Iris Schwarzenbacher

„Um die Rechte der Kinder geht es nicht"

  • 29.09.2012, 19:54

Die Väterrechtsbewegung hat in Österreich in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Zu den Interessen der Väterrechtler zählt jedoch nicht nur das Wohl des Kindes. progress hat sich in der Väterrechtsszene umgeschaut.

 

Die Väterrechtsbewegung hat in Österreich in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Zu den Interessen der Väterrechtler zählt jedoch nicht nur das Wohl des Kindes. progress hat sich in der Väterrechtsszene umgeschaut.

Vergehen der gefährlichen Drohung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Verbrechen der Verleumdung, Nötigung, Vergehen der beharrlichen Verfolgung. So lautet die Anklage gegen Herwig Baumgartner, vierfacher Vater und Leitfigur der österreichischen Väterrechtsbewegung. Seit Jahren führt er einen erbitterten Kampf um die Obsorge für seine Kinder. Vor allem aber führt er einen Kampf gegen die Justiz – und gegen seine Expartnerin. Das Resultat: Seine Exfrau muss für längere Zeit mit ihren Kindern in einem Frauenhaus Schutz suchen. Auch RichterInnen und GutachterInnen werden von Baumgartner bedroht, verleumdet und gestalkt. Besonders auf Frauen hat er es abgesehen: Eine Verurteilung wegen 21 Delikten als geistig abnormer Rechtsbrecher und vier Jahre Haft sind die Folgen für den 58-jährigen Akademiker. Baumgartner ist kein inzelfall in der Väterrechtsbewegung. Viele der führenden Väterrechtler sind vorbestraft, Körperverletzung und gefährliche Drohung sind häufige Vergehen.

Anita Pirker* arbeitet für die Stadt Wien im Familienrechtsbereich und vertritt Kinder oder Elternteile in Pflegschaftsverfahren vor Gericht. Pirker erzählt von den Mitteln, mit denen radikale Väterrechtler arbeiten: „Wir hatten eine Klientin, eine Mutter, die hat sich mit ihren Kindern nicht mehr aus der Wohnung getraut. Die Väterrechtler sind immer vor ihr gegangen, neben ihr gegangen à la Big Brother is watching you.“ Stalking und Bedrohung sind nach Pirkers beruflicher Erfahrung keine Seltenheiten. Auch sie selbst wird bedroht, auf diversen Internetplattformen verleumdet und von Väterrechtlern zu Veranstaltungen verfolgt. Vor einigen Wochen gipfelte der Psychoterror in einer Morddrohung gegen Pirker. „Das war nicht ohne. Ich bin in kein Lokal mehr hineingegangen mit dem Rücken zum Fenster. Und ich bin kein ängstlicher Mensch.“

Genderwahn und Trennungsopfer. Internetplattformen spielen für die Vernetzung der Väterrechtsbewegung eine wichtige Rolle. Schnell verliert man den Überblick: väter-ohne-rechte.at, humanesrecht.com und trennungsopfer.at sind nur die bekanntesten Beispiele. Im von Herwig Baumgartner errichteten Forum genderwahn.com wird unter Synonymen wie Frauenhausjäger, EureHeiligkeit, Volk oder Hades gepostet. Unter der ursprünglichen Domain ist Genderwahn nicht mehr zu finden, da wiederholt strafrechtliche Tatbestände gesetzt wurden. Das Forum wird jedoch unter justiz-debakel.com unverändert weitergeführt. Das Spektrum der Einträge reicht von antidemokratischen, faschistoiden Aussagen bis zu Drohungen, Verleumdungen und Diffamierungen verschiedener Personen. Gemeinsam ist den meisten Postings der unverblümten Hass auf Frauen.

Charakteristisch für die Väterrechtsbewegung ist die starke Vernetzung untereinander: Personelle Überschneidungen und Links auf Homepages führen sehr schnell zur FPÖ, zur Männerpartei oder zum rechtspopulistischen Onlinemagazin Wien-Konkret. Einige Plattformen machen keinen Hehl aus ihrer sexistischen, zum Teil rechtsextremen Ausrichtung, andere geben sich liberaler. Norbert Grabner ist Obmann des Vereins Vaterverbot, neben Väter ohne Rechte der zweite große Akteur in der österreichischen Väterrechtsszene. Er versucht sich als gemäßigter Vertreter von Väterrechten zu positionieren.Offizielle Kontakte zu radikalen Väterrechtlern wie Herwig Baumgartner streitet er ab, gesteht aber ein: „Das heißt nicht, dass ich deren Telefonnummern nicht habe.“ Und auch Vaterverbot kann keine glaubhaft liberale Position vermitteln. Auch hier wird pauschal gegen Frauen agitiert und männliche Gewalt verharmlost. Und wie bei allen anderen Väterrechtsvereinen geht es nicht vorrangig um das Wohl des Kindes, sondern vor allem um eines: Macht.

