Wer braucht eigentlich diese ÖH?
Es ist ein hartnäckiges Problem, dass gute politische Arbeit selten wahrgenommen oder gar gewürdigt wird, Kritik ungeachtet ihrer Legitimation allerdings schnell und ausführlich breitgetreten wird. Die Medienberichte der letzten Wochen zur ÖH verlangen nach einer ausführlichen Antwort. Ein Kommentar des Vorsitzteams der ÖH-Bundesvertretung.
Es ist ein hartnäckiges Problem, dass gute politische Arbeit selten wahrgenommen oder gar gewürdigt wird, Kritik ungeachtet ihrer Legitimation allerdings schnell und ausführlich breitgetreten wird. Die Medienberichte der letzten Wochen zur ÖH verlangen nach einer ausführlichen Antwort. Ein Kommentar des Vorsitzteams der ÖH-Bundesvertretung.
Die ÖH durfte sich in letzter Zeit nicht wenige Zweifel an ihrer Sinnhaftigkeit, ihrer Kompetenz und ihrer Bereitschaft zu „sinnvoller“ Arbeit anhören. Stein des Anstoßes waren ursprünglich die Demonstrationen gegen den sogenannten „Akademikerball“, dessen Funktion als rechtes Vernetzungstreffen kaum noch bestritten wird. Die ÖH beteiligte sich, wie auch viele andere Organisationen, am Aufruf, gegen die Abhaltung dieses Balls in den repräsentativsten Räumlichkeiten der Republik, der Wiener Hofburg, zu protestieren. Nachdem es am Rande der Demonstrationen, bei denen sich tausende Menschen friedlich auf der Straße versammelt hatten, zu Ausschreitungen kam, wurden alle Organisationen, die sich für die friedlichen Demonstrationen ausgesprochen hatten, unter den Generalverdacht gestellt, gewaltbereite Gruppen zu sein oder diese zumindest zu schützen.
Auch der Geschichte rund um den Facultas-Verlag wurde immense mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser ist als Aktiengesellschaft organisiert und gehört je zur Hälfte den Hochschüler_innenschaften an der Universität Wien und an der Wirtschaftsuniversität. Im Kreuzfeuer der Medien stand das Bruttoeinkommen des Alleinvorstandes des Verlages. Dieser erhielt 2012 tatsächlich eine astronomisch hohe Gage, was von den betroffenen Hochschüler_innenschaften auch kritisiert wurde. Der Tenor der daraufhin über die ÖH hereinbrechenden Berichte war aber ein anderer: Da ging es plötzlich um Korruption, Selbstbereicherung, Günstlingswirtschaft. Ein nicht haltbarer Vorwurf, denn der Verlagsvorstand ist kein ÖH-Funktionär – dazu müsste er nämlich erstens noch studieren und zweitens ehrenamtlich arbeiten. Darüber hinaus fließen keine ÖH-Beiträge in die Gesellschaft.
Absurde Vorwürfe. Die Aufregung gipfelte schließlich in einem Kommentar von Martina Salomon im Kurier, den sie mit den Worten „Wer braucht eigentlich die Hochschülerschaft?“ eröffnete. Kernaussage: Statt die Interessen der Studierenden zu vertreten, habe die ÖH „in erster Linie Gesellschaftspolitik im Sinn“. Ein Vorwurf, dessen Absurdität bereits ein Blick in den Alltag jener tausender Studierender, die sich in Studierendenvertretungen, Universitätsvertretungen und der ÖH-Bundesvertretung engagieren, zeigt: Allein in der ÖH-Bundesvertretung arbeiten 86 Studierende ehrenamtlich. Im Jahr 2013 fanden in der Studien- und Maturant_innenberatung, der Sozial-, der Wohnrechts- und der studienrechtlichen Beratung sowie der Beratung für ausländische Studierende ca. 2.000 persönliche und 5.700 telefonische Gespräche statt, etwa 5.000 Studierende wurden schriftlich beraten. Im Rahmen der Studien- und Maturant_innenberatung fanden 297 Schulbesuche statt, am Projekt Studieren Probieren nahmen 1.178 Schüler_innen teil – das alles nur im Rahmen der ÖH-Bundesvertretung, die Arbeit der lokalen Vertretungen miteinzubeziehen würde die Zahlen noch um ein Vielfaches steigern.
