Studierende ohne Ablaufdatum

  • 28.09.2012, 23:30

Seit Oktober gibt es an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt das „studium liberale“. Ein Seniorstudium, ohne Studienplan, ohne Eingangsvoraussetzungen, ohne Abschluss und vorerst auch ohne Gebühr. Bei den 140 Erstsemestrigen steht nur der Wissenserwerb im Vordergrund. Zurück zum Bildungsideal?

Seit Oktober gibt es an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt das „studium liberale“. Ein Seniorstudium, ohne Studienplan, ohne Eingangsvoraussetzungen, ohne Abschluss und vorerst auch ohne Gebühr. Bei den 140 Erstsemestrigen steht nur der Wissenserwerb im Vordergrund. Zurück zum Bildungsideal?

Das Seniorstudium liberale ist nicht mit einem Seniorenstudium zu verwechseln“ stellt Paul Kellermann, emeritierter Soziologieprofessor und einer der Initiatoren klar. Während das Wort „SeniorInnen“ zu unrecht einen negativen Beigeschmack hat, wird „Senior“ aus dem Englischen mit „erfahren“ in Verbindung gebracht.

Am Anfang waren die Alten. In den ersten Jahren nach der Gründung der Uni Klagenfurt vor etwas mehr als dreißig Jahren gab es viele ältere Studierende. Durch den starken Anstieg des Anteils an jüngeren Studierenden im Laufe der Zeit fühlten sie sich aber zurückgedrängt und sahen sich oft nicht mehr als Teil der Universität. Fast 30 Jahre später bekommen sie auf Initiative von Kellermann und Rektor Heinrich C. Mayr ein eigenes Studium. In Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule, der Fachhochschule, dem Landeskonservatorium und den katholisch-pädagogischen Hochschuleinrichtungen wurde ein neues Studienmodell geschaffen.
Das Besondere: Alle können es inskribieren und werden damit zu außerordentlichen Studierenden. Die Matura oder eine erfolgreich absolvierte Studienberechtigungsprüfung sind nicht erforderlich. Es gibt keinen vorgeschriebenen Studienplan, auch ein Abschluss ist nicht vorgesehen. Es geht darum, in einzelnen Vorlesungen Wissen zu erwerben. Bestandene Prüfungen werden nicht mit Zeugnissen, sondern mit Zertifikaten ausgewiesen. Für Kellermann ist die Selbstorganisation des Studiums ein zentraler Aspekt, der durch das „studium liberale“ wieder stärker aufleben soll. „Selbstverantwortlichkeit der Studierenden ist nur möglich, wenn ihnen diese gewährt wird.“ Und: „Je mehr sich die Studierenden ihr Studium selbst organisieren, umso weniger Leute braucht man, um sie zu kontrollieren und anzuleiten“, erläutert Kellermann die hinter dem neuen Studium stehenden Denkansätze.

Kreativität bei der Lehrveranstaltungswahl. Zur Auswahl stehen Vorlesungen der Studienrichtungen Geschichte, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Publizistik, Mathematik und Betriebswirtschaft. Geschichte und Pädagogik sind die heimlichen Favoriten der Seniorstudierenden. Das „studium liberale“ wird abgerundet durch „Wissensforen“, zu denen renommierte WissenschafterInnen eingeladen werden, um über bestimmte Themen zu referieren. Außerdem gibt es regelmäßige Reflexionstermine, bei denen die Studierenden auch Kritik anbringen können.
Anfangs „dachten ältere Studierende öfter, bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit ihre Lebensgeschichte erzählen zu müssen. Dies war den jüngeren Studierenden oft zu viel“ erzählt Kellermann, jetzt aber gäbe es von den jüngeren Studierenden keine negativen Rückmeldungen mehr.
„Die meisten Probleme haben ältere Studierende bei der Online-Immatrikulation“, erklärt Siggi Hordosch, 76, Sachbearbeiter für SeniorInnen der Universitätsvertretung Klagenfurt. Er berät täglich Seniorstudierende und hat eine Erklärung für die Beliebtheit des neuen Studiums: „Ältere Studierende studieren zum Großteil aus reinem Interesse und nicht für einen akademischen Grad. Aufgrund des Erlasses der Studiengebühren ist das „studium liberale“ attraktiv, auch wenn es keine Zeugnisse gibt.“ Die Gebühren werden aber nur in der derzeitigen Pilotphase erlassen. Im kommenden Semester sollen auch die Studierenden des freien Studiums zur Kasse gebeten werden. An einem entsprechenden Modell wird noch gearbeitet. Schließlich können nur Vorlesungen belegt werden, für die keine zusätzlichen Kosten entstehen; lediglich für die Prüfung fallen Aufwände an. Diese sollen durch die Gebühren gedeckt werden. Ob es dann einen ähnlichen Knick bei den Inskriptionszahlen geben wird, wie bei der Einführung der allgemeinen Studiengebühren 2001, bleibt abzuwarten. Das junge „studium liberale“ soll es jedenfalls noch länger geben.

Daniel Gunzer studiert Publizistik und Angewandte Betriebswirtschaft in Klagenfurt.

AutorInnen: Daniel Gunzer