Macht und Kontrolle. „Väterrechtler denken ausschließlich an ihre Rechte, um die Rechte der Kinder geht es dabei so gut wie gar nicht“, erzählt Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser. Eine der Hauptforderungen der Väterrechtler ist das Recht des Kindes auf beide Elternteile. Aber auf die Frage, welche weiteren Kriterien für das Kindeswohl wichtig seien, ist Norbert Grabner von Vaterverbot vorerst ratlos: „Was das Kindeswohl ausmacht? Jetzt auf Rechte von Vätern bezogen?“, fragt er unsicher.

Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sieht das Erlangen beziehungsweise den Erhalt von Kontrolle über Frauen sowie finanzielle Interessen als Hauptmotive der Väterrechtsbewegung. „Die Väterrechtsorganisationen zeichnen sich durchwegs durch antifeministische Inhalte aus“, kritisiert die Frauenministerin im Gespräch mit progress.

Viele Forderungen zielen auf die Einschränkung von weiblicher Selbstbestimmung und auf Macht über Frauen ab. So will Vaterverbot Frauen die Möglichkeit nehmen mit ihren Kindern den Wohnort zu wechseln: Entweder dableiben oder die Kinder aufgeben. „Die Mutter kann gerne ans Ende der Welt ziehen, aber sie darf das Kind nicht aus dem Familienverbund reißen“, setzt sich Grabner gegen weibliche Selbstbestimmung ein.

Ein Kind brauche einen Vater, so eine der Kernbotschaften der Väterrechtsbewegung. Andreas Kemper, kritischer Männlichkeitsforscher aus Deutschland, hält die Argumentationen von Väterrechtlern für biologistisch: Biologische Vaterschaft werde idealisiert und über soziale Elternschaft gestellt. Pseudowissenschaftliche Ansätze, die behaupten, Kinder von Alleinerzieherinnen würden sehr viel wahrscheinlicher an ADHS leiden und wären einer größeren Selbstmordgefahr ausgesetzt, stützen diese Argumentation. In Medizin und Wissenschaft sind solche Behauptungen allerdings nicht anerkannt. Die Qualität des Kontaktes zum Vater wird dabei von Väterrechtlern vollkommen außer Acht gelassen. Anita Pirker erzählt von einem neunjährigen Mädchen, das länger als ein Jahr gegen ihren Willen gezwungen wurde, einmal monatlich ihren gewalttätigen Vater zu besuchen. Gewalt sei der häufigste Grund, warum Besuchsrechte verweigert würden. „Kinder brauchen eine fixe Bezugsperson, eine stabile. Wenn es zwei sind, umso besser. Aber prinzipiell können Kinder mit einer guten Bezugsperson, mit jemandem, der für sie da ist, gut leben“, sagt Pirker. Sie hält nichts von der Behauptung, Kinder würden in jedem Fall einen Vater brauchen, und kritisiert, dass Besuchsrechtentscheide oft gegen das Wohl des Kindes getroffen würden.

Unterhalt und Männerarmut. Unterhaltszahlungen sind der Väterrechtsbewegung ein besonderer Dorn im Auge. Beim Durchstöbern diverser Foren entsteht das Gefühl, die Hauptbeschäftigung von Alleinerzieherinnen sei es, Männer bei jeder Gelegenheit finanziell auszunutzen und sich mit dem Unterhalt ein schönes Leben zu machen. So ist Norbert Grabner von Vaterverbot fest davon überzeugt, wesentlich mehr Väter würden aufgrund von Unterhaltszahlungen unter der Armutsgrenze leben als Mütter. Armutsstatistiken zeigen jedoch klar: Weibliche Alleinerzieherinnen sind die am stärksten von Armutsgefährdung betroffene Gruppe. In Väterrechtsforen wird oft debattiert, wie Unterhaltszahlungen umgangen werden können. Auch Grabner findet es in vielen Fällen gerechtfertigt, Unterhalt zu verweigern. Dass mit diesem Vorgehen nicht nur Frauen, sondern auch Kindern massiv geschadet wird, scheint dabei nebensächlich zu sein. Die Verweigerung von Alimenten und Unterhaltszahlungen bedeutet momentan für viele Frauen, Kinder und Jugendliche, am Existenzminimum zu leben. Warum dieser Missstand von Väterrechtlern nicht thematisiert wird? „Es gibt genug andere, die die Männer ankreiden, da müssen es wir nicht auch noch machen“, meint Grabner.

