Gerald Rumpf

Mit Tabus brechen?

  • 30.03.2014, 13:57

In „Der letzte Tanz“ dreht sich alles um eine Intimität, die es so - zumindest nach unseren gesellschaftlichen Standards - nicht geben darf. Das Brechen eines Tabus, das vielleicht als solches zu hinterfragen ist.

In „Der letzte Tanz“ dreht sich alles um eine Intimität, die es so - zumindest nach unseren gesellschaftlichen Standards - nicht geben darf. Das Brechen eines Tabus, das vielleicht als solches zu hinterfragen ist.

Ein zum Frühstück gedeckter Tisch, an welchem eine Mutter mit ihrem längst dem Kindesalter entwachsenen Sohn sitzt. Die mütterlichen Versuche, sich nach dem Wohlbefinden des Sohnes zu erkundigen, werden durch das Läuten an der Wohnungstür unterbrochen: „Wir suchen den Herrn Karl Streiner.“ Karl - verkörpert durch das deutsche Schauspieltalent Daniel Sträßer - wird trotz Protest und Unverständnis seiner Mutter eskortiert, verhört und schließlich in eine Zelle gebracht, wo er seine Untersuchungshaft abzusitzen hat.

Im zu Beginn noch schwarz-weißen Bild hat der Junge einiges in der Justizanstalt auszuhalten. Er findet sich auf engstem Raum mit vermeintlich Kriminellen wieder. Es misslingt ihm, nicht anzuecken, oder er versucht es erst gar nicht. Der Regisseur Houchang Allahyari, der in Teheran geboren wurde und bereits seit seiner Jugend in Wien wohnhaft ist, lässt die ZuseherInnen lange im Dunkeln tappen, welche Untat der Zivildiener begangen haben mag. Niemand, weder seine „Vielleicht-Freundin“ noch seine Mutter, glaubt an die Schuld von Karl. Auch er selbst ist sich keiner Schuld bewusst.

Plötzlich findet man sich in der Vergangenheit wieder: drei Monate zuvor, in Farbe. Karl Streiner bestreitet seinen ersten Tag als Zivildiener. Nachdem er sein Studium in Heidelberg abgeschlossen hat, lebt er nun wieder in Wien. Er wird für die geriatrische Abteilung eines Krankenhauses eingeteilt. Es macht ihm Spaß, doch schnell macht er Bekanntschaft mit der Alzheimer-Kranken Frau Ecker. Erni Mangold sticht in ihrer Rolle als Julia Ecker besonders hervor. Beeindruckend glaubwürdig spielt sie die vom Leben gezeichnete Patientin, die nichts auf die Meinung anderer gibt und so dem Krankenhauspersonal das Leben schwer macht und letztlich auch im Leben von Karl eine tragende Rolle spielt. Wenig überraschend also, dass sie mit dem Schauspielpreis der Diagonale 2014 ausgezeichnet wurde. Sie ist ein schwieriger Fall und „mit Absicht boshaft“. Doch irgendwie gelingt es Karl schon nach wenigen Tagen, einen Draht zu ihr herzustellen. Er liest ihr aus dem Roman „Die Geier-Wally“ vor, es entsteht eine besondere Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen Charakteren. Die alte Frau erfährt durch ihn einen Energieschub, der die bis dahin Bettlägerige flotten Schrittes tanzen lässt. Bald will die Patientin nur noch von ihrem Liebling Karl betreut werden, was ihm schließlich zum Verhängnis wird.

„Der letzte Tanz“ wurde zum besten Spielfilm der Diagonale gewählt. Der Andrang an der Kinokasse war dementsprechend groß, die Vorstellung restlos ausverkauft. Foto: Rumpf

Fazit

Allahyari schafft es während des ganzen Films - fern von Actionszenen und Explosionen - die Spannung aufrechtzuerhalten. Zurecht also wurde die Arbeit mit dem Publikumspreis gewürdigt. Einziger Wermutstropfen an diesem insgesamt sehr gut gelungenen Spielfilm ist die Besetzung des Strafverteidigers von Karl. Er wird von Viktor Gernot, vor allem bekannt als Kabarettist und Bestandteil der ORF-Sendung „Was gibt es Neues?“, gemimt. Leider wird man das Bild des gaukelnden und lachenden Gernot vor dem inneren Auge nicht los, selbst wenn er als vermeintlich seriöser Anwalt für seinen Mandanten kämpft.

