Peter Larndorfer

Ein Feiertag in der Zwickmühle

  • 24.09.2012, 10:00

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos. Ein Kommentar über beklemmende Trauer, Freude und Stille beim österreichischen Gedenken an das erfreuliche Ereignis.

Der 8. Mai, der Tag des Sieges der Alliierten über Nazideutschland im Jahr 1945, wird in Österreich nicht als offizieller Feiertag begangen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Staaten Europas ist die Bedeutung des 8. Mai in Österreich keine so klare Angelegenheit. Dem 8. Mai wird jedoch nicht nur vom offiziellen Österreich wenig Beachtung geschenkt, er hat auch für weite Teile der Bevölkerung keine Bedeutung. In den Medien finden sich höchstens kurze Meldungen zu den traditionellen Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Burschenschaftern, die den 8. Mai mit Fackeln in der Hand und Tränen in den Augen als Tag der totalen Niederlage betrauern, und linken Antifaschist_innen, die den skurrilen Traueraufmarsch verhindern oder zumindest stören möchten. So scheint es, dass dieser Tag lediglich für die extreme Rechte und ihre expliziten Gegner_innen eine gewisse Bedeutung hat.

TRAUERTAG DER EXTREMEN RECHTEN. Das Bild, das sich am 8. Mai rund um den Heldenplatz bietet, hat sich in den letzten Jahren kaum verändert: Großräumige Sperren ermöglichen es den Burschenschaftern in voller Montur, den „Alten Herren“, den FPÖ-Abgeordneten und den unauffällig gekleideten Neonazi-Kadern - 2004 lauschte etwa die mittlerweile inhaftierte Neonazi-Ikone Gottfried Küssel der Trauerrede Heinz-Christian Straches -, mit Fackeln und Trommelbegleitung von der Mölker Bastei zum Heldenplatz zu marschieren. Dort angekommen, werden pathetische Reden zum Besten gegeben und am Ende das „Lied vom guten Kameraden“, der Gassenhauer der Ewiggestrigen, angestimmt. Die antifaschistische Gegendemo fand in den letzten Jahren, abgeschirmt von mehreren Reihen Polizist_innen, vor den Toren des Heldenplatzes statt. Für die extreme Rechte und ihre parlamentarische Vertretung, die FPÖ, ist der 8. Mai traditionellerweise eine politische Bekenntnisfrage. Blaue Politiker_innen, die an diesem Tag gemeinsam mit Burschenschaftern und Neonazis zum Heldenplatz ziehen, verstecken ihre Interpretation des 8. Mai meist hinter der allgemeinen Floskel, es gehe ihnen um das Gedenken an „alle Opfer des Krieges“. In diesem Sinne erwähnte der damals frisch gebackene FPÖ-Parteichef Strache bei seiner „Totenrede“ auf dem Heldenplatz 2004 auch die Häftlinge der Konzentrationslager, um sie dann sogleich mit den „Opfern des alliierten Bombenterrors“ und den „Millionen heimatvertriebenen Deutschen“ gleichzusetzen, für die „das Kriegsende aber keine Befreiung gewesen“ sei. Hier wird einerseits eine klassische Vermischung von Opfern und Täter_innen betrieben: Alle waren irgendwie Opfer des Krieges, egal auf welcher Seite sie standen. Andererseits knüpft Strache an die Narrative derjenigen an, für die der 8. Mai 1945 tatsächlich ein Tag der Niederlage war, weil sie mit Überzeugung und Begeisterung für ein „Tausendjähriges Reich“ gekämpft hatten.

FEIERTAG DES ANTIFASCHISMUS. Für einen nicht so kleinen Teil der Gesellschaft - in Österreich gab es immerhin circa 700.000 NSDAP-Mitglieder - war der 8. Mai 1945 also eher ein Tag der Niederlage. Für jene, die verfolgt wurden, in den Konzentrationslagern litten, um ihr Leben fürchten mussten, war dieser Tag jedoch tatsächlich eine Befreiung, die es zu feiern galt. 1946 wurde rund um den 8. Mai ein dreitägiges Fest organisiert, das in den Folgejahren jedoch immer mehr an Bedeutung verlor. Um diesen Widerspruch zwischen Befreiten und Kriegsverlierer_innen zu kaschieren, wurde der 8. Mai 1945 zu einer „Stunde Null“ uminterpretiert, von der aus sich alle politischen Lager gemeinsam für ein freies Österreich einsetzten. „Österreich ist frei“, hieß es dann erst bei der Staatsgründung 1955. Damit sich Österreich als „Opferkollektiv“ konstituieren konnte, musste es sich zuerst von der konkreten Befreiung vom Nationalsozialismus „befreien“. Der Anspruch, den 8. Mai als Tag der Befreiung zu begreifen, ist somit nur schwer vereinbar mit den Gründungsnarrativen der Nation Österreich.