Väterrechtler wie Grabner sehen Männer selten bis nie im Unrecht. Rechte werden ingefordert – Pflichten werden jedoch nicht thematisiert. So fordern Väterrechtler auch erst zum Zeitpunkt der Trennung Väterrechte ein. „Ein Vater, der in einer aufrechten Beziehung lebt, hat überhaupt nicht das Bedürfnis, die Kinder regelmäßig zu Gesicht zu kriegen. Der kommt am Abend heim und seine Kinder sind jeden Tag bei ihm.“ Dieses Verständnis von Kinderbetreuung macht deutlich, dass Erziehungsarbeit in Österreich immer noch fast zur Gänze von Frauen geleistet wird und Väterrechtler effektiv nichts an diesem Umstand ändern wollen. Für Grabner ist es dennoch unverständlich, dass in Pflegschaftsverfahren in den meisten Fällen Frauen die Obsorge zugesprochen wird. Männer hätten keine Chance, selbst wenn sie einer der knapp fünf Prozent der Väter seien, die in Karenz gehen. Dem widerspricht Anita Pirker, die aus ihrer alltäglichen Erfahrung etliche Fälle kennt, in denen Männern die Obsorge zugesprochen wurde. Es sei jedoch nicht verwunderlich, dass Frauen auch nach einer Trennung Hauptbezugsperson des Kindes bleiben sollen: „Tatsache ist, dass Frauen die meiste Erziehungsarbeit leisten.“

Gemeinsamkeit Verordnen? Politisches Lobbying steht neben der Koordination von Internetforen längst im Mittelpunkt der Arbeit der Väterrechtsbewegung. Dies wird besonders in der Debatte um die automatische gemeinsame Obsorge sichtbar. Sowohl in der Medienberichterstattung als auch im Gesetzwerdungsprozess wird Väterrechtlern große Aufmerksamkeit geschenkt, indem sie zum Beispiel von Justizministerin Beatrix Karl in politische Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Der wohl strittigste Punkt in der Debatte ist die Forderung nach einer gemeinsamen Obsorge nach Scheidungen, worin sich ÖVP und Väterrechtler einig sind. „Meine Position und die der ÖVP hat sich nicht geändert – die gemeinsame Obsorge soll der Regelfall sein“, stellt Karl auf Anfrage von progress klar. Bei der Forderung nach einer automatischen gemeinsamen Obsorge geht es um zehn Prozent der Scheidungen – sogenannte strittige Scheidungen, die nicht einvernehmlich gelöst werden können. Ein Grund, warum Frauenministerin Heinisch-Hosek eine Automatik ablehnt: „Eine automatische gemeinsame Obsorge lehne ich ab, weil die Pflege und Erziehung eines Kindes nur im guten Einvernehmen der Eltern vernünftig funktionieren kann.“ Vielerseits wird kritisiert, dass Gemeinsamkeit nicht verordnet werden könne – vor allem in strittigen Fällen, in denen ein massiver Konflikt zwischen Vater und Mutter besteht. Kinder würden so oft zum Spielball eben jener Konflikte.

Bei strittigen Scheidungen spielt nicht selten auch Gewalt eine Rolle. Frauenhaus-Vertreterin Rösslhumer kritisiert an der Forderung, „dass Gewalt an Frauen und an Kindern bereits bei der derzeitigen Regelung kaum berücksichtigt wird, bei einer gesetzlich festgelegten und automatischen Regelung wird die Situation nicht besser. Die gemeinsame Obsorge ist oft eine Verlängerung der Gewaltspirale“.

