Von Zukunftsmusik, falscher Urlaubsidylle und Wiener Humor

  • 16.03.2017, 11:20
Wir haben uns das Festival „ Neues Wiener Volkstheater“ angesehen.

Wir haben uns das Festival „ Neues Wiener Volkstheater“ angesehen.

„Ich bin nicht harmlos. Einmal nicht!“ ruft der junge Mann in den kanariengelben Hosen und zieht eine Pistole aus seinem Mantel. Stille droht den Raum zu zerreißen. „Oida jez sei einmal leiwand“, kontert Melli und wie ein Echo folgen Lacher.

Wir befinden uns in einem der vier Theaterstücke, die im Rahmen des Festivals „Neues Wiener Volkstheater“ als szenische Lesungen inszeniert wurden. Das Festival fand von 9. bis 12. März 2017 als Kooperation des Volkstheaters und des Max Reinhardt-Seminars statt. KünstlerInnen aus beiden Institutionen gingen in enger Zusammenarbeit der Frage nach, wie zeitgemäßes Volkstheater aussehen kann.

papier.waren.pospischil“ von der burgenländischen Autorin Theodora Bauer fand sich unter den gelesenen Stücken. Das skurril- humorvolle Werk spielt mit Alter, Schein, Missverstehen und bringt mit viel Humor alternde Drogendealer und eine verwirrte und leidenschaftliche Jugend auf die Bühne. Inszeniert wurde es von Anna Marboe, die am Reinhardt Seminar studiert. SchauspielerInnen waren sowohl Studierende, als auch am Volkstheater Wirkende. In humorvoller und mitreißender Atmosphäre prallen Menschen und Welten aufeinander: Die Auszubildende Melli kommt hinter das Dunkle Geheimnis ihrer Chefin, die im Hinterzimmer der Papierhandlung heimlich mit Drogen dealt. Als die Frau Aussteigen will, kommt sie in Konflikt mit ihrem Kollegen. Zufällig platzt ein junger Mann, der einem Selbstmordversuch unternehmen will, in die Situation.

[[{"fid":"2408","view_mode":"colorbox","fields":{"format":"colorbox","field_file_image_alt_text[und][0][value]":"Theaterszene. Ein Mann sitzt am Klavier, eine Frau an einem beleuchteten Tisch, vor ihnen ist das Publikum zu sehen.","field_file_image_title_text[und][0][value]":"Foto: Johanna Rauch"},"type":"media","attributes":{"alt":"Theaterszene. Ein Mann sitzt am Klavier, eine Frau an einem beleuchteten Tisch, vor ihnen ist das Publikum zu sehen.","title":"Foto: Johanna Rauch","height":"253","width":"380","class":"media-element file-colorbox"}}]]

Die fantasievolle und doch minimalistische Inszenierung des Stückes „Kalami Beach“ von Akin E. Şipal überzeugte mit schlichtem Bühnenbild, herausragenden schauspielerischen Leistungen und der außergewöhnlichen Regie Maria Sendlhofers. Die szenische Skizze des neuen Textes behandelt das Treffen einer Türkin und eines Deutschen auf Korfu. Nach ihrem Selbstmordversuch fischt er sie aus dem Meer, worauf die beiden eine halbherzige Affäre beginnen. Als die vermeintlich unfruchtbare Türkin schwanger wird, stellt sich die Frage nach einer gemeinsamen Zukunft, in der die Frage nach der eigenen Identität widerhallt.

Außerdem aufgeführt wurde „Zwillingssterne“ von Florence Read (Übersetzung von Michael Sommer). Das mehrfach ausgezeichnete Stück erzählt in verschiedenen kurzen Szenen von Begegnungen zweier Menschen.

In eine versunkene Stadt, in der die Menschen leben ohne zu leben, entführte das 1937 entstandene „Vineta“ von Jura Soyfer seine ZuschauerInnen. Durch die Erzählung des Matrosen Johnny lernt das Publikum diesen Ort ohne Zeit und Erinnerungen kennen.

Interessant war das Konzept der szenischen Lesung: Einerseits war das Ablesen der SchauspielerInnen für die ZuschauerInnen ungewohnt und teilweise irritierend, da es eine Art Distanz zwischen SchauspielerIn und Rolle herstellte. Dennoch hatte es einen Vorteil: Unwillkürlich kam man ins Grübeln, wie sich das Stück weiterentwickeln könnte. Insgesamt machte die Veranstaltung Lust auf Neues und Hoffnung auf eine rosige Zukunft des Wiener Theaters.

Weitere Infos unter auf der Webseite des Volkstheaters und des Max Reinhardt Seminars.


Clara Porak studiert Deutsch Philologie und Bildungswissenschaften an der Uni Wien.

AutorInnen: Clara Porak