Heute rufen Antifaschist_innen rund um den 8. Mai dazu auf, diesen Tag gebührend zu feiern. Aber auch das birgt die Gefahr, Österreich wieder als „erstes Opfer“ zu begreifen, als „macht- und willenlos gemachtes Volk“, das 1945 endlich von der Fremdherrschaft befreit wurde. Wenn anstatt einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der postnazistischen Gesellschaft das „andere“, „bessere“ Österreich sich selbst abfeiert, wird der Widerspruch, auf dem Österreich beruht, erneut zugedeckt.

VERWEIGERUNG FEIERN. Ein Bezugspunkt für den 8. Mai, der kaum patriotisch instrumentalisierbar ist, wäre Desertion, Befehlsverweigerung und Flucht aus Verbänden der deutschen Wehrmacht. Das Sichtbarmachen von Deserteuren würde den Widerstreit der unvereinbaren Positionen von Widerstandskämpfer_innen und Deserteuren einerseits und den Täter_innen andererseits offenlegen, der durch das Gründungsnarrativ Österreichs verdeckt wird. Dass es für einen Staat kaum möglich ist, sich auf „Verrat“ positiv zu beziehen, zeigt jedoch die bis heute kontrovers geführte Debatte über den Umgang mit dem Andenken an Wehrmachtsdeserteure. Bis Herbst 2009 hat es gedauert, dass die Republik Österreich sich dazu durchringen konnte, die Opfer der NS-Militärjustiz zu rehabilitieren und die Urteile gegen sie aufzuheben. Die Forderung nach einem Denkmal, das Desertion und Fahnenflucht aus der Wehrmacht als widerständigen Akt würdigt, steht bis heute im Raum. Das Beispiel der Deserteure straft außerdem den Opfermythos und die Rede von der Willen- und Machtlosigkeit Lügen, indem es aufzeigt, dass es Möglichkeiten gab, gegen den Nationalsozialismus Widerstand zu leisten.

Die Frage, welche Rolle dem 8. Mai aus antifaschistischer Perspektive beigemessen wird, lässt sich nur angemessen beantworten, wenn ein konkreter historischer Bezug geschaffen wird. Fehlt diese Verbindung, beläuft sich das alljährliche Begehen dieses Tages auf bloßes Feiern, das jeder Grundlage entbehrt, oder auf eine patriotische Vereinnahmung durch das „bessere“, „andere“ Österreich. Die positive Bezugnahme auf Verweigerung, Ungehorsam und „Verrat“ als Charakteristika, die die Handlungen der Deserteure auszeichnen, bietet einen Ansatzpunkt, von dem aus der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, jenseits identitärer Instrumentalisierung und inhaltlicher Verflachung, gefeiert werden kann.
 

DER SIEG DER ALLIIERTEN 1945

29. MÄRZ 1945: Die Rote Armee befreit Klostermarienberg im Burgenland.
6. APRIL 1945: Rote Armee erreicht Wien. Kampflosen Übergabe Wiens scheitert, heftiger Häuserkampf zwischen Roter Armee und Volkssturm bzw. der HJ. SS patrouilliert in Straßen und erschießt desertierte Wehrmachtssoldaten.
10. APRIL 1945: Teppichhaus Haas geht in Flammen auf. Funkenflug löst den Brand des Stephansdoms aus - das Sinnbild Österreichs als „erstes Opfer des Nationalsozialismus“.
13. APRIL 1945: Kampf um Wien beendet, die rote Fahne wird am Parlament gehisst. Von den mehr als 200.000 Juden und Jüdinnen, die im März 1938 in Wien gelebt hatten, erleben nur mehr 5243 hier die Befreiung.
27. APRIL 1945: SPÖ, ÖVP und KPÖ unterzeichnen Proklamation der Selbstständigkeit Österreichs. Die Entrechtung, Verfolgung und Ermordung jüdischer Österreicher_innen bzw. von Angehörigen der Volksgruppen der Roma und Sinti sowie die Beteiligung zahlreicher Österreicher_innen an den NS-Verbrechen wird darin nicht erwähnt.
5. MAI 1945: US-Amerikanische Truppen befreien das KZ Mauthausen.
8. MAI 1945: Die Wehrmacht kapituliert bedingungslos in Berlin. Der 8. Mai ist in vielen europäischen Staaten bis heute als „Tag der Befreiung“ ein gesetzlicher Feiertag.