Männer als Opfer von Gewalt. Gewalt ist in der Väterrechtsbewegung ein viel diskutiertes Thema. Mit falschen Zahlen wird argumentiert, Männer seien hauptsächlich Opfer. Vaterverbot.at behauptet, 53 Prozent der familiären Gewalt gehe von Frauen aus. Rösslhumer zeichnet ein anderes Bild und nennt zum Beispiel den Österreichischen Frauenbericht, in dem häusliche Gewalt als männliches Phänomen dargestellt wird: „Männer werden auch Opfer von Gewalt, aber häufig durch andere Männer in der Öffentlichkeit, seltener im privaten und Familienbereich. Frauen und die Kinder sind die Hauptbetroffenen von Gewalt in der Familie.“ Durch die von den Väterrechtlern vorgenommene Umkehrung der Täter und Opfer wird männliche Gewalt gegen Frauen und Kinder von diesen vollkommen negiert.

Die Verharmlosung von Gewalt geht auch mit der Diffamierung und offenen Bekämpfung von Frauenhäusern einher. Häufig wird die Abschaffung von Frauenhäusern gefordert, noch häufiger werden Adressen von Frauenhäusern mitsamt Fotos und Lageplänen im Internet verbreitet. „Es kann fatale Folgen für Frauen und deren Kindern haben, wenn Gewalttäter die Adressen herausfinden, den Betroffenen auflauern und sie in Lebensgefahr bringen“, berichtet Rösslhumer.

Es stellt sich die Frage, wie die Verharmlosung von Gewalt und der Kampf gegen Gewaltschutzeinrichtungen mit dem Wohl des Kindes vereinbar sind. Möglicherweise würde Norbert Grabner die Frage stellen: „Jetzt auf Rechte von Vätern bezogen?“.

Pädagogische Einsteins

  • 28.09.2012, 10:43

LehrerInnen: Sie sind diejenigen, die uns das Leben zumindest neun Jahre lang entweder zur Hölle machen oder unsere Interessen fördern. Um ersteres zu verhindern, braucht es eine qualitativ hochwertige PädagogInnenbildung. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

LehrerInnen: Sie sind diejenigen, die uns das Leben zumindest neun Jahre lang entweder zur Hölle machen oder unsere Interessen fördern. Um ersteres zu verhindern, braucht es eine qualitativ hochwertige PädagogInnenbildung. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Es war 5.30 Uhr an einem Dienstag Morgen, als sich Laura M.* auf den Weg zu einer ihrer ersten Schulstunden seit drei Jahren machte. Der Unterschied zu früher war, dass sie dieses Mal auf keinen Fall zu spät kommen wollte. Die 21jährige Linzerin studiert Russisch und Geschichte auf Lehramt im vierten Semester an der Universität Wien. Als Lehramtsstudentin studiert sie noch im Diplom und muss zwei Unterrichtsfächer kombinieren, für jedes Fach müssen Schulpraktika im Ausmaß von elf ECTS abgelegt werden. Dafür sollen laut Studienplan BetreuungslehrerInnen zur Seite stehen, die bei der Vor- und Nachbereitung helfen sowie für Feedback und Supervision verantwortlich sind. „Ich hab’ das erste Praktikum lange vor mir hergeschoben, weil ich mich nicht drübergetraut hab“, erzählt sie. „Im Endeffekt war aber sowieso alles anders als gedacht.“

Laura wurde gemeinsam mit fünf KollegInnen, die ebenfalls slawische Sprachen studieren, zwei BetreuungslehrerInnen zugeteilt – eine davon unterrichtet in Amstetten Spanisch, einer in St. Pölten Russisch. Für Studierende, die seltene Fächer belegen, kein Einzelfall: „Da kann es schon einmal passieren, dass man sich in eine Spanischstunde setzen oder in die niederösterreichische Pampa fahren muss, um dort fünfzig Minuten Unterrichtserfahrung zu sammeln“, erzählt Laura. Mit einer Studienkollegin sollte sie ihre erste Russisch-Schulstunde in einem St. Pöltner Gymnasium halten. „Da meine Kollegin allerdings Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) studiert, hat sich die Vorbereitung als etwas schwierig erwiesen.“ Was die Betreuungslehrer dazu sagten? „Lasst euch was einfallen.“

Lücken. Nicht nur die BetreuungslehrerInnen für Lehramtsstudierende an den Schulen sind oft Mangelware, Lehrkräfte schwinden generell aus Österreichs Schulen. 71.500 LehrerInnen arbeiten derzeit an allgemeinbildenden Pflichtschulen, rund 4.900 an Berufsschulen und 41.600 an Bundesschulen, also an Gymnasien oder berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Bis 2025 werden voraussichtlich 50 Prozent aller Lehrpersonen in Pension gehen – der LehrerInnenmangel ist bereits jetzt vorprogrammiert, Lösungen dafür sind jedoch nicht in Sicht. Bereits zum Schulstart diesen Herbst sind in vielen Bundesländern ErsatzlehrerInnen im Einsatz, viele LehrerInnen übernehmen Überstunden und JunglehrerInnen werden bereits im ersten Jahr mit einer vollen Lehrverpflichtung beauftragt.

