Masterdesaster
Monatelange Wartezeiten und unfaire Zusatzleistungen – wer sich mit dem Bachelor-Abschluss einer anderen Hochschule für einen Master an der Uni Wien bewirbt, muss mit vielen Widrigkeiten kämpfen. Denn weder die Verwaltung noch das Universitätsgesetz sind auf das Bologna-System ausgelegt.
Monatelange Wartezeiten und unfaire Zusatzleistungen – wer sich mit dem Bachelor-Abschluss einer anderen Hochschule für einen Master an der Uni Wien bewirbt, muss mit vielen Widrigkeiten kämpfen. Denn weder die Verwaltung noch das Universitätsgesetz sind auf das Bologna-System ausgelegt.
Simonas Studienbeginn an der Uni Wien hat etwas mit der Einführung des Bologna-Systems in Österreich gemein: Ein erfolgreicher Start sieht anders aus. Dabei schien vor einem halben Jahr alles noch so einfach. An ihr Bachelorstudium an der FH für Soziale Arbeit wollte Simona einen Master in Soziologie an der Uni Wien anhängen und damit von einer Möglichkeit Gebrauch machen, die seit der Implementierung des Bologna-Systems ständig beworben wird. Dass die Kombination Soziale Arbeit und Soziologie möglich ist, wusste sie von StudienkollegInnen, die bereits erfolgreich auf die Uni Wien gewechselt hatten. Diese mussten dafür 16 ECTS aus dem Soziologie- Bachelorstudium nachholen. Schließlich erhielt auch Simona ihren Zulassungsbescheid – allerdings mit erheblich höheren Auflagen: Obwohl sie exakt dieselben Voraussetzungen wie ihre KollegInnen mitbrachte, musste sie plötzlich 27 ECTS nachholen. „Ich habe eine Bachelorarbeit mit 80 Seiten Umfang geschrieben und Interviews geführt, jetzt muss ich Einführungskurse zum wissenschaftlichen Arbeiten machen.“
Studierenden, deren BA-Abschluss nicht zum Master passt, wird keine Zulassung gewährt. Was zu fachfremd ist, liegt im Ermessen der jeweiligen Studienprogrammleitung. Medizin-Studierende lässt das Soziologie-Institut etwa grundsätzlich nicht in den Master einsteigen. Darüber hinaus darf die Studienprogrammleitung bis zu 30 ECTS an Zusatzleistungen aus dem Bachelorstudium als Voraussetzung für eine Zulassung zum Master vorschreiben. Auch denjenigen, die alle Voraussetzungen für einen Uni- oder Fach-Wechsel zwischen BA und MA mitbringen, wird der Studienbeginn durch die Bürokratie erschwert; Simona ist mit ihrem Problem kein Einzelfall.
Die Rechtsmittelkommission. Wie alle Studierenden, die sich bei der Zulassung ungerecht behandelt fühlen, hätte auch sie innerhalb von zwei Wochen Berufung gegen die Auflage von 27 ECTS an Zusatzleistungen einlegen können. Dann ist die Rechtsmittelkommission des Senats zuständig, der dieses Problem nicht fremd ist: Schließlich ist die Masterzulassung Berufungsgrund Nummer eins. Die Rechtsmittelkommission hat auch durchaus schon Zulassungsauflagen reduziert, wenn sie ungerechtfertigt waren. In vielen Fällen müssen die Studierenden ihren Bescheid allerdings hinnehmen, sagt Nicola Roehlich, sachbearbeitende Juristin der Kommission: „Wenn sich die Studienprogrammleitung ändert, kann sich auch die Spruchpraxis ändern, denn letztendlich handelt es sich dabei um eine Ermessensentscheidung.“ Das heißt, dass zwei unterschiedliche SachbearbeiterInnen auch zu unterschiedlichen Bescheiden bezüglich der Frage, wie viel ECTS Studierende nachzuholen haben, kommen können, wenn diese sachlich gerechtfertigt sind: Der Bescheid selbst enthält aber kaum mehr als eine einzeilige Begründung. Darüber hinaus erkundigen sich die Studierenden häufig bei der falschen Stelle – denn wer im ersten Semester an einer neuen Uni ist, kennt sich mit den Zuständigkeiten meist nicht aus. Simona fragte etwa bei der StudienServiceStelle, statt bei der zuständigen Studienprogrammleitung Soziologie, bezüglich der hohen Auflagen nach. Sie könne schon Berufung einlegen, aber Freunde mache sie sich damit am Institut keine, teilte man ihr dort mit. „Und wenn Sie das alles schon so gut können, dann gehen Sie halt zur Prüfung und schreiben ein Sehr gut.“ Simona ließ sich entmutigen und akzeptierte ihren Bescheid.