 

Jenseits des Schlussstrichs

  • 13.07.2012, 18:18

Der Verein Gedenkdienst zählt zu den ältesten anti-faschistischen zivilgesellschaftlichen Plattformen in Österreich.

Der Verein Gedenkdienst zählt zu den ältesten anti-faschistischen zivilgesellschaftlichen Plattformen in Österreich.

Mit ihrer Arbeit wollen die AktivistInnen des Vereins Gedenkdienst „an der Schaffung eines breiteren und tieferen Bewusstseins über den Holocaust mithelfen und so auch das Engagement gegen Antisemitismus, Rassismus und AusländerInnenfeindlichkeit und für die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte stärken.“

Bildungsangebot. Um dieses Ziel zu erreichen, bietet der Verein ein umfangreiches Bildungsprogramm an, das zum größten Teil auf ehrenamtlichem Engagement basiert. Zentral ist dabei die regelmäßig im Wiener Depot stattfindende Diskussionsveranstaltung „Geh denken!“, bei der ExpertInnen über europäische Erinnerungskulturen, aktuelle zeitgeschichtliche Projekte, Fragen antifaschistischer Bildungsarbeit und andere Themen referieren. Außerdem veranstaltet der Verein jährlich eine Tagung, die letzte fand 2009 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien zum Thema Wehrmachtsjustiz statt, 2008 ging es um Erinnerung und Geschlecht. Außerdem beteiligt sich der Verein Gedenkdienst immer wieder an größeren zeitgeschichtlichen Projekten, etwa an der Ausstellung „Was damals Recht war …“, die im Herbst 2009 im Nestroyhof zu sehen war. 

Freiwilligendienst für Frauen. Um nicht nur Männern die Möglichkeit zu geben, sich zu engagieren, arbeitet der Verein auch an der Ermöglichung eines Freiwilligendienstes für Frauen. Seit 2007 werden auch junge Frauen an NS-Gedenkstätten und Bildungseinrichtungen entsendet und beim Ansuchen um einen von der EU geförderten europäischen Freiwilligendienst unterstützt. Das Hauptproblem ist die Finanzierung: Während junge Männer den Gedenkdienst als Zivil-Ersatzdienst vom Innenministerium finanziert bekommen, fehlt für junge Frauen eine öffentliche Finanzierung. Der Verein ist also auf Spenden von Parteien, Institutionen und Privatpersonen angewiesen

Studienfahrten. Im Rahmen der Plattform studienfahrt.at wurden 20 junge Menschen zur pädagogischen Begleitung und Organisation von Studienfahrten an NS-Gedenkstätten in ganz Europa ausgebildet. Die Ausgebildeten unterstützen Schulklassen, Bildungseinrichtungen, Jugend- und Erwachsenengruppen bei der Planung und Durchführung historisch-politischer Bildungsfahrten. So möchte der Verein verstärkt auf die Möglichkeit mehrtägiger historisch-politischer Projekte an NS-Gedenkstätten hinweisen, die in Österreich bislang noch wenig genutzt wurden. 

Bereit, den Kampfanzug anzuziehen

  • 13.07.2012, 18:18

Oslo war vorhersehbar, die Gesellschaft rückt nach rechts und kritische Öffentlichkeit stumpft ab. welcher widerstand macht jetzt Sinn? Ein Licht aufs Meer des Antifaschismus.

Oslo war vorhersehbar, die Gesellschaft rückt nach rechts und kritische Öffentlichkeit stumpft ab. welcher widerstand macht jetzt Sinn? Ein Licht aufs Meer des Antifaschismus.