In diese Richtung soll es laut der Bundesregierung weiter gehen: Die  Lehrverpflichtung im ersten Unterrichtspraktikumsjahr soll von bisher acht auf 22 Unterrichtsstunden erhöht werden. Das würde selbst eine volle Lehrverpflichtung mit einem normalen Dienstvertrag übersteigen. Regina Bösch, angehende Junglehrerin, kann den Plänen zur Erhöhung der Unterrichtszeit bereits am Anfang nicht viel abgewinnen und hat kurzerhand mit einer Kollegin die Initiative für ein faires LehrerInnendienstrecht ins Leben gerufen. „Das ist absurd und gefährlich. Im Unterrichtspraktikum braucht man sehr viel Zeit zur Reflexion, damit man auch wirklich hineinwachsen kann. Das wäre komplett weg“, sagt sie. Das jetzige Unterrichtspraktikumsmodell ist als einjährige Berufseinstiegsphase konzipiert und wird vom Großteil der Studierenden gut angenommen. „Das neue Modell würde bedeuten, dass man sich von Stunde zu Stunde hangelt, und Dienst nach Vorschrift macht – im besten Fall. So brennt man die Leute noch früher aus“, sagt Bösch.

Laura hat ihr erstes Schulpraktikum mit einem Sehr-Gut abgeschlossen, obwohl die vorbereitete Russischstunde mit ihrer BKS-Kollegin nie zustande kam: „Unser Betreuungslehrer hat uns einfach vergessen, und die betreffende Klasse war an dem Tag auf Exkursion.“ Eine volle Lehrverpflichtung bereits direkt nach Abschluss des Studiums oder vielleicht sogar schon davor kann sie sich nicht vorstellen: „Als Lehrerin fühl ich mich wirklich noch kein bisschen.“

Konflikt. Während die Lehramtsstudierenden auf der Universität in der Regel nur mittels zweier Schulpraktika während des Studiums in Berührung mit SchülerInnen kommen, stehen Studierende an Pädagogischen Hochschulen von Anfang an im Klassenzimmer. In Österreich findet die Ausbildung der PflichtschullehrerInnen und BerufsschullehrerInnen an den Pädagogischen Hochschulen statt, angehende LehrerInnen in höheren Schulen müssen die Uni mit einem Diplomstudium abschließen. Die Trennung der Ausbildungen in verschiedene Sektoren ist umstritten.

2008 hat Bildungsministerin Claudia Schmied gemeinsam mit dem damaligen Wissenschaftsminister Johannes Hahn erstmals die ExpertInnengruppe LehrerInnenbildung NEU eingesetzt, und damit beauftragt, Vorschläge für eine Reform der LehrerInnenbildung zu erarbeiten. Seitdem gibt es viele Vorschläge, aber die verschwinden großteils unter dem Tisch. Leidtragende des politischen Stillstands sind nicht nur die Studierenden, sondern auch die SchülerInnen.

Stefan B. studiert im siebten Semester Informatik auf Lehramt an der Linzer Johannes Keppler Universität und kann der Trennung der Lehramtsstudien nichts abgewinnen: „Gerade im Unterstufenbereich, bei den Kindern zwischen zehn und 14 Jahren, unterrichten die LehrerInnen später genau dasselbe.“ Anders als Laura hat er mit seinem Schulpraktikum im Linzer Georg-von-Peuerbach-Gymnasium gute Erfahrungen machen können, auch das Verhältnis zu den BetreuungslehrerInnen war gut. „Aber am Ende des Praktikums waren sich mein Betreuungslehrer und ich einig: Wir hätten viel mehr Zeit miteinander verbringen müssen.“

Pyramide. Umso jünger die Kinder, desto kürzer ist die Ausbildung und schlechter die Bezahlung. So lässt sich die umgedrehte „PädagogInnen-Pyramide“ beschreiben, die in Österreich System hat. Laut Stefan Hopmann, Professor am Institut für Bildungswissenschaften an der Uni Wien, gibt es im Pflichtschulbereich die größten Defizite, vor allem auch, weil es nicht die Möglichkeit gibt, fachliche Schwerpunkte zu setzen: „Wenn alle alles unterrichten können sollen, müssen wir lauter pädagogische Einsteins anstellen.“ Um dies zu ändern, bräuchte es allerdings grundlegende Reformen, und an die hat sich bis jetzt noch niemand herangewagt.