Neben der wenig hilfreichen Beratung haben viele andere Studierende ein noch größeres Problem: Zur Rechtsmittelkommission kann nur gehen, wer überhaupt schon einen Zulassungsbescheid hat. Ist der Antrag noch in Arbeit, bleibt den Betroffenen nur abzuwarten, denn die Zulassungsstelle nimmt bis zur Ausstellung des Bescheids keine Rückfragen entgegen. Im schlimmsten Fall wird der Bescheid erst nach Ende der Inskriptionsfrist ausgestellt und der/die StudentIn verliert ein ganzes Semester. Da Betroffene in diesem Zeitraum offiziell keine Studierenden sind, wird auch keine Familien- und Kinderbeihilfe ausbezahlt.
Diese Erfahrung haben Stefi und Sarah gemacht. Sie mussten bangen, ob sich die Zulassung vor Ende der Inskriptionsfrist ausgeht. Die beiden haben im Sommer dieses Jahres ihren BA an der FH für Journalismus mit einer Prüfung abgeschlossen und sich dann für einen MA in Politikwissenschaft an der Uni Wien beworben. „Das Einzige, was ich mir vorzuwerfen habe, ist, dass ich bei der BA-Prüfung zum zweiten Termin angetreten bin. Der war erst im September“, sagt Stefi. Dann hat sie ihre Bewerbung sofort persönlich auf die Uni gebracht – trotzdem dauerte es eine Woche, bis das Referat für Studienzulassung den Eingang ihrer Dokumente bestätigte. Um nichts vom laufenden Semester zu verpassen, nehmen die beiden Studentinnen bereits an Lehrveranstaltungen teil. Doch regulär können sie sich ohne den notwendigen Zugang zum Online-Anmeldesystem nicht registrieren. „Ich bin hingegangen und habe gebettelt, dass ich trotzdem teilnehmen darf. Bei einem Seminar hat’s funktioniert“, erzählt Sarah. Einer ihrer Studienkollegen wartete ganze 14 Wochen auf die Zulassung zum Master, für die eigentlich nur rund zehn Wochen vorgesehen sind. Als er sich bei der Studienprogrammleitung Politikwissenschaft beschwerte, wurde ihm mitgeteilt, dass dies sinnlos sei, „weil eh alle wissen“, dass es lange dauert. Da man ohne Bescheid nicht bei der Zulassungsstelle nachfragen darf, wandte er sich an das Beschwerde- und Verbesserungsmanagement“ der Uni Wien. Die Stelle ist mit einer Person besetzt – für 80.000 Studierende.
Bolognas Erbe. Die langen Wartezeiten und unterschiedlichen Zulassungsbedingungen sind nicht nur Resultate der fehlenden finanziellen Mitteln, sondern auch der Einführung des Bologna-Systems: Mit dem Universitätsgesetz 2002 (UG02) wurden Magister- Studien auf das internationale Bachelor-Master-System umgestellt. Schrittweise wurden Studienpläne geändert und die Studierenden dazu ermuntert, das zu tun, was im englischsprachigen Raum gang und gäbe ist: im Master das Fach oder die Uni zu wechseln. Auf der anderen Seite sieht das UG aber die Individualisierung der Studien vor. Jede Uni sollte möglichst einen anderen Schwerpunkt setzen. „Das ist mit Bologna schwer kompatibel“, erklärt Professorin Bettina Perthold, Vorsitzende der Rechtsmittelkommission.
Während sich das Studiensystem drastisch änderte, blieb die Form der Verwaltung aber weitgehend gleich: 25 MitarbeiterInnen arbeiten im Referat Studienzulassung der Uni Wien; gerade einmal fünf davon sind für die Masterzulassung zuständig. Das heißt für all jene Studierenden, die schon an der Uni Wien ihren Bachelor abgeschlossen haben und ihr Studium nun im Master fortsetzen, seit Bologna müssen sie sich dafür nochmal extra inskribieren. Hinzu kommen 4.200 weitere Anträge pro Semester auf Zulassung mit Abschluss einer anderen Hochschule oder in einem anderen Fach. „Die MitarbeiterInnen des Referats für Zulassung stehen vor allem in den Inskriptionsfristen am Rande ihrer Leistungsfähigkeit“, sagt Roehlich. Zum Ende der Zulassungsfrist stellt die Uni zwar freie MitarbeiterInnen zur Unterstützung ein, trotzdem warten Studierende oft länger als zehn Wochen auf ihren Bescheid.
