Menstruationsblutstickereien
Im Damensalon haben sich drei Künstlerinnen mit einem Ziel zusammengefunden: Sie wollen Frauen vor den Vorhang holen. Im Rahmen des Lesezeichenfestivals in Villach begaben sie sich mit Lesungen und musikalischer Umrahmung auf eine Reise mit der Destination Musenraum.
Im Damensalon haben sich drei Künstlerinnen mit einem Ziel zusammengefunden: Sie wollen Frauen vor den Vorhang holen. Im Rahmen des Lesezeichenfestivals in Villach begaben sie sich mit Lesungen und musikalischer Umrahmung auf eine Reise mit der Destination Musenraum.
Der Techniker ist noch dabei, Licht und Ton einzustellen. Die ZuschauerInnenbänke sind schon aufgebaut, die Bühne ist schon dekoriert. Simone Dueller, Alexandra Pöcher, Paula Perschke und Natalie Ofenböck sind gemeinsam auf der Bühne. Sie besprechen den Ablauf und jede liest nochmal ihren Text. Zwei Stunden später heißt es dann: „Herzlich Willkommen im Damensalon!“
Vor vier Jahren hatte Simone Dueller die Idee, in Villach den Damensalon zu gründen. Künstlerisch aktiv war sie schon vorher. „Die Kunst begleitet mich schon mein ganzes Leben. Mein Vater ist Schriftsteller und ich war dann auch im Kunstgymnasium“, erzählt Dueller, die selbst wie ein Kunstwerk aussieht. Sie trägt ein schwarzes Kleid mit weißen Punkten, das weit nach außen schwingt. Ihre schwarzen Haare sind hochgesteckt. Trotzdem hat noch ein kleiner, schräg sitzender Hut Platz. Als sie 2010 bei dem Festival „GEMMAKUN?TSCHAUN“ mitwirken wollte, rief sie den Damensalon ins Leben. „Ich wollte etwas zum Thema ‚Frausein‘ machen und mich so als Frau wieder spüren“, sagt die 31-Jährige. Die Mutter von zwei Kindern hatte damals gerade in ihrem Beruf als Kunstvermittlerin eine leitendende Position übernommen. Sie hatte das Gefühl es nicht alleine zu schaffen und kontaktierte über Facebook einige Künstlerinnen. Eine davon war Alexandra Pöcher. Etwas später kam Paula Perschke dazu und das Dreiergespann, das seither den Damensalon gestaltet, war komplett.
Der Damensalon holt immer wieder Gastleserinnen und Musikerinnen zu sich auf die Bühne, um Stereotype zum Thema Mann und Frau kritisch zu beleuchten. Jede Künstlerin behandelt ihre eigenen Themen. Dabei interessiert sich Simone Dueller besonders für Geschlechterrollen, Klischees und Hysterie. Sie geht der Frage nach, was einen Mann und was eine Frau ausmacht. In Alexandra und Paula habe sie ein perfektes Team für den Damensalon gefunden, erzählt sie: „Wir empfinden große Wertschätzung gegenüber der Arbeit der anderen. Wir haben uns gern und außerhalb des Damensalons betreiben wir auch Lobbyarbeit füreinander.“
Herzensangelegenheit Bühnenaufbau. Heute sitzen die drei gemeinsam auf der Bühne, die sie selbst aufgebaut haben. „Wir können alles machen, wie es uns gefällt“, sagt Alexandra mit einem breiten Lächeln im Gesicht: „Aber das bedeutet auch, dass der Tisch, den wir auf der Bühne haben wollen, von uns selbst die Stiege hinunter in den Kulturhofkeller getragen werden muss“. Das Bühnenbild und die Dekoration gehören den drei KünstlerInnen. „Es sind immer ähnliche Dinge. Kerzen in Gläschen, Blumen und Figuren. Es sind in unseren Augen eben schöne Dinge und das Bühnenbild liegt uns sehr am Herzen“, sagt Alexandra Pöcher.
