Wie weiter mit den Hochschulen?
Ende Dezember wurde das Audimax in Wien geräumt, die Debatte um die Hochschulen in Österreich ist aber weiterhin am Kochen. Noch Ende des Jahres 2009 wurde der Hochschuldialog initiiert. Was aber passiert in diesem Dialog? Wer spricht mit wem? Und was wird am Ende stehen?
Ende Dezember wurde das Audimax in Wien geräumt, die Debatte um die Hochschulen in Österreich ist aber weiterhin am Kochen. Noch Ende des Jahres 2009 wurde der Hochschuldialog initiiert. Was aber passiert in diesem Dialog? Wer spricht mit wem? Und was wird am Ende stehen?
Die österreichweiten Proteste ließen den ganzen Herbst über die Wogen in der Hochschuldebatte hochgehen. Durch die Masse der Studierenden, die sich das Versagen der österreichischen Bildungspolitik nicht länger gefallen lassen wollten, kamen Universitäten und Politik in Zugzwang. Die Rektorate der besetzten Unis mussten mit den Studierenden verhandeln und Lösungen finden. An einigen Universitäten gibt es nun eigene Vernetzungsräume für Studierende, die Forderungen der Studierenden mussten beachtet werden.
Aber nicht nur die Universitäten wurden zum Handeln gezwungen. Auch die Bundesregierung musste reagieren: Erster Schritt war die Auflösung der MinisterInnenreserve, 35 Millionen Euro für die Hochschulen – bei genauerem Blick auf die Misere der Unis und nach Einschätzung der Österreichischen HochschülerInnenschaft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Proteste gingen unbeirrt weiter und Noch-Wissenschaftsminister Hahn kam immer mehr ins Straucheln und rief für 25. November 2009 den Dialog Hochschulpartnerschaft (kurz: Hochschuldialog) aus. Im November und Dezember sollte ein Prozess gestartet werden, der in „Empfehlungen“ an die Regierung mündet und laut Auskunft des Ministeriums schon „seit dem Sommer“ im Zuge des Hochschulplans vorgesehen war.
Was bisher geschah. Am 25. November 2009 setzte das Ministerium den Startschuss für den Hochschuldialog und lud alle PartnerInnen zum ersten Treffen, bei dem – nach einem Vorbereitungsworkshop – über die Aufteilung der Themen diskutiert wurde. Seit Dezember wird in fünf so genannten Arbeitsforen gearbeitet. Eingeladen sind alle, die das Ministerium als HochschulpartnerInnen sieht. Das sind beispielsweise das Bildungsministerium, die Parteien, die Österreichische HochschülerInnenschaft, die Protestbewegung und die SozialpartnerInnen. Die HochschulpartnerInnen sollen in den Arbeitsforen Empfehlungen erarbeiten. Die Studierenden fordern eine Öffnung des Dialogs für alle Studierenden und Beteiligten – der Livestream konnte bereits für einige Arbeitsforen erkämpft werden.
Große Erwartungen? Die Anforderungen an den Hochschuldialog sind hoch – alle Partner-Innen erwarten sich Ergebnisse in ihrem Sinne. Für die VertreterInnen der Studierenden ist klar: Es braucht Verbesserungen an den Hochschulen. „Die Forderungen der StudentInnen müssen in der Umsetzung der offenen und demokratischen Hochschulen münden“, heißt es in einer Meldung der Österreichischen HochschülerInnenschaft. Die Empfehlungen, die am Ende des Dialogs stehen sollen, sieht die ÖH vorerst kritisch. Eva Maltschnig, ÖH-Generalsekretärin, meint dazu: „Wir erwarten uns vom Hochschuldialog mehr als Absichtserklärungen und Manuskripte, die in Schubladen verschwinden. Die Regierung ist aufgefordert, mehr Ernsthaftigkeit für das Thema zu entwickeln – sie muss die Ergebnisse einer parlamentarischen Behandlung zuführen!“.
Das Ministerium bleibt sowohl in der Beschreibung auf der Homepage als auch auf direkte Nachfrage des PROGRESS unverbindlich: „Wir erwarten uns eine faktenorientierte Diskussion, alle Partner sollen mitgestalten können“, gibt das Büro Johannes Hahns bekannt. (Anm. d. V.: zur Zeit der Verfassung des Artikels ist noch nicht bekannt, wer neueR MinisterIn wird.)
Die PartnerInnen im Hochschuldialog haben ihre Standpunkte gleich rund um den ersten Termin am 25. November klargestellt. So steht die Bundesarbeitskammer (BAK) für „mehr und nicht weniger Uni-AbsolventInnen“ und den Ausbau der Fachhochschulen, die Rektoren wollen nicht in ihrer Autonomie beschnitten werden und wenn möglich selbst über Zugangsregelungen entscheiden. Was das für die Studierenden bedeutet ist nicht ganz klar, aber – so die Einschätzung von StudierendenvertreterInnen – gefährlich, macht doch die Wirtschaftsuniversität beispielsweise keinen Hehl daraus, am liebsten die gesamte Uni beschränken und Unmengen an Menschen dadurch ein Studium verwehren zu wollen. Der Kampf gegen Zugangsbeschränkungen an den Unis und für bessere Studienbedingungen geht für die Studierenden also auch im Hochschuldialog weiter.
