Niklas Hintermayer

Von der Straße ins Atelier

  • 29.12.2013, 15:47

Street Art ist in Österreich groß. Egal ob auf kahlen Häuserwänden oder in schmucken Galerien, diese Kunstform bietet immer mehr jungen Leuten Raum, um sich selbst zu verwirklichen. Ein Portrait von zwei leidenschaftlichen Künstlern, deren Werke sowohl in Ateliers als auch auf der Straße zu sehen sind.

 

Street Art ist in Österreich groß. Egal ob auf kahlen Häuserwänden oder in schmucken Galerien, diese Kunstform bietet immer mehr jungen Leuten Raum, um sich selbst zu verwirklichen. Ein Portrait von zwei leidenschaftlichen Künstlern, deren Werke sowohl in Ateliers als auch auf der Straße zu sehen sind.

Der Bus 48A donnert nur so vorbei, der großgewachsene Mann mit der roten Maske huscht gerade noch von der Straße auf den Gehsteig. „Perfekt“, sagt er sichtlich erfreut, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Ein großes, mit weißer Kreide gemaltes „K“ prangt nun neben der Straßenmarkierung, im Zusammenspiel mit den Buchstaben „BUS“ ergibt es den Namen des Urhebers: BUSK. Es ist Mittag, Ecke Burggasse/Kirchberggasse und der Street Art-Künstler Paul Busk spricht angeregt über die Faszination des „toten Punktes“ zwischen den Verkehrsfrequenzen: Es bleibt ihm nur etwa eine Minute, sich auf die Straße zu bewegen, galant hinunter zu bücken und mit einer sauberen Linie den Buchstaben zu malen - bevor die Autos wieder Richtung Volkstheater preschen. Der gänzlich in schwarz gekleidete Künstler wirkt routiniert und gleichzeitig verspielt, er hat solche nicht ganz ungefährlichen Verkehrssituationen schon öfter erlebt. Auch die verwunderten Blicke der PassantInnen stören ihn nicht, im Gegenteil: Zwischendurch posiert er freudig für die Kamera, lehnt sich lässig gegen einen Straßenmast und lässt es sich letztlich auch nicht nehmen, auf das Fensterbrett des italienischen Lokals Ragazzi „Busk“ hinzufetzen.

 

BUSK - "Von der Straße ins Atelier" from Progress on Vimeo.

Am Anfang war Graffiti. Öffentliche Verkehrsmittel scheinen den Wiener schon immer auf gute Ideen gebracht zu haben: Vor gut 20 Jahren legt Paul Busk mit der S-Bahn täglich den Schulweg nach Hetzendorf* zurück, dabei bestaunt er zahlreiche bunte Graffiti-Bilder. Schließlich beginnt er mit einem Schulfreund selbst zu sprayen. „Mich hat an Graffiti interessiert, einen Raum zu finden, wo ich mich aktiv bewegen kann“, erzählt Paul Busk - diesmal in einem großflächigen Atelier, mit einer langgezogenen Bar und schillernden Bildern an der Wand. Im Hintergrund laufen sanfte, jazzige Beats. Er sitzt nach vorne gebeugt, die Hände zwischen den Beinen zusammengefaltet und wirkt etwas zurückhaltend, seine Antworten wählt er mit Bedacht. „Damals hat es den Begriff ‚Street Art‘ in Österreich nicht gegeben, dieser wurde erst in den letzten fünfzehn Jahren geläufig“, erklärt er. Heute zählt Paul Busk zu den bekanntesten Street Art-KünstlerInnen des Landes. Wer mit wachem Blick durch die Straßen Wiens streift, entdeckt an unzähligen Häuserwänden sein bekanntestes Motiv: den breit grinsenden Affenkopf mit den abstehenden Ohren. Doch auch das Innere der Grellen Forelle, den Stiegenlauf auf der Donauinsel oder das Ovaldach der U-Bahn Station Hietzing durfte Paul Busk bereits mit seinen ausgefallenen Schriftzügen und Malereien schmücken – letzteres gemeinsam mit dem KünstlerInnenkollektiv DEEP INC. Dabei verwendet er was ihm gerade so in die Finger kommt: vom klassischen Marker und der Sprühdose bis hin zu Stickern und gefaltetem Papier.