Unfassbar und pietätlos“, empörte sich FPÖ-Chef Heinz- Christian Strache drei Tage nach dem Attentat von Oslo, sei es, die Politik seiner Partei in irgendeinen Zusammenhang mit diesem Ereignis zu stellen. Denn plötzlich wurde öffentlich thematisiert, was ohnehin offensichtlich ist – und schon drei Monate danach in Vergessenheit zu geraten scheint: Dass die FPÖ und ihre Verbündeten in ganz Europa den Boden für „Einzeltäter“ wie Anders Behring Breivik bereitet haben. Die inhaltlichen Parallelen finden sich schwarz auf weiß in Breiviks Manifest: Dort zitiert er die aus Vorträgen am FPÖ-Bildungsinstitut bekannte „Islamexpertin“ Elisabeth Sabaditsch-Wolff genauso wie die freiheitliche Wahlkampflüge vom Verbot des Nikolos in Wiener Kindergärten. Umgekehrt ruft die FPÖ mittels Schüttelreimen, Comics und Computerspielen immer wieder wörtlich und symbolisch zu Gewalt auf. Ganz direkt wird Strache, wenn es „um unsere Heimat“ geht: „Da muss man auch bereit sein, den Kampfanzug anzuziehen“, wetterte er, der einige Jahre davor noch selbst im Kampfanzug durch den Wald robbte, beim FPÖ-Parteitag 2006.
Heribert Schiedel, Rechtsextremismus-Experte im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW), schrieb in den Tagen rund um die Osloer Attentate gerade am letzten Kapitel seines neuen Buches „Extreme Rechte in Europa“, das im Oktober in der Edition Steinbauer erscheinen wird. Er sei damals nicht besonders überrascht gewesen und meint sogar, die Anschläge waren angekündigt: „Das war nur eine Frage der Zeit. Das Bekennerschreiben zur Tat war schon da, dessen Inhalte weitgehend akzeptiert.“ Breiviks Ansichten fände man fast wörtlich in „Texten, Aufsätzen, Reden von europäischen Rechten verschiedener Fraktionen. Je weiter man nach rechts außen geht, desto unmittelbarer werden die Vernichtungsphantasien, die Drohungen, die Paranoia.“

Buckeln und Treten. Basis für Rechtsextremismus sind nicht allein die Skins von nebenan im Thor- Steinar-Style oder rechtsextreme Internetseiten. Vielmehr entspringt all das einer Gesellschaft, in der es schnell einmal hart auf hart gehen kann. Von klein an lernen wir, unsere Wünsche nicht zu hoch zu schrauben, oder gleich zu unterdrücken. Nach den engen Schlingen der Kleinfamilie folgen Kindergarten, Schule und manchmal auch Militär – Institutionen, die patriarchal- autoritär geprägt sind und auf ein hartes Konkurrenzverhältnis in der Arbeitswelt, einen soziallöchrigen Staat und ein hierarchisches politisches System vorbereiten. Die Verletzungen und Demütigungen können dabei immens sein, die Handlungsspielräume, am eigenen Leben etwas zu ändern, minimal. Das führt häufig zu aggressiver Resignation: Nach oben buckeln, nach unten treten. Erklärungen werden gesucht, Verschwörungstheorien entstehen. Angst, Neid und Hass liegen eng beieinander – und werden auf „die Anderen“ projiziert. Rechtsextremismus ist die idealtypische Äußerung davon.

Mit dem zunehmenden antimuslimischen Ressentiment in der Gesellschaft hingegen tun sich klassische Rechtsextremist_innen oft schwer – werden doch die Muslim_innen von Vielen als Verbündete gegen „die Juden“ betrachtet. Eine elegante inhaltliche Klammer zwischen klassischem Rechtsextremismus und antimuslimischem Alltagsrassismus bietet aber der Mythos der „Türkenbelagerung“. Bereits im Austrofaschismus wurde dieser als „Kampf um das Abendland“ hochstilisiert. Der FPÖ gibt er nicht nur eine Möglichkeit, die „rein“ gehaltene Nation zu feiern und damit die Kernklientel zu bedienen, sondern auch, um mit dem verstärkten Ressentiment gegen Muslim_innen Stimmen zu fangen. Der antimuslimische Konsens verbreite sich also „auf Basis der ‚Verteidigung europäischer Werte‘ gepaart mit paranoiden Vorstellungen einer ‚linkslinken Multi-Kulti-Verschwörung‘“, sagt Schiedel.

