Zu Tode gesichert ist auch gestorben

  • 13.07.2012, 18:18

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, erst Sicherheit schafft Vertrauen, sie ist das Nervensystem einer Gesellschaft. Gerade weil sie so wichtig ist, muss verhindert werden, dass in ihrem Namen der Rechtsstaat zerstört wird.

Sicherheit ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, erst Sicherheit schafft Vertrauen, sie ist das Nervensystem einer Gesellschaft. Gerade weil sie so wichtig ist, muss verhindert werden, dass in ihrem Namen der Rechtsstaat zerstört wird.

Staatlich geschaffene Sicherheit ist im Idealfall eine Balance zwischen Freiheit und Ordnung. Der Staat soll also ein Gleichgewicht zwischen Überwachung und Rechtssicherheit jedes Menschen herstellen. Wenn die Politik Überwachungsmaßnahmen legitimieren will, argumentiert sie oft mit hohen Verbrechensaufklärungsquoten und dem Rückgang von Verbrechen – also mit der Möglichkeit zu effektiverer Polizeiarbeit. Aber ist es überhaupt bewiesen, ob höhere Aufklärungsquoten mehr Sicherheit bringen?
Jutta Menschik, Professorin für Psychologie in Klagenfurt, sagt, es seien nicht die hohen Strafen für Vergehen, die Sicherheit gewähren, sondern vor allem der Lebensstandard der Menschen. Am wenigsten Kriminalität gibt es in Ländern mit einer hohen Lebenszufriedenheit der Bevölkerung, die vor allem von den Faktoren Arbeit, Bildung, Gesundheit(svorsorge), sauberer Umwelt und einem guten sozialen Netz beeinflusst werden. 

Privatsphäre ade. Nimmt es ein Staat mit den Persönlichkeitsrechten der BürgerInnen nicht so genau, kann man von einem Überwachungsstaat reden. Dieser höhlt das Recht auf Intim- und Privatsphäre aus. Die Steigerung davon ist der Polizeistaat, wie er im Faschismus und Realsozialismus praktiziert wurde. Das Recht der Bürger auf ein Privatleben wurde negiert, infolge dessen konnte sich niemand mehr vor Verleumdungen sicher sein. In dieser vergifteten Atmosphäre konnte man oft nicht mehr seinen nächsten Verwandten oder Freunden trauen, da diese möglicherweise als Spitzel für den Staat arbeiteten.
Das Sammeln von Daten durch den Staat ist überhaupt kein Phänomen unserer Zeit, sondern half schon vielen Diktaturen dabei, ihre Feinde aufzuspüren. Insofern ist die Frage, wie viel Sicherheit uns die Erfassung von Daten tatsächlich bietet, derjenigen gegenüberzustellen, inwiefern sie uns dem Staat ausliefert. Wir leben in Österreich zwar in keiner Diktatur, aber nirgendwo steht, dass das für immer so bleiben muss. 

Überwachung 2.0. Eines scheint nämlich klar: die Möglichkeiten für den Staat, seine Bürger zu überwachen, sind ins Ungeheuerliche gestiegen. Nicht auszudenken, welche Überwachungsmöglichkeiten sich für eine High-Tech-Diktatur ergeben würden. Schon jetzt sind die angewandten Mittel gewaltig: Lauschangriff und Rasterfahndung sind in Österreich legal, online kann jeder Schritt überwacht werden, Daten aus dem Gesundheitsbereich werden elektronisch erfasst, fast alle öffentlichen Plätze sind videoüberwacht. Argumentiert wird oft damit, dass die Daten geschützt werden sollen, kann man aber wirklich darauf vertrauen, dass Daten gesammelt werden, um sie zu schützen anstatt sie zu nutzen? 
Andererseits ist es aber auch richtig, dass Überwachung helfen kann, Gerechtigkeit herzustellen: gefilmte TäterInnen brutaler Verbrechen können ausgeforscht werden, was für die Psychohygiene der Opfer sehr wichtig ist. Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen kann gegen Vandalismus helfen. Mit Hilfe von Online-Überwachung können Terroranschläge verhindert und Kinderpornografie-Ringe ausgehoben werden. Aber geben diese Möglichkeiten dem Staat das Recht, jeden von uns wie mit einem Röntgengerät durchleuchten zu wollen?

Sichere Datenverwaltung? Dass die heiklen Daten noch dazu auch in falschen Händen landen können, zeigen die zahlreichen Skandale der letzten Jahre: In Großbritannien sind immer wieder Daten-CDs durch Schlamperei verloren gegangen, mehrmals sogar solche, auf denen Name, Adresse und Kontoverbindungen zehntausender Briten gespeichert waren.
In Deutschland wiederum erschütterten der Deutsche-Bahn-Skandal und der Telekom-Skandal das Land: Beide Male wurden Mitarbeiter ohne ihr Wissen ausgeleuchtet. Und auch im Lebensmittelhandel häufen sich die Überwachungen von Personal – sogar im intimsten Bereich, den Sanitäranlagen.
In all diesen Fällen kann nicht mehr mit dem Wunsch nach Sicherheit argumentiert werden – hier handelt es sich um Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen. Unter dem Vorwand der Sicherheit werden von Behörden und Firmen Daten gesammelt, die vor allem einem Ziel dienen: Anhäufung von Macht.
Das zeigt auf, was in der aktuellen Sicherheitsdebatte falsch läuft: Sicherheit und Überwachung werden fast immer in einem Atemzug genannt. Dies ist ein Betrug an den BürgerInnen. Wer mit dem Grundbedürfnis nach Sicherheit spielt, zerstört die Grundlage unseres Zusammenlebens: das Vertrauen.  

 

AutorInnen: Jennifer Bendele