Die Stadt als Spielplatz. Ein besonderes Projekt war jenes im zweiten Bezirk, direkt beim Ausgang der U-Bahn Station Praterstern, wo ein schmaler Durchgang – untypisch für Wien – keinen Straßennamen aufwies. Grund genug für Paul Busk sein eigenes Straßenschild anzufertigen, dort aufzuhängen und die Gasse prompt „Busk-Cmod-Gasse“ zu nennen. Er versucht die damit angesprochene „Raumfrage“ weiter zu skizzieren: „Es interessiert mich besonders, einen Zugang zu einem Raum zu finden und eine Einheit mit ihm zu bilden.“ sagt er merklich angetan, nun redefreudiger als zu Beginn des Gespräches. Überhaupt dient die weitläufige Hauptstadt dem Urban Art-Künstler nicht selten als Inspirationsquelle, so nimmt er bewusst Umwege mit dem Fahrrad, wenn er auf Ebay oder Willhaben.at erstandene Artikel abholt: „Ich nutze diese Onlinebörsen, um neue Stadtteile und Wohnsiedlungen zu erkunden. So lerne ich die Stadt immer neu kennen und kann über meinen Tellerrand schauen.“

 

Genau im Blick haben muss Paul Busk auch immer wieder die vorbeirollenden Autos, während er das dritte und letzte „K“ auf den Straßenboden der Burggasse setzt – diesmal mit zwei Kreiden gleichzeitig. Die wuchtigen Autoreifen lassen den Schriftzug allmählich verblassen, Kreidepartikel wirbeln in der Luft.

Paul Busk lässt ein lautes, freudiges Lachen von sich und hüpft auf den Gehsteig. Seine schwarzen Handschuhe sind mittlerweile abgewetzt vom Asphalt, die Kreide bis auf Daumengröße abgenutzt. Für ihn sei das Ganze eine „Spaßaktion“ gewesen, wiewohl er auf deren kleine Details hinweist: die verwendete Kinderkreide oder „wie die Farbpartikel in die Stadt getragen“ werden. Nur ein paar 100 Meter weiter stadtauswärts hat ein anderer Straßenkünstler eines seiner großflächigen Tags hinterlassen, die er mittlerweile über ganz Wien verstreut: Der Schriftzug „Puber“ breitet sich in roter Farbe über die Wand einer Apotheke aus. Städte wie Zürich oder Amsterdam können davon bereits ein Lied singen: Der Sprüher hat es sich einzig zum Ziel gesetzt, sich auf so vielen Wänden wie möglich zu verewigen. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, Werke anderer KünstlerInnen zu übermalen. „Ich kenne Puber zwar nicht persönlich, aber aus Graffiti-technischer Sicht ist es interessant. Auch wenn dieser trashige Look aus den 80ies nichts Neues für mich ist, denn ich habe Graffiti so kennengelernt“, sagt Paul Busk, ohne näher auf Pubers – etwaige - Kunst eingehen zu wollen.

Street Art meets Politics. Für so viel Wirbel wie der mysteriöse Mister Puber hat Paul Busk wohl noch nicht gesorgt, trotzdem gebe es hie und da auch hitzige Diskussionen mit PassantInnen. Erst vor ein paar Wochen habe sich ein älterer Herr durch das Sprühen bei einer U-Bahn Station gestört gefühlt: „Der hat uns angeschrien und gleich die Polizei gerufen, obwohl alles genehmigt war. Das muss man einfach ausblenden, aber zu polarisieren ist auch gut“, meint der Künstler abgeklärt. Allein die Herangehensweise bei Street Art-Graffiti sei bereits ein politischer Akt: „Es ist ähnlich wie die Entscheidung, ob ich bei Rot über die Straße gehe oder nicht. Letztlich muss das jeder im Moment für sich entscheiden, unabhängig von den gesetzlichen Regelungen. Dieser autonome Zugang hat mich immer fasziniert.“ Wenn Paul Busk mit angenehmer Stimme über seine bisherigen Arbeiten spricht, versteift er sich nicht krampfhaft auf einen Kunstbegriff. So besteht für ihn etwa kein Unterschied zwischen Graffiti und Street Art, wiewohl er durch seine „Zwischenform“ mehr Leute erreichen könne, als „wenn er nur seinen Schriftzug malt.“ Auch hat er keinerlei Probleme mit kommerzieller Auftragsarbeit: „Wenn diese gut gemacht ist, kann dabei auch mehr Volumen entstehen: Es bringt Sponsoren, interessiert die Leute und ein breites Netzwerk entwickelt sich. Ich finde, das spießt sich nicht mit der Street Art-Philosophie. Ich stelle auch gerne in Ausstellungsräumen aus, denn die Auseinandersetzung ist dort eine gänzlich andere als autonom auf der Straße.“ Trotzdem habe es Street Art hierzulande nach wie vor schwer: Einerseits sei die eng gewachsene Stadtmorphologie und das in der Gesellschaft tief verwurzelte Obrigkeitsgefühl ein Problem, andererseits greife die Wiener Stadtverwaltung äußerst rasch zu Reinigungsmaßnahmen. Wirklich große Kopfschmerzen scheint das Paul Busk aber nicht zu bereiten. Vielmehr träumt er bereits davon, wie Street Art in 50 Jahren aussehen könnte: „Ich glaube, dass Street Art-Graffiti Einzug halten wird in die Kunst des 21. Jahrhunderts, sei es in Museen oder in Publikationen der Kunstgeschichte.“ Street Art ist Busks Leidenschaft. So richtig abschalten von der Kunst kann der Kreative sowieso nicht, selbst im Urlaub habe er früher die Wände vollgesprüht. Auf die Frage, wo es denn die schönsten Wände gäbe, antwortet er grinsend: „Dort, wo ich auf Urlaub war.“

