Wer zahlt, schafft an
Frank Stronach stellt die Medien vor ein Problem, mit dem sie schon bei Jörg Haider überfordert waren. Was tun mit TabubrecherInnen?
Frank Stronach stellt die Medien vor ein Problem, mit dem sie schon bei Jörg Haider überfordert waren. Was tun mit TabubrecherInnen?
Einer, der Milliardenumsätze in der weiten Welt macht, hält sich nicht an Spielregeln. Die ersten Auftritte des aus der Steiermark nach Kanada ausgewanderten Milliardärs Frank Stronach waren ein Vorgeschmack auf das, was im kommenden Wahljahr auf Österreich zukommt. Die Moderatorin der Zeit im Bild 2 traute ihren Augen nicht, als sich der Austro-Kanadier Anfang Juli in einem Interview systematisch ihren Fragen entzog und sie anblaffte, dass er jetzt einmal reden wolle. Die KollegInnen aus der Branche gratulierten Lou Lorenz-Dittelbacher über den Kurznachrichtendienst Twitter dennoch zu ihrem Auftritt. Von „geistiger Inkontinenz“ bei ihrem Gegenüber ist da bei Kurier-Redakteur Michael Hufnagl die Rede, Autor und Kabarettist Dieter Chmelar lobt die „grandiose“ Arbeit. Am nächsten Tag richtet Stronach über die Krone aus, er lasse sich von einem „Schulmädchen“ nicht so behandeln. ORF-Kollege Armin Wolf fragt „Geht‘s noch?“, Standard-Blogger Robert Misik nennt den Milliardär einen „senilen Lustgreis“. Die Moderatorin selbst bedankt sich über Facebook bei Frank Stronach: „Ausgerechnet am 38. Geburtstag als Schulmädchen bezeichnet zu werden, ist ein echtes Kompliment.“
Franks mächtige Freundinnen. Mit Frank Stronachs Promi-Fotos könnte man Bücherwände füllen. In einem Werbeclip spielt Stronach eine herzliche Szene mit US-Präsident Bill Clinton ein. Ein Mann von Welt? Zahlreiche österreichische PolitikerInnen fast aller Couleurs standen und stehen auf der Magna-Payroll. Der rote Ex-Kanzler Vranitzky und der langjährige ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Rudas, Ex-Finanzminister Grasser, der blaue Ex-Minister Reichhold und der steirische Ex-Wirtschaftslandesrat Paierl sind die prominentesten Beispiele. Auch in Kanada hat Stronach ein Naheverhältnis zur Politik gepflegt – das soll ihn, berichtet die Wiener Stadtzeitung Falter, 1988 vor dem Bankrott gerettet haben: Der Finanzminister intervenierte bei jener Bank, bei der Magna Schulden angehäuft hatte und die den Konzernchef aus dem Amt jagen wollte. 1990 kaufte sich die staatliche VOEST Alpine in Stronachs Europageschäft ein und rettete so mit öffentlichen Geldern die vier deutschen und österreichischen Fabriken. Stronachs Biograph Norbert Mappes-Niediek resümiert: Der Milliardär „agiert am besten im Milieu der größtmöglichen Vermischung von privaten und öffentlichen Interessen“.
Harter österreichischer Boden. Der Mann wollte daheim am alten Kontinent immer ein Großer sein. Anders als in Kanada. Für sein wohl letztes großes Projekt nach dem vergeblichen Polit-Einstieg in Kanada, einer nicht ausgelasteten Pferderennbahn und einer gescheiterten Großinvestition in den österreichischen Fußball, muss sich Stronach mit der zweiten Reihe einer sich in Auflösung befindlichen Partei zufriedengeben. Sein skurrilster Mitstreiter: Der rote Regional-Bürgermeister aus Kärnten. 2001 bekam Gerhard Köfer den „Big Brother Award“ für seine Idee verliehen, ein Kopfgeld für DrogendealerInnen zu zahlen. Eine Wahlempfehlung für Jörg Haider gab‘s vom Spittaler Ortschef auch. Stronachs Spitzenkandidat für die Kärntner Landtagswahl ist Wunderheiler und soll seine übernatürlichen Fähigkeiten auch an Frank Stronachs Pferden ausprobiert haben. Das Dilemma der Medien. Wie geht man mit einem wie Stronach um? Gekränkter Stolz spricht aus seinen Augen, wenn er in Fernseh-Auftritten
rabiat wird und Beleidigungen austeilt. Anstatt ihn, der als Held empfangen werden sollte, gebührend zu feiern, gräbt die journalistische Szene in seinen Schweizer Steuererklärungen, in den Eurofighter- Gegengeschäften und in den Lücken seiner Biographie.
Das Absurde daran: Es schadet dem Milliardär vorerst nicht. Der Aufwärtstrend in den Wahlumfragen ist trotz viel kritischer Berichterstattung ungebrochen. Zuletzt kratzte Stronach an der 20-Prozent- Hürde. Das liegt zum einen daran, dass Stronach alsAnti-Establishment-Kandidat antritt. Medien werden von vielen ÖsterreicherInnen als Teil des Establishments wahrgenommen. Dementsprechend prallt die dort formulierte Kritik an Stronach weitgehend an ihm ab – noch mehr: Er kann sich als Opfer darstellenoder als gefährlicher Gegner eines Systems, obwohl er so viele Jahre daran mitgenascht hat. Das Haider‘sche und bereits von Strache kopierte „Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist“ feiert fröhliche Urständ‘. Regionalmedien sind auffällig vorsichtig im Umgang mit Stronach. Der hat angekündigt, mindestens 25 Millionen Euro in den Wahlkampf investieren zu wollen – in etwa soviel, wie SPÖ und ÖVP zusammen im letzten Nationalratswahlkampf 2008 ausgegeben haben. Der Spagat zwischen der Kritik an zahlungskräftigen WerbekundInnen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten ist ein täglicher Kampf in den Redaktionen von Eisenstadt bis Bregenz.
Stronach ist ein schwieriger Fall: Ausufernd in seinen Attacken auf Medien und gleichzeitig einer der zahlungskräftigsten Kunden für 2013. Das Dilemma der Redaktionen ist ein Ausblick auf das, was den BürgerInnen dieser Republik droht, wenn sie ihn im nächsten Jahr zum Kanzlermacher wählen.
Paul Aigner hat Politikwissenschaft und Pädagogik in Innsbruck und Wien studiert und bloggt, unter anderem zum Team Stronach, auf www.querschrift.me.