs von 34 JournalistInnen pro Jahr wäre wohl auch bei einem massiven Rückgang der Arbeitsplätze kein Problem, aber wie sieht das Ganze angesichts der tausenden Publizistik- AbsolventInnen aus?

Der Master-Studiengang bildet Qualitätsjournalisten aus. Mit einer derartigen Ausbildung fällt es bestimmt leichter, einen Beruf zu ergreifen. Ich möchte Publizisten auf keinen Fall abwerten, aber unter den vielen Absolventen befindet sich nur eine Hand voll zukünftiger Journalisten. Und diese wenigen, die die nötigen Qualifikationen besitzen, diese werden sich dann mit unseren Absolventen die freien Arbeitsplätze teilen müssen.

Das heißt, der Master-Studiengang kann keine Garantie für einen Job bieten?

Nein, Garantien kann ich und auch sonst niemand selbstverständlich nicht bieten. Aber ein Absolvent hat die besten Chancen, mit abgeschlossenem Master einen journalistischen Beruf ergreifen zu können. Vor allem, weil schon während der Ausbildung dafür gesorgt wird, dass man auch in der Praxis tätig ist.