Den Hochschulsektor bearbeiten. Im Arbeitsforum Gesellschaftlicher Auftrag des tertiären Sektors soll es um den Bildungsbegriff, Aufgaben der Hochschulen, Bildung/Ausbildung, Hochschulen und Standortwettbewerb/Arbeitsmarkt sowie Gender- und Diversitymanagement gehen. Das Arbeitsforum Koordinierte Entwicklung des tertiären Sektors soll sich unter anderem mit der demokratischen Mitbestimmung an den Hochschulen befassen: Ein Thema, das für die Studierenden längst überfällig ist. Mit dem Universitätsgesetz 2002 wurde die Mitbestimmung der Studierenden massiv beschnitten – die Österreichische HochschülerInnenschaft kämpft seitdem für den Wieder-Ausbau der Mitbestimmung an den Hochschulen. Die Studierenden-Mitbestimmung an den Fachhochschulen lässt für FH-VertreterInnen auch noch zu wünschen übrig – und die Proteste zeigen: die Studierenden wollen mitbestimmen und nicht nur wie BildungskonsumentInnen behandelt werden. Das Arbeitsforum Bologna und Studienstruktur soll unter anderem die Ausgestaltung der Lehre bearbeiten. Im Arbeitsforum Studienwahl und Hochschulzugang soll es um die Optimierung der Nahtstelle mit dem Schulbereich und Vorlaufprozessen im Schulbereich, Studienberatung und -information, Zugangsregeln, soziale Durchlässigkeit, soziale Absicherung von Studierenden und Drop-Out gehen. Themengebiete die sich in zwei Halbtagen und einem ganzen Tag vermutlich schwer abarbeiten lassen, so die Einschätzung einiger TeilnehmerInnen. Mit der Frage, woher das Geld kommen soll, über dessen Vermehrung sich alle einig zu sein scheinen, befasst sich das Arbeitsforum Ressourcen und Finanzierung von Lehre und Forschung.
Der kleinste gemeinsame Nenner. Worauf sich aber scheinbar alle PartnerInnen als Ziel einigen können ist die finanzielle Ausstattung der Universitäten. „Hinsichtlich der Uni-Finanzierung müssen keine Ergebnisse abgewartet werden, hier besteht bereits ein Konsens unter allen Beteiligten. Die von der ÖH und vielen anderen geforderten zwei Prozent des BIP für die Hochschulen bis 2015 müssen jetzt angegangen werden“, heißt es von der ÖH. Selbst die Vertretung der Rektoren, die Universitätenkonferenz, ist sich sicher: „Die erforderlichen Mittel sind beträchtlich, aber bei entsprechender Schwerpunktsetzung seitens der Politik ist ein solcher Wachstumskurs realisierbar.“
Wie das Geld aufgetrieben wird, bleibt freilich zu diskutieren – für viele der Beteiligten scheint die Einführung einer Vermögenssteuer unumgänglich.
Higher Education Reloaded. Und wie ist die Rolle der Studierenden im Hochschuldialog? In einem Kommentar schreibt Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid von den Studierenden als der betrogenen Generation – denn die PensionistInnen würden schneller erreichen was sie wollen und konkrete Ergebnisse zu Gesicht bekommen, wie das Plus von 1,5 Prozent im November. Im Gegensatz dazu würde die „junge Generation“ auf Empfehlungen vertröstet. „So wird bei Vertretern der jungen Generation das Gefühl verstärkt, dass sie zwar angehört, aber nicht gehört werden.“ Die Studierenden selbst wollen beim Dialog sinnvoll mitgestalten und nicht nur gehört werden.
Aber auch darüber hinaus sollen sich alle Studierenden an der Hochschuldebatte beteiligen können. Flankierend zum Hochschuldialog gibt es offene Veranstaltungen und die Möglichkeit, sich online zu beteiligen – die Diskussion soll allen möglich sein. Die ÖH organisiert außerdem einen offenen Kongress mit dem Titel Higher Education Reloaded: Von 19. – 21. Februar soll an der Technischen Universität Wien ein offener Diskussionsraum die Möglichkeit zu Debatte, Information und Austausch über den tertiären Hochschulbereich geben. Ziel ist die Vernetzung von Studierenden mit anderen PlayerInnen im Bildungsbereich.
Wachgeküsst? Durch die Besetzungen an Österreichs Unis, die Dauer und die Schlagkraft der Protestierenden wurde Österreich – zumindest für eine gewisse Zeitspanne – wachgerüttelt. Die Studierendenproteste haben zweifelsohne zu diesem Hochschuldialog geführt. Was am Ende des Dialogs stehen wird, scheint offen. Die Entscheidung über die Empfehlungen des Dialogs treffen aber Nationalrat und Regierung. Die Universitäten – und das ist Konsens unter den HochschulpartnerInnen – brauchen mehr Geld. Was die Studierenden brauchen sind konkrete, sichtbare und sinnvolle Veränderungen: Studienbedingungen, die fördern statt hindern, ausreichend Studienplätze und keine Knock-Out-Mechanismen. Die ÖH und die BesetzerInnen appellieren an die Bundesregierung, „nach dem jetzigen Weckruf nicht erneut in einen zehnjährigen Dornröschenschlaf in Sachen Bildungspolitik zu verfallen“. Denn, so ÖH-Generalsekretärin Eva Maltschnig: „Wenn die Politik glaubt, sie hätte den Widerstand ausgesessen, wird sie sich noch wundern. Als Dekoration für einen Diskussionsprozess, der am Ende bloß das Mascherl ‚die Studis waren ohnehin dabei‘ trägt, stehen wir nicht zur Verfügung.“