2005 gründete Lucia Friedrich zusammen mit Nychos die Street Art-Crew Rabbit Eye Movement.

Rabbits in der Galerie. Nicht nur Paul Busk hat seine vielfältigen Arbeiten bereits in Ausstellungsräumen präsentiert. Immer mehr Street Art-KünstlerInnen finden den Weg in die österreichischen Galerien. Dennoch gibt es Stimmen in der Szene, die bereits die Auseinandersetzung in einem Atelier kritisch beäugen. Lucia Friedrich ist eine Streetart-Künstlerin, deren Zugang zur Kunst. sich deutlich von jenem von Paul Busk unterscheidet. Während sie mit einem dünnen Pinsel Farbstriche auf eine Leinwand aufträgt, überlegt die junge Künstlerin. Sie ist darauf bedacht, was sie sagt und wie sie es formuliert. Ihre Visionen und Konzepte sind klar definiert: “Ich denke, dass jeder Mensch eine Verantwortung gegenüber unserer Gesellschaft trägt. Kunst ist ein mächtiges Mittel, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. 'Art is a weapon' oder vielleicht auch nur ein intimes Ventil, zu dem paradoxerweise jeder Zugang haben kann.“ Ihren eigenen Zugang zur Kunst fand die in Frankreich geborene Künstlerin bereits sehr früh. Mittlerweile lebt sie seit fünf Jahren in Wien, wo sie eine Ausbildung an der Graphischen abschloss. Trotz ihrer jungen Jahre liest sich ihre Referenzliste wie die eines alten Hasen: Unter anderem für RedBull Media, Paar-Laden und Stillwerk bis hin zu Yves Sait Laurent hat sie bereits Auftragsarbeiten gemacht. “Solange ich mich auf eine Art und Weise mit den Vorgaben identifizieren kann, finde ich Auftragsarbeiten cool. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich nicht Kompromisse eingehe, doch wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich mit meinem Handwerk prostituieren müsste, würde ich schreiend davonlaufen“, meint die Street Art-Künstlerin mit scharfem Blick, ihre blonden Haare nach oben zusammengebunden.

I met Lucy. Neben ihren eigenen Projekten ist die Kreative auch in Gemeinschaftsprojekte involviert. Zusammen mit dem Urban Street Art-Artist Nychos hat sie 2005 die bekannte Wiener Street Art-Crew Rabbit Eye Movement gegründet deren Art Director sie auch ist. Der steirische Künstler Nychos machte sich mit seinen “Rabbits” und seinen anatomischen Arbeiten schnell einen Namen in und außerhalb der Szene. Für Lucia Friedrich spielt der eigene Name bei ihrem Projekt “I met Lucy” (IML) keine Rolle: “Das Werk hinter der Unterschrift spiegelt die eigene Authentizität wider. Der Name ‚I met Lucy‘ unterstreicht nur die Interaktion zwischen dem fremden Betrachter und meiner Arbeit.” In dem Crew-eigenen Artspace in der Gumpendorfer Straße stellt Friedrich regelmäßig ihre neuen Werke vor. Der politische Charakter mancher ihrer Bilder ist nicht zu übersehen: “Kunst ist der Spiegel der Gesellschaft. Jede Zeit bekommt die Kunst, die sie verdient. Für mich spielt das Gesellschaftskritische oder Gesellschaftspolitische eine wichtige Rolle. Meine ‚Vandals‘-Serie ist das Ergebnis davon. Sie bezieht sich auf die Kettenreaktionen der Aufstände des Arabischen Frühlings. Ich setze die Vandals vor widersprüchliche, teilweise aus dem Kontext fallende, Hintergründe und Kulissen. Die Kernaussage bleibt aber quasi immer gleich”, erzählt sie. Lucia Friedrich findet man jedoch auch außerhalb der Galerie: “Ein wichtiges Element von Street Art ist die Fähigkeit mit dem öffentlichen Raum und mit dem Blick des Betrachters zu spielen. Das funktioniert nicht zwangsläufig nur in einem Ausstellungsraum.”

