Mit Tabus brechen?
In „Der letzte Tanz“ dreht sich alles um eine Intimität, die es so - zumindest nach unseren gesellschaftlichen Standards - nicht geben darf. Das Brechen eines Tabus, das vielleicht als solches zu hinterfragen ist.
In „Der letzte Tanz“ dreht sich alles um eine Intimität, die es so - zumindest nach unseren gesellschaftlichen Standards - nicht geben darf. Das Brechen eines Tabus, das vielleicht als solches zu hinterfragen ist.
Ein zum Frühstück gedeckter Tisch, an welchem eine Mutter mit ihrem längst dem Kindesalter entwachsenen Sohn sitzt. Die mütterlichen Versuche, sich nach dem Wohlbefinden des Sohnes zu erkundigen, werden durch das Läuten an der Wohnungstür unterbrochen: „Wir suchen den Herrn Karl Streiner.“ Karl - verkörpert durch das deutsche Schauspieltalent Daniel Sträßer - wird trotz Protest und Unverständnis seiner Mutter eskortiert, verhört und schließlich in eine Zelle gebracht, wo er seine Untersuchungshaft abzusitzen hat.
Im zu Beginn noch schwarz-weißen Bild hat der Junge einiges in der Justizanstalt auszuhalten. Er findet sich auf engstem Raum mit vermeintlich Kriminellen wieder. Es misslingt ihm, nicht anzuecken, oder er versucht es erst gar nicht. Der Regisseur Houchang Allahyari, der in Teheran geboren wurde und bereits seit seiner Jugend in Wien wohnhaft ist, lässt die ZuseherInnen lange im Dunkeln tappen, welche Untat der Zivildiener begangen haben mag. Niemand, weder seine „Vielleicht-Freundin“ noch seine Mutter, glaubt an die Schuld von Karl. Auch er selbst ist sich keiner Schuld bewusst.
Plötzlich findet man sich in der Vergangenheit wieder: drei Monate zuvor, in Farbe. Karl Streiner bestreitet seinen ersten Tag als Zivildiener. Nachdem er sein Studium in Heidelberg abgeschlossen hat, lebt er nun wieder in Wien. Er wird für die geriatrische Abteilung eines Krankenhauses eingeteilt. Es macht ihm Spaß, doch schnell macht er Bekanntschaft mit der Alzheimer-Kranken Frau Ecker. Erni Mangold sticht in ihrer Rolle als Julia Ecker besonders hervor. Beeindruckend glaubwürdig spielt sie die vom Leben gezeichnete Patientin, die nichts auf die Meinung anderer gibt und so dem Krankenhauspersonal das Leben schwer macht und letztlich auch im Leben von Karl eine tragende Rolle spielt. Wenig überraschend also, dass sie mit dem Schauspielpreis der Diagonale 2014 ausgezeichnet wurde. Sie ist ein schwieriger Fall und „mit Absicht boshaft“. Doch irgendwie gelingt es Karl schon nach wenigen Tagen, einen Draht zu ihr herzustellen. Er liest ihr aus dem Roman „Die Geier-Wally“ vor, es entsteht eine besondere Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen Charakteren. Die alte Frau erfährt durch ihn einen Energieschub, der die bis dahin Bettlägerige flotten Schrittes tanzen lässt. Bald will die Patientin nur noch von ihrem Liebling Karl betreut werden, was ihm schließlich zum Verhängnis wird.
Fazit
Allahyari schafft es während des ganzen Films - fern von Actionszenen und Explosionen - die Spannung aufrechtzuerhalten. Zurecht also wurde die Arbeit mit dem Publikumspreis gewürdigt. Einziger Wermutstropfen an diesem insgesamt sehr gut gelungenen Spielfilm ist die Besetzung des Strafverteidigers von Karl. Er wird von Viktor Gernot, vor allem bekannt als Kabarettist und Bestandteil der ORF-Sendung „Was gibt es Neues?“, gemimt. Leider wird man das Bild des gaukelnden und lachenden Gernot vor dem inneren Auge nicht los, selbst wenn er als vermeintlich seriöser Anwalt für seinen Mandanten kämpft.
Die Rezension entstand im Rahmen der Diagonale-Serie "Dem bedrohten österreichischen Film ein Festival"
Hier geht’s zur Filmbeschreibung auf der Diagonale-Homepage.
Gerald Rumpf studiert Journalismus & PR an der FH Joanneum in Graz.