Die Rezension entstand im Rahmen der Diagonale-Serie "Dem bedrohten österreichischen Film ein Festival"
Hier geht’s zur Filmbeschreibung auf der Diagonale-Homepage.

Gerald Rumpf studiert Journalismus & PR an der FH Joanneum in Graz.

Dem bedrohten österreichischen Film ein Festival

  • 30.03.2014, 13:34

In Graz fand vom 18. bis 23. März die Diagonale 2014 statt. Innerhalb von sechs Ta-gen wurden 200 Filme gespielt – größtenteils österreichische. Diese sehen die Film-schaffenden nun bedroht.

In Graz fand vom 18. bis 23. März die Diagonale 2014 statt. Innerhalb von sechs Ta-gen wurden 200 Filme gespielt – größtenteils österreichische. Diese sehen die Film-schaffenden nun bedroht.

Einmal im Jahr ist Österreich im Film-Fieber. Heimische Produktionen werden bei der Diagonale in Graz präsentiert und im Anschluss wird oft mit den RegisseurInnen diskutiert. Von 500 eingereichten Werken werden 200 präsentiert, 25.000 BesucherInnen strömen in die Kinosäle. Die Filmindustrie zeigt sich stolz auf die „nationalen sowie internationalen Erfolge“ des kleinen Österreichs. Jener „Exportschlager“ droht nun „unverschuldet“ wegzufallen, wie die Filmschaffenden in einem für die Diagonale gemachten Protestvideo warnen. Der Hintergrund: Der größte Auftraggeber ORF will ein Drittel seiner Aufträge im heimischen Film kürzen. Damit wären 1.500 Arbeitsplätze vernichtet und SteuerzahlerInnen müssten für die anfallenden Sozialkosten von 25 Millionen Euro aufkommen. Das sei beinahe die Summe, die dem ORF aufgrund der Streichung der Gebührenrefundierung fehlt. „Blunzendeppat“, nennt Kabarettist und Schauspieler Lukas Resetarits dieses Vorgehen und sieht ORF und Regierung in der Verantwortung. Mehr dazu im Protest-Video.

Quo vadis österreichischer Film?

Rezensionen

Unsere Redakteure waren bei der Diagonale vor Ort. Nachfolgend drei kurze Rezensionen. Die Filme „Der letzte Tanz“ und „Und in der Mitte, da sind wir“ wurden ausführlicher rezensiert.

Das finstere Tal

Zwei Stunden, in denen man sich nicht zu atmen traut. Garantierte Spannung und Action. Gedreht in den Alpen im Stil eines Western, Tobias Moretti und der Brite Sam Riley, der putzig am Tirolerischen scheitert. Teuer produziert und ein Aushängeschild des österreichischen Films.

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Der Fotograf vor der Kamera

Dokumentation über Erich Lessing (*1923), einer der bedeutendsten europäischen Reportage-FotografInnen der Nachkriegszeit. Bekannt in Österreich vor allem für das Foto von Leopold Figl mit dem unterzeichneten Staatsvertrag. Der Film begleitet Lessing in seinem Alltag und nimmt sich Zeit für Details. Oder: Er ist zu lang. Interessant für Geschichte-LiebhaberInnen und Fotografie-Begeisterte.

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Bad Fucking

Wirkt anfangs mehr als beschaulich, dieser Kurort namens Bad Fucking. Es dauert jedoch nicht lange, bis die Lage eskaliert. Oder eher die Lagen: quasi jedeR BewohnerIn des Dorfes ist involviert, als kaum eine Todsünde ausgelassen wird. Ist es eigentlich Zufall, dass Michael Ostrowski nicht weit ist, wenn es ein Inferno gibt?

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Das UCI Annenhofkino diente als Spielstätte der Diagonale. Ebenso: KIZ Royal, das Schubert- und Rechbaukino

Die Diagonale in Zahlen

Von 1993 bis 1995 wurde die Diagonale in Salzburg abgehalten. Seit 1998 ist sie in Graz beheimatet. Im Jahr 2015 wird sie von 17. bis 22. März wieder unter der Leitung von Intendantin Barbara Pichler stattfinden.

  • Filme: ca. 200
  • BesucherInnen: ca. 25.000
  • Spielstätten: 4
  • 16 Preiskategorien

 

Gerald Rumpf und Christoph Schattleitner studieren „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum in Graz.