An diesem Abend wird die Bühne von einer roten Lichterkette umrahmt. Auf der rechten Seite steht der Oberkörper einer Schaufensterpuppe, die von den Frauen liebevoll Helga genannt wird. Daneben ein weißer Rosenstock. Auf einem weißen Wollteppich steht ein Tisch und darauf eine kleine Mozartbüste und Blumen. Dueller, Pöcher, Perschke und ihre Gastleserin Natalie Ofenböck haben bereits Platz genommen. Die eingeladenen Musikerinnen Vera Kropf von der Band Luise Pop und Karin Loitsch von Instant Avi sind auch auf der Bühne.
Simone Dueller begrü.t die ZuschauerInnen im Damensalon. Das Publikum ist bunt gemischt. Männer und Frauen zwischen 20 und 60 Jahren sind gekommen. Zum vierten Mal findet der Damensalon im Rahmen des Lesezeichenfestivals statt und zum vierten Mal ist das Motto „Nachrichten aus dem Musenraum“. Nach diesem Abend werde es allerdings für längere Zeit keinen Damensalon mehr geben, verkündet Dueller. Sie ist mit ihrem dritten Kind schwanger und legt eine Babypause ein. „Ich habe versucht mit dem heutigen Abend die letzten Jahre Revue passieren zu lassen und habe Künstlerinnen eingeladen, die bei den letzten Damensalons besondere Highlights waren“, sagt Simone Dueller: „Es soll ein ‚Best of Damensalon‘ sein.“ Traurig sei sie nicht, denn es werde in Zukunft noch viele kleine Veranstaltungen geben, nur die großen Salons haben Pause, erzählt sie im Gespräch.
„Destination Musenraum“. Der Damensalon beginnt mit Musik. Karin Loitsch singt und spielt auf der Gitarre. Die 48 Jährige war von Anfang als Gästin im Damensalon mit dabei. Sie ist Modedesignerin und Musikerin. Vor fünf Jahren nahm sie das erste Album mit ihrer Band Instant Avi auf. „In der Musik kann ich frei und auch radikal sein, weil ich zu 100 Prozent ehrlich bin“, sagt die Sängerin. In der Musik sei es auch egal, ob du ein Mann oder eine Frau bist. „Man wird eher nach der Stimme beurteilt. Wichtig ist, wie hoch ich singen kann und nicht, ob ich eine Frau bin“, meint die 48-Jährige.
Simone Dueller knüpft an das Lied an und entführt das Publikum in den Musenraum. Wie jedes Jahr macht sie das, indem sie die Einleitung ihres Textes „Destination Musenraum“ liest. Vor allem der Satz: „I’m your muse, not your amusement“, bleibt dabei hängen. „Ich möchte, dass die Leute unterhalten werden, aber die Themen dürfen auch unangenehm sein. Es ist nicht meine Aufgabe, die Leute zu bespaßen“, sagt Dueller. Sie möchte die Themen, die ihr wichtig sind, so verpacken, dass die ZuschauerInnen einen schönen Abend haben, aber auch etwas zum Nachdenken mit nach Hause nehmen.
Obwohl Dueller für den Damensalon noch nie um finanzielle Unterstützung angesucht hat, hat dieser schon zweimal einen Förderpreis erhalten. „Mit dem Geld können wir wieder Gastkünstlerinnen einladen“, sagt Simone Dueller. So auch Natalie Ofenböck, die heute einen ihrer Texte vorträgt. Sie beginnt damit, für jeden Buchstaben im Alphabet ein Wort zu finden und setzt dann mit Wortspielen fort. „Ich habe das ganz schnell auf der Tastatur geschrieben. Ohne Kontext. Durch das schnelle Schreiben und meine schnellen Gedanken ergibt sich ein Rhythmus, in dem ich dann arbeite“, sagt die Künstlerin. Neben dem Schreiben zeichnet sie auch, verarbeitet Textilien und macht Musik bei Krixi Kraxi und die Kroxn. Als Frau in der Kunst habe sie oft das Gefühl, versteckt zu werden. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es nur wenige weibliche Vorbilder zu geben scheint. „Es ist Recherchearbeit, welche zu finden“, meint Natalie Ofenböck. Sie selbst habe sich nie an Vorbildern orientiert. Auch die Musikerin Vera Kropf, die zwischen den Lesungen auf der E Gitarre spielt und singt, sagt, dass sie nach weiblichen Vorbildern teilweise richtiggehend suchen musste. „Die Musikszene ist auch stark männerdominiert. Es gibt viel mehr Burschenbands als Frauenbands“, sagt Vera Kropf. In ihrer eigenen Band Luise Pop hingegen machen drei Frauen und nur ein Mann Musik.