Es ist aber nicht nur Aufgabe der ÖH, Service zu bieten, sondern auch Politik mitzugestalten. Für uns ist ÖH mehr als ein Kopiershop; mit einem Skriptenverleih etwa lassen sich keine Gesetze für die Verbesserung der Studienbedingungen erwirken. Studierendenvertreter_innen kämpfen auf allen Ebenen – von Curricularkommissionen, Rektoraten bis zu Ministerien – für die Rechte von Studierenden und setzen sich für Verbesserungen in der Hochschullandschaft ein.
Wenn Salomon in ihrem Kommentar behauptet, die schlechter werdenden Studienbedingungen würden die ÖH nur am Rande interessieren, greifen wir uns an den Kopf, besteht unsere Arbeit doch zum allergrößten Teil darin, uns gegen solche Verschlechterungen einzusetzen – in Zeiten knapper Budgets sowohl der Bundesregierung als auch der Hochschulen eine undankbare Aufgabe. Wenn es der ÖH dann nicht immer gelingt, durch konstruktive Gespräche ein Bewusstsein bei der Gegenspielerin zu schaffen, muss vor Gericht gezogen werden, was zum Beispiel bei den autonomen Studiengebühren der Fall war. Ohne die ÖH wäre hier bis heute keine Rechtsicherheit gewährleistet und Universitäten würden immer noch zu Unrecht Geld von Studierenden einheben. Ohne die ÖH gäbe es keine Stimme der Studierenden in Studienkommissionen, Senaten, FH-Kollegien oder der Hochschulkonferenz, dem Beratungsgremium des Ministeriums.
Hochschulpolitik ist Gesellschaftspolitik. Darüber hinaus nimmt die ÖH auch ihr gesetzlich verankertes, allgemeinpolitisches Mandat wahr. Als engagierte Studierende sehen wir es als unsere Aufgabe, nicht einfach nur zuzuschauen, wie es Politiker_innen allzu oft tun, wenn die Rechte von Schwächeren beschnitten werden. Auch dann nicht, wenn Rechtsextremist_innen aus ganz Europa in der Hofburg tanzen und sich als „Akademiker“ bezeichnen. Gerade weil Hochschulen eine ausgesprochen braun durchsetzte Vergangenheit haben.
Hochschulen schweben nicht im luftleeren Raum und Probleme der Gesellschaft verlieren an ihren Eingangstoren nicht an Wirkung, sondern setzen sich in ihnen fort – man beachte die Frauenquoten unter Studierenden (ca. 54 Prozent), vergleiche sie mit jener bei Universitätsangestellten insgesamt (ca. 39 Prozent) und diese wieder mit jener bei Universitätsprofessor_innen (ca. 22 Prozent). Wer dann noch der Meinung ist, Feminismus gehe Studierende und ihre Vertretung nichts an, muss gegen Gesellschaftspolitik die gleiche unverständliche Abneigung hegen wie Frau Salomon, die dazu sagt, „da geht es um die Verbesserung der Welt“ und das scheinbar auch noch negativ meint. Ja, genau darum geht es – und wenn schon nicht um die Welt als Ganze, dann doch zumindest um den kleinen Teil, in dem wir uns täglich bewegen.
Vor allem sollten wir aber nicht die vielseitige, ehrenamtliche Arbeit und das Engagement von über 1.000 Studierenden in populistischer und destruktiver Kritik untergehen lassen. Wir möchten hier unseren Appell an alle engagierten Studierenden richten, die tagtäglich ehrenamtlich für die Interessen von Studierenden einstehen und kämpfen: Macht weiter so.
Die Autor_innen, Florian Kraushofer, Julia Freidl, Bernhard Lahner und Viktoria Spielmann, bilden gemeinsam das Vorsitzteam der ÖH-Bundesvertretung.