Hopmann, der auch ehemaliges Mitglied der Vorbereitungsgruppe zur Umsetzung der Vorschläge der jüngsten von Bildungsministerin Schmied und Wissenschaftsminister Töchterle eingesetzten ExpertInnengruppe ist, kritisiert den mangelnden politischen Gestaltungswillen: „Da war die Tinte am Papier noch nicht einmal trocken, da war schon klar, dass das Erarbeitete nicht mitgetragen wird.“ Der Bildungswissenschafter meint damit vor allem die Kernidee, dass es eine akademische Aufwertung der PflichtschulpädagogInnen brauche. „Das Problem ist, dass man Reformen haben will, die nichts an den Machtstrukturen verändern sollen, man wurschtelt vor sich hin. Ein bisschen Reform funktioniert aber genauso wenig wie ein bisschen schwanger sein.“ Klar ist, dass sich nach einer Aufwertung der Ausbildung auch das Gehaltsschema ändern müsste.

Beschränkung. Die besten für den Lehrberuf zu finden – das wird sowohl von SchülerInnen-, Eltern-, als auch DirektorInnenseite immer wieder gefordert. Wie man diesem Wunsch nachkommen kann, darüber gibt es jedoch verschiedene Ansichten. Seit dem Wintersemester 2011 wurde mit der Einführung der Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) auch eine Beschränkung für Lehramtsstudien beschlossen. Besonders an der Universität Wien waren die Folgen drastisch: Wer die – von vielen Studierenden als überdurchschnittlich schwierig definierte – Pädagogik-Prüfung nicht schafft, ist jetzt für den Lehrberuf gesperrt. Auf Lebenszeit. Keine versteckten, sondern offensichtliche Zugangsbeschränkungen für Lehramtsstudien gibt es im oft zum Vergleich zitierten Finnland: Dort wird durchschnittlich nur einE BewerberIn von zehn genommen. Hopmann bestreitet, dass dieses Modell zum gewünschten Ziel führt: „Wir könnten auch in Österreich die Studienplätze halbieren, dann hätten wir auch ein Gedränge. Aber nicht die besten LehrerInnen.“

Andere Ansätze  gehen in Richtung Beratung und Evaluierung vor und während des Studiums; Reflexionsgespräche mit den ProfessorInnen, regelmäßiges Feedback und mehr Praxis von Anfang an. Gerade durch die de facto nicht vorhandenen Umstiegsmöglichkeiten im LehrerInnenberuf ergibt sich der Zwang für viele LehrerInnen, in ihrem Beruf zu bleiben. Für den angehenden Lehrer Stefan stellt das ein großes Problem dar: „Ich habe ein Lehramtsstudium begonnen, weil ich gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeite, aber ich weiß nicht, wie das in dreißig Jahren sein wird. Nur wenn man hier Lösungen findet, kann man das Beste für die SchülerInnen rausholen.“

Ausblick. Sowohl die ExpertInnengruppe der Ministerien als auch die Österreichische HochschülerInnenschaft sprechen sich seit längerem für die Einführung einer gemeinsamen PädagogInnenbildung aus. Die  Grundüberlegungen gehen in dieselbe Richtung: Ein gemeinsamer Grundstock am Anfang, eine Spezialisierung mit Umstiegsmöglichkeiten im Anschluss. Ob die LehrerInnenausbildung an den Universitäten, an den Pädagogischen Hochschulen oder an neuen Schools of Education stattfinden soll, ist eigentlich nur ein Nebenschauplatz der Debatte, der allerdings ins Zentrum gerückt wird. Solange die bildungspolitischen Agenden jedoch auf zwei Ministerien geteilt sind, wird sich an dem Stillstand nicht viel ändern. Denn dumm wäre jene Partei,  die freiwillig Kompetenzen abgibt.

*Name von der Redaktion geändert.

Welcher Hochschultyp bist du?

  • 28.09.2012, 00:18

Zu welcher Hochschule du wirklich gehörst: Mach den Selbsttest!

Zu welcher Hochschule du wirklich gehörst: Mach den Selbsttest!

Was machst du in deiner Freizeit am liebsten?