Die Heldinnen des Alltags. Mittlerweile liest Alexandra Pöcher. Mit dem Damensalon wollten die drei Frauen auch alternative Kunst nach Kärnten holen, die es dort sonst nicht gibt. „Wir hatten auch Abende, an denen nicht mehr als drei Leute da waren“, erzählt Pöcher, „Aber das war nicht schlimm. Wir haben es ja für uns gemacht und nicht, um etwas daran zu verdienen.“ Die Meret Oppenheim- Ausstellung, die der Damensalon im Kunstforum Wien 2013 organisieren durfte, war ein besonderes Highlight für Alexandra Pöcher. Sie führten durch die Ausstellung und haben währenddessen von Oppenheims Leben erzählt. „Die Ausstellung war ein Wahnsinnserfolg und sehr gut besucht“, freut sich die Künstlerin.
Einen weiteren Höhepunkt erlebte der Damensalon im selben Jahr mit der Teilnahme an der „Langen Nacht der Museen“. Ihr Thema war „Studies from the Period & other bloody facts“. Sie arbeiteten damals auch mit echtem Menstruationsblut. „Wir haben es in Säckchen aufgefangen und dann verarbeitet.“ Simone Dueller hat zum Beispiel einen Faden in Blut getränkt und etwas gestickt. „Ich selbst habe ein Bild aus Hühnerherzen, über die ich das Blut gespritzt habe, gemacht“, sagt Alexandra Pöcher. Radikal findet sie das überhaupt nicht, sondern schön. „Die Grenze für meine Kunst ist Nacktheit. Ich will mich nicht auf der Bühne ausziehen. Und meine Kunst soll niemanden verletzten“, sagt die 30-Jährige.
Auf der Bühne sitzt jetzt Paula Perschke am Tisch. Sie trägt eine quietschgelbe Regenjacke. In ihrem Text geht sie auf die Suche nach der „einen“ Heldin. Schließlich kommt sie zu der Erkenntnis, dass sie täglich von lebenden Heldinnen umgeben sei. Perschke bezeichnet sich selbst als Feministin. Ihre Aufgabe im Damensalon sieht sie darin, Frauen, die sonst nicht zu Wort kommen würden, in der Kunst eine Stimme zu geben. „Ich habe es mir nicht ausgesucht, Kunst zu machen. Ich muss das tun, ich bin so geboren“, sagt die 30-Jährige. „Momentan bin ich frei in der Kunst, denn ich mache, was ich will. Aber ich würde gern die künstlerische Leitung in einem Theater übernehmen“, erzählt Perschke. Die Theaterszene sei aber ein Haifischbecken und männerdominiert. Trotzdem will sie sich als Frau in der Theaterwelt durchsetzen.
Den Abschluss findet der Abend mit einem musikalischen Ausklang von Karin Loitsch, Vera Kropf und Natalie Ofenböck. Die Atmosphäre ist familiär. Jede singt solange sie möchte und übergibt dann an die Nächste. Im Damensalon haben Simone Dueller, Alexandra Pöcher und Paula Perschke für Frauen und ihre Anliegen Platz gemacht. „Wir möchten Frauen vor den Vorhang holen. Natürlich wollen wir alle Männer, die uns im Alltag unterstützen. Aber auf der Bühne gibt es dann nur uns“, sagt Alexandra Pöcher.
Julia Beirer studiert Journalismus und Neue Medien an der FH Wien.