*Ortsname von der Redaktion geändert

 

Autoren: Lukas Klingan studiert Publizistik in Wien, Niklas Hintermayer studiert Rechtswissenschaften in Wien.

Foto: Alexander Gotter studiert Sozioökonomie in Wien.

Mic statt Aktenkoffer

  • 21.10.2013, 15:31

Enge Jeans, schlichtes blaues Shirt und bedachte Antworten: Der 26-jährige Österreicher Gerard wirkt nicht wie der typische Rapper. Mit seinem neuen Album „Blausicht“ erobert er im Moment die deutschsprachige Rapszene und gibt ihr neue Maßstäbe.

Enge Jeans, schlichtes blaues Shirt und bedachte Antworten: Der 26-jährige Österreicher Gerard wirkt nicht wie der typische Rapper. Mit seinem neuen Album „Blausicht“ erobert er im Moment die deutschsprachige Rapszene und gibt ihr neue Maßstäbe.

progress: Die „Generation Maybe“- Thematik zieht sich wie ein roter Faden durch dein Album „Blausicht“. Folgendes Zitat stammt vom Journalisten Oliver Jeges: „Wir 20- bis 30-Jährigen sind eine Generation ohne Eigenschaften. Gut ausgebildet, aber ohne Plan, ohne Mut, ohne Biss. Weil alles möglich ist, sind alle heillos überfordert.“ Was würdest du ihm entgegnen?

Gerard: Ich tue mir recht schwer, wenn ich als Generationssprecher gesehen werde. Ich sage immer, dass ich von mir, meinem Umfeld und meinen Freunden rede. Da trifft das auf jeden Fall auf einige zu, weil viele Freunde gerade mit dem Studium fertig werden. Die überlegen jetzt, ob sie vielleicht noch etwas studieren oder einen Master im Ausland machen sollen. Für mich ist Studium ein Graubereich: Du bist zwar kein Schüler mehr, musst aber gleichzeitig noch keine Steuern oder Sozialversicherung zahlen.

Du hast einmal gesagt, du probierst das mit dem professionellen Musikmachen auch stellvertretend für die Leute aus, die sich noch nicht trauen, das zu tun, was sie wirklich wollen. Wann wusstest du, was du wirklich willst?

Eigentlich ab dem Moment, wo es keine andere Möglichkeit mehr gegeben hat. Ich habe nach meinem Jus-Studium noch das Gerichtsjahr gemacht und da einfach gemerkt, was ein echter Job an Energie und Zeit frisst. Wenn du jeden Tag um acht dort sein musst und um halb vier heimkommst, hast du nicht mehr den Nerv, dass du noch kreativ tätig bist. Ich wusste einfach, entweder mache ich eine normale Arbeit oder eben Musik. Ich wollte ja schon immer Musik machen, aber bisher war nie in Aussicht, dass man davon leben kann.

Du warst der Tour-Support des Berliner Rappers Prinz Pi. Hat diese Erfahrung deine Entscheidung einfacher gemacht? Zu welchem Zeitpunkt im Studium ist die gefallen?

Die Pi-Tour ist etwa in das letzte dreiviertel Jahr meines Studiums gefallen und war ein halbes Jahr immer an den Wochenenden. Das war dann schon Hardcore: Ich bin teilweise erst um sieben Uhr mit dem Nachtzug aus Berlin gekommen und hatte um neun am Morgen eine Prüfung. In der Prüfungszeit blieben nur drei Tage Zeit zum Lernen, wo du sonst sechs oder sieben hast. Körperlich und psychisch hätte ich das nicht länger geschafft. Aber ich habe auf der Tour jedenfalls gemerkt, dass die auch nur mit Wasser kochen, das ermutigt einen. Wenn es der schafft, warum sollte ich das nicht schaffen?

Eine juristische Laufbahn kommt für dich nicht in Betracht?