D: Mit Kindern spielen. Obwohl, eigentlich hab ich am liebsten Sommerferien.
C: Hausaufgaben.
A: In einem verrauchten Beisl Bier trinken und über die Weltrevolution diskutieren.
E: Shoppen. Oder Golf spielen. Oder ins Casino gehen. Hauptsache eigentlich, ich kann mit meinem BMW irgendwo vorfahren und unter meinesgleichen sein.
B: Mich verwirklichen. Kunst schaffen. Meine Individualität ausleben!

Stell dir vor, du wärst für einen Tag WissenschaftsministerIn. Welche Maßnahmen würdest du in der Hochschulpolitik setzen?

E: Studiengebühren in der Höhe von 5000 Euro einführen. Denn was nichts kostet, ist nichst wert! Leistung muss sich lohnen! Sonst könnten ja alle studieren, unvorstellbar!
C: Hochschulpolitik? Mit Politik hab ich nichts zu tun. Ich will ja nur in Ruhe in die Schule gehen, ähh studieren mein ich. Und dann meinen fixen, gut bezahlten Job haben.
A: Ich wehre mich strikt gegen solch eine Konzentration von Macht bei einer Person.
B: Studierenden-selbstverwaltete Räume an allen Hochschulen. Wir brauchen Platz, um uns wirklich entfalten zu können!
D: Längere Ferien für Studis!

Was muss ein Studium und eine Hochschule für dich bieten?

C: Klare, vorgegebene Strukturen, die von mir keinerlei Selbstständigkeit und Eigenverantwortung fordern, eine Klassengemeinschaft und natürlich die besten Jobchancen.
D: Viel Praxis-Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Und extra lange Sommerferien natürlich.
E: Die Hochschule muss ganz klar ein geschützter Raum für die gesellschaftliche Elite sein, um die Leistungsgesellschaft von morgen zu formieren.
B: Freiraum für meine Ideen, meine Phantasie und meinen künstlerischen Schaffenstrieb.
A: Die Uni muss natürlich die revolutionäre Zelle der Gesellschaft sein. Früher oder später werden wir den Kapitalismus stürzen - ausgehend von den Studis, auf Basis von internationaler Solidarität!

Was ziehst du am liebsten an?
E: Marco Polo, Lacoste und Tommy Hilfiger. Kleidung, die meinen Status in der Gesellschaft verdeutlicht, man muss sich schließlich vom H&M-Pöbel abgrenzen.
B: Bunte, weite Leinenkleidung, die im Freien so schön im Wind flattert! Am liebsten mag ich meine selbstgemachten Batik-T-Shirts.
A: Diese Frage ist doch nur Ausdruck des kapitalistischen Konsumwahns. Jean und Kapuzenpulli, mehr ist wirklich nicht notwendig.
D: Ach, das ist mir egal. Wird ja sowieso schmutzig und irgendwann kaputt.
C: Auf jeden Fall am neuesten Stand der Mode. Außerdem hängt das ganz von der Situation ab: Immer das Bestmögliche für sich rausholen!

Wie würdest du dich mit einem Wort selbst beschreiben?
D: Gutherzig.
A: Persönlichkeiten sind viel zu komplex, um sie mit einem Wort zu beschreiben. Das muss kritisch reflektiert werden.
E: Gesellschaftsspitze.
B: Kreativ.
C: Zielstrebig.
 

ERGEBNIS:

A ÖFFENTLICHE UNIVERSITÄT
Du bist der/die klassische Uni-StudentIn, gehst zu Mittag ins Kaffeehaus frühstücken und verbringst deine Zeit lieber mit endlosen Grundsatzdiskussionen als auf der Uni. Du bist chaotisch, planst nicht viel länger als bis übermorgen und verfolgst vor allem ein Ziel: Die Weltrevolution starten!

B KUNSTUNI
Für dich steht Kreativität und Selbstentfaltung an erster Stelle. Du trägst gern selbstgemachte Kleidung und wenn du nicht gerade malst, tanzt du am liebsten deinen Namen, so wie du es in der Waldorfschule gelernt hast.

C FACHHOCHSCHULE
Die FH ist genau das Richtige für dich - mit Eigenverantwortung kannst du nicht so richtig umgehen und bist daher froh über deinen fix vorgegebenen Stundenplan. Außerdem ist dir zu viel Theorie schon in den allgemeinbildenden Fächern in der Schule auf die Nerven gegangen und du hast daher vor allem aus einem Grund die FH gewählt: Praxisnähe.

D PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE
Weil der Job als Kinderanimateurin in deinem Lieblings-Magic-Life-Club schon vergeben war, hast du mal an der PH inskribiert. Auch nicht so schlecht - die Kinder sind die gleichen und für das mit der Party hast du dann eh die neunwöchigen Sommerferien.

E PRIVATUNIVERSITÄT
Die Reproduktion der gesellschaftlichen Elite ist für dich eine wesentliche Aufgabe der Uni. Dafür musst du (bzw. müssen deine Eltern) aber auch ordentlich etwas springen lassen. Mit deinen abwechselnd hellblauen und rosa Hemden mit aufgestelltem Kragen bist du aber auch auf der Wirtschaftsuni oder am Juridikum gern gesehen, wenn das Geldbörserl doch nicht so dick ist.

Westbahn. Fehlentwicklung Hilfsausdruck.

  • 13.07.2012, 18:18

Was Wolf Haas vielleicht über die Westbahn sagen würde. Ein Kommentar.

Was Wolf Haas vielleicht über die Westbahn sagen würde. Ein Kommentar.

Es ist schon wieder was passiert. Die Westbahnstrecke haben’s privatisiert, also eigentlich teilprivatisiert. Das mit der Westbahn GmbH ist ja eigentlich eine ganz eine eindeutige G’schicht, weil das nämlich eine Liberalisierung des öffentlichen Verkehrs ist, sprich nicht mehr so öffentliche Dienstleistung. Da gibt’s so einige Leute, die das mit den Privatisierungen normal überhaupt nicht gut finden. Die Westbahn finden’s aber dann doch gar nicht so schlimm. Widerspruch Hilfsausdruck.

Öffentlich vs. privat. Du wirst’s nicht glauben, aber da gibt’s einen Unterschied zwischen den öffentlichen und den privaten Dings, also Unternehmen. Die einen nämlich, die haben da quasi eine Aufgabe. Bestmögliche Qualität, billige Preise, viele Arbeitsplätze, gute Arbeitsbedingungen – sprich öffentlicher Auftrag. Die anderen, also die Privaten, die sind dann eher die mit dem Profit. Du hast vielleicht schon mal von der englischen Bahn gehört, auch Privatisierung, aber in den 80ern. Da hat’s sogar Tote gegeben, weil Profit im Vordergrund und nicht das mit der Sicherheit. Vielleicht heißt’s dann in ein paar Jahren nicht mehr happy-beppi mit den blau-grünen Zügen, sondern Arbeitsplätze gekürzt, Lohndumping, Einsparung von Nebenstrecken.

Das mit der Konkurrenz. Da meinst du vielleicht, Nebenstrecken einsparen ist eher die Sache von der ÖBB und gar nicht die von der Westbahn. Aber Vorsicht: Die Westbahn fahrt nämlich nur auf den Strecken, die auch wirklich rentabel sind, quasi Geld scheffeln. Die ÖBB kann sich das nicht aussuchen. Die muss alles machen. Mariazell, Mittersill, Mooskeuschen. Nicht nur Salzburg und Wien. Weil die Lisa aus Hintertupfing muss trotzdem in die Schule und die Huber in die Arbeit. Aber Geld kostet das, das glaubst du nicht. Auf der Westbahnstrecke, da hat die ÖBB Geld machen und damit auch die Nebenstrecken finanzieren können. Dann kommen die Privaten und bum, ist die Westbahnstrecke wegen der Konkurrenz nicht mehr so rentabel für die ÖBB. Die Nebenstrecken sind dann auch nicht mehr finanzierbar, weil weniger Geld, und die Arbeitsplätze auch nicht immer. Lisa und die Huber nicht mehr so glücklich.

Jetzt aber ÖBB. Du glaubst jetzt vielleicht, lustig, ich bin ÖBB-Fan. Stimmt gar nicht immer, weil die ÖBB mit der bestmöglichen Qualität und den billigen Preisen auch oft so ein Dings ist. Aber Fan vom öffentlichen Verkehr bin ich. Weil die öffentlichen Dienstleistungen, die sollten halt auch öffentlich sein, nicht privat. Verkehr genauso wie Bildung, Gesundheit und solche G’schichten. Fazit: Den öffentlichen Verkehr und damit die ÖBB verbessern und nicht aushungern. Nichts mit Profitgier, Kürzungen und dem Mythos von der Konkurrenz, die eh niemandem was bringt. Hausverstand Hilfsausdruck.