Verschiebung der Normalität. Martina Wurzer, Grüne Gemeinderatsabgeordnete mit antifaschistischem Schwerpunkt, konstatiert Österreich ein tiefsitzendes Problem mit antisemitischen und rassistischen Ressentiments. Die FPÖ spiele auf dieser Klaviatur: „Durch das Erstarken der FPÖ fühlt sich nicht nur die neonazistische Szene bekräftigt, es wirkt auch als Legitimation für latente Fremdenfeindlichkeit. Die Politik und Parolen der FPÖ führen dazu, dass das an den Stammtischen viel besser verbreitbar ist.“ Dies spiegle sich im Verfassungsschutzbericht wider, wobei dieser sehr zurückhaltend mit der Thematisierung rechtsextremer Straftaten sei. Eine eklatante Zunahme von Delikten mit rechtem Hintergrund ist jedoch kaum zu verbergen. Der Ende September veröffentlichte Sicherheitsbericht spricht gar von einem Anstieg um 28 Prozent im Jahr 2010.

Lichtermeer und schwarzblau. Diesem neuerlichen Erstarken des Rechtsextremismus gilt es etwas entgegen zusetzen. Die Frage ist nur, was. Die großen Kundgebungen des „anderen Österreich“ scheinen gescheitert. Die Forderungen des Anti- Ausländer_innen-Volksbegehrens der FPÖ 1993, gegen das damals 300.000 Menschen im Zuge des Lichtermeers auf die Straße gingen, sind heute weitgehend umgesetzt – großteils von SP-Innenministern. Sibylle Summer, linke Sozialdemokratin und Vorstandsmitglied im Republikanischen Club, sieht einen Normalisierungsprozess, der in den letzten Jahren in Bezug auf autoritäre Tendenzen, Rassismus und den Wunsch nach einem „starken Mann“ stattgefunden habe. Dennoch betrachtet sie die klassischen antifaschistischen Kundgebungen, wie sie 1986 gegen Waldheim, 1993 gegen das FPÖ-Volksbegehren und 2000 gegen Schwarz-Blau stattgefunden haben, nicht als sinnlos: „Da war jeweils eine neue Generation engagiert, es sind NGOs entstanden. Solche Bewegungen sind generationsprägend. Daraus erwächst kritischeres Bewusstsein.“ Außerdem sei es wichtig, nicht abzustumpfen und der Empörung Ausdruck zu verleihen: „Eine Demonstration ist eine Verortung der Emotion und kann Ausgangspunkt für politische Organisierung und Aufklärungsarbeit sein.“

Kein Spielplatz für die FPÖ. Auch durch die Vernetzung der Rechten im Internet tun sich hier neue Aktionsformen auf. „Wir sehen unsere Arbeit als Teil einer antifaschistischen Protestbewegung“, sagen die Aktivist_innen von Bawekoll, dem Basisdemokratischen Webkollektikv. Sie beobachten seit Mitte Juni die Tätigkeiten der FPÖ im Internet, sammeln und kontextualisieren diese auf ihrer Website. Den Facebook- Auftritten von FPÖ-Politiker_innen wird dabei genauso nachgegangen wie ihren Verbindungen im Real Life. Denn „Social Media-Plattformen sind kein Spielplatz, auf dem ich, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, tun kann was ich will“, meinen sie. Bawekoll übernehmen gemeinsam mit anderen Blogs und Internetleser_innen einen wichtigen Teil der Recherchearbeit über rechtsextreme Netzwerke. Diese Archive seien ein wertvoller Bestandteil antifaschistischen Engagements, sagt auch Martina Wurzer: „Es ist dramatisch, wie abgestumpft wir von den ständigen Vorfällen und Aussagen von FPÖ-Politiker_innen, Burschenschaftern und Neonazis sind. Diese Blogs helfen, sich daran zu erinnern. Denn der österreichische Staat zeigt extreme Lücken auf, wenn es darum geht, Rechtsextremismus zu beobachten und zu ahnden.“ Schiedel setzt weniger beim Staat als bei der Arbeit mit Jugendlichen an, beim Auslösen von Reflexionsprozessen vor einem historischen Hintergrund: „Warum sollte das nicht auch gesamtgesellschaftlich funktionieren?“ Skandalisierungen und Demonstrationen könnten es schaffen, mehr Zustimmung für antifaschistische Positionen zu erreichen. Doch, so Schiedel nachdrücklich, die Frage sei: „Was mach ich dann mit der Zustimmung? Feiere ich den Sieg der Massen gegen die Nazis? Oder gehe ich einen Schritt weiter, freue mich zwar über Zustimmung, aber frage auch, wie es mit mir selbst, der eigenen Partei, dem eigenen Umfeld, der eigenen Gesellschaft aussieht.“

Die AutorInnen studieren Politik und Geschichte