Beim Gerichtsjahr habe ich einfach gemerkt, dass ich da nicht mit ganzem Elan dabei war. Ich habe viele Schlampigkeitsfehler gemacht. Die Richterin dachte, dass ich völlig verloren bin. Die wusste, dass ich eigentlich etwas ganz anderes verfolge. Wenn ich eine juristische Laufbahn eingeschlagen hätte, wäre ich untergegangen. Aber ich hoffe, dass ich das auch nie muss.

Hat dir dein Studium dann etwas gebracht?

Auf jeden Fall. Es war auch nicht so, dass es mich überhaupt nicht interessiert hat. Sonst könnte man das nicht sechs Jahre lang durchziehen. Und ich habe dadurch Sitzfleisch und Disziplin erlangt. Ich habe durch das Studium gelernt, strukturiert zu sein, und viel über Zeitmanagement erfahren. Ich bin kein „Künstler-Künstler“, der Termine verpennt. Und auch Selbstbewusstsein habe ich bekommen. Als ich bei meiner ersten Jus-Prüfung die riesige Anzahl der Bücher gesehen habe, habe ich mich gefragt: Wie soll das denn gehen? Aber dann sitzt man einfach längere Zeit an etwas und auf einmal hast du den Dreh heraus.

Deine Texte wirken auf den ersten Blick melancholisch, doch auf den zweiten erkennt man das Optimistische daran. Zudem formulierst du Zeilen oft so, dass man sowohl ein „ich“, als auch ein „wir“ einfügen könnte. Das macht sie für die HörerInnen interessant. Machst du das bewusst?

Ich versuche Tracks und Konzepte so zu gestalten, dass man etwas hineininterpretieren kann. Auch wenn ich selbst Musik höre, gefällt mir das bei Songs immer sehr gut. Auf „Verschwommen“ gibt es so ein Element, wo ich den Namen Nora nenne, ein anderer aber stattdessen vielleicht Lisa im Kopf hört. Bezüglich des Zweifels: Der Song „Standby“ ist etwa nicht auf dem Album, weil er noch viel zu orientierungslos war. Ich finde, dass das Album positiv ist. Sogar auf dem Track „Nichts“, wo es um den Tod einer Freundin geht, gibt es ein optimistisches Element, wenn ich rappe: „Das Drama von damals ist heute nicht der Rede wert.“ Also blöd gesagt: Wenn du noch gewartet hättest, würdest du heute darüber lachen.

Hinter dem Track „Wie neu“ steckt eine Kritik an der österreichischen Freunderlwirtschaft. Gegen wen richtet sich der Song und bist du eigentlich ein politischer Mensch?

Politisch … – es geht so. Ich habe mir schon immer die Wahlkonfrontationen angesehen und überlege mir genau, wen ich wähle. Ich lese mir auch Wahlprogramme durch. Aber der Track bezieht sich nicht nur auf Parteipolitik. Er richtet sich auch gegen veraltete Strukturen und das nicht nur in Österreich. Ich habe einfach das Gefühl, dass ganz allgemein viele alte Dogmen existieren. Das kann man auch auf die Major Labels ummünzen. Wenn man einen Jungen mit Visionen ranlassen und ein bisschen riskieren würde, würde vieles besser laufen.

Auf „Manchmal“ und „Lissabon“ rappst du über sehr persönliche Dinge wie etwa das Thema Beziehung. Gibt es da eine Grenze für dich, wie viel Persönliches du in einem Track niederschreibst?

Eigentlich nicht. Im Endeffekt halte ich sie sehr allgemein. Ich werde oft gefragt, ob ich mich nicht angreifbar mache. Aber selbst wenn du darüber rappst, dass dich die Frau verlassen hat, hat das jeder in einem gewissen Alter schon erlebt. Das heißt jetzt nicht, dass du als Mensch schlecht bist (lacht). Auch wenn etwas extrem persönlich wirkt, kannst du als Künstler stets selbst bestimmen, wie viel davon wahr ist.

Versuchst du mit den elektronischen Einflüssen auf deiner Platte, Deutschrap auch für die breitere Masse zu öffnen?

Ja, das war eigentlich immer so geplant, wobei das jetzt so strategisch klingt. Mir ist das völlig egal, ob man unsere Musik noch als Hip Hop sieht oder nicht. Ich höre auch oft, dass es Indie oder Pop sei. Ich persönlich finde, dass es voll Hip Hop ist, sonst würde es wohl auch keine Referenzen auf Leute wie Hudson Mohawke geben. Der kommt ja auch ursprünglich aus dem Rap.

 

Die Autoren studieren Rechtswissenschaften und Sozioökonomie in Wien.