Ähnliche Probleme haben die einzelnen Institute, die entscheiden, ob und welche Lehrveranstaltungen für die Masterzulassung nachgeholt werden müssen. Auch wenn schon einmal jemand mit exakt demselben Abschluss zugelassen wurde, muss jeder Antrag einzeln geprüft werden. Für diese Prüfung ist genau eine Person aus der Studienprogrammleitung zuständig – selbstverständlich neben ihrer regulären Arbeit. Dass dabei Anträge monatelang zwischen Zulassungsreferat und den Instituten hängenbleiben ist nicht verwunderlich. Stefi und Sarah können davon ein Lied singen. Etliche Male waren sie im StudienServiceCenter, haben sich über den Verbleib ihrer Bewerbung erkundigt und beschwert. Und siehe da: Nach langem Warten wurden die Anträge schließlich vorgereiht und noch innerhalb der Frist abgelehnt, mit der Begründung, dass ihr Bachelor zu fachfremd sei. Eine Bekannte wurde aber mit dem selben Bachelor noch vor einem halben Jahr zugelassen. Stefi und Sarah werden nun in Berufung gehen. Bis dahin bekommt Stefi keine Kinderbeihilfe mehr und verliert ohne die Inskription auch ihre Mitversicherung.
Magdalena Liedl studiert Zeitgeschichte und Anglistik, Julia Prummer Rechtswissenschaften an der Uni Wien.
4 Tipps für deinen Einstieg in den Master
Wer sich an der Uni Wien mit einem Abschluss von einer anderen Hochschule für einen Master bewirbt, muss sich zuerst durch den Zulassungsprozess kämpfen. Hier ein paar Tipps, wie der Studienwechsel gelingen kann:
Vor der Antragstellung … ist es wichtig, sich umfassend zu informieren. Neben dem Einholen von Infos verschiedener Servicestellen sollte man auch bei der jeweiligen Studienprogrammleitung nachfragen, ob der Einstieg in das gewünschte Masterstudium grundsätzlich möglich ist. Da das Zulassungsreferat überlastet ist, sollten auch mehr als zehn Wochen Bearbeitungsfrist eingeplant werden.
Die Bewegung … sollte mit beglaubigten Dokumenten erfolgen. Das kostet zwar Geld, doch so kann man seine Originalzeugnisse behalten und sich gegebenenfalls auch woanders bewerben. Neben Zeugnissen sollten auch kurze Beschreibungen der absolvierten Lehrveranstaltungen beigelegt werden. Das beschleunigt den Prüfungsprozess der Unterlagen und beugt Anrechnungsproblemen vor. Zusätzlich empfiehlt es sich auch für das jeweilige Bachelorstudium zu inskribieren. Sollte der Bescheid zu spät ausgestellt werden, können Lehrveranstaltungen aus dem Master im ersten Semester über das Interessensmodul des Bachelorstudiums absolviert werden. Achtung: Die Anmeldefrist für BA-Studien endet früher als die für MA-Studien!
Die Wartezeit … dauert etwa 10-12 Wochen; das Zulassungsreferat gibt während dieser Wartezeit keine Auskunft über den Stand der Bearbeitung. Wer nach 12 Wochen noch nichts gehört hat, kann sich an das StudienServiceCenter des betreffenden Instituts wenden. Eine weitere Anlaufstelle ist das Beschwerde- und Verbesserungsmanagement der jeweiligen Uni.
Der Zulassungsbescheid … entspricht oft nicht den Erwartungen. Wer nicht oder nur mit ungerechten Auflagen zugelassen wurde, sollte zunächst bei der zuständigen Studienprogrammleitung rückfragen. Kommt es zu keiner Lösung, steht den AntragstellerInnen die Berufung bei der Rechtsmittelkommission offen. Achtung! Hier gilt eine Frist von zwei Wochen. Ab 1.1.2014 ist dann nicht mehr die Rechtsmittelkommission zuständig, sondern die neu eingeführten Verwaltungsgerichte.
Allgemeine Anlaufstellen für Probleme sind die jeweilige Studienvertretung sowie das Referat für Bildungspolitik der ÖH. Die Broschüre „Dein MAstertudium“ mit umfassenden Infos zum Masterumstieg finden sich im Downloadbereich auf oeh.ac.at.