Markt der Emotionen

  • 10.03.2014, 23:38

An der KAOSPilot Business School in Dänemark lernen Studierende und Firmen, wie Emotionen genutzt werden sollen, um Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen.

An der KAOSPilot Business School in Dänemark lernen Studierende und Firmen, wie Emotionen genutzt werden sollen, um Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen.

Ende der 1990er-Jahre wurde von den beiden US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftern B. Joseph Pine und James H. Gilmore das Ende der service economy und der Übergang hin zur experience economy verkündet. Im Zentrum der individuellen Konsumentscheidung stehen aus ihrer Sicht nicht mehr bloß Preis und Qualität des Produkts sondern Erfahrungen und Emotionen, die mit dem Produkt und dem Unternehmen verbunden werden. Um diese Identifikation von Käufer_in und Produkt zu erreichen, müssen Unternehmen laut den Wissenschaftlern möglichst authentisch agieren. Events und besonders Sponsoring gelten dabei als Schlüssel zum Erfolg.

Emotionen gewinnen somit zunehmend an Bedeutung für den Kaufprozess. Handelt es sich beim sogenannten Staging, der Entwicklung von auf Emotionen abzielenden Marketingstrategien, um eine manipulative Verkaufstaktik? Als besonders erfolgreiches Beispiel dafür gilt Red Bull, dem Attribute wie Draufgängertum und Verwegenheit bescheinigt werden. Von Red Bull gesponserte Athlet_innen stürzen sich aus fast 40.000 Metern Höhe in den Abgrund, um dem Unternehmen Pluspunkte in Sachen Authentizität zu verschaffen. Haben solche Aktivitäten, denen sich beileibe nicht nur Red Bull bedient, noch mit dem Produkt zu tun? Der Verdacht, dass emotional geladene Marketingstrategien über Produktions- und Verkaufsbedingungen unserer bunten Warenwelt hinwegtäuschen soll, liegt nahe.

progress hat im Gespräch mit einem Vertreter des Experience Design nach dem Weltbild hinter der Emotionalisierung des Konsums gefragt. Niels Jensen ist Alumnus und Verantwortlicher für das Experience Design-Programm der KAOSPilot Business School im dänischen Århus.

progress: Was ist Experience Design und wie wird es vermittelt?

Jensen: Üblicherweise schicken Unternehmen einzelne Angestellte in unsere dreitägigen Workshops. Wir bitten sie mit einer konkreten Problemstellung aus der Praxis zu uns zu kommen, die wir dann besprechen und gemeinsam angehen. Wir überlegen uns gute Geschichten und Erfahrungen, die wir mit einzelnen Produkten, Dienstleistungen oder Marken verbinden. Unternehmen kommen zu uns, um Anregungen zu bekommen, wie sie bestimmte Konsumerfahrungen prägen können, etwa mit Konzepten für Stores oder Events. Dafür spielen wir verschiedene Situationen etwa mit Rollenspielen oder Improvisationstheater durch, damit sich die Unternehmen selbst mit genau dem Gefühl, das sie ihren Kundinnen und Kunden vermitteln wollen, identifizieren können. Sie sollen selbst formulieren, welche Emotionen ihre Angebote auslösen sollen. Es gibt bestimmte Werte, die uns in unserem Konsumverhalten leiten, und wir möchten diese Werte, wie etwa Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung, von den von uns gewählten Unternehmen repräsentiert sehen. Und am allerwichtigsten ist es Konsumentinnen und Konsumenten das Gefühl zu geben, dass sie ihre eigene Konsumerfahrung mitgestalten. Menschen möchten den Firmen in ihrem Alltag begegnen, etwa in Form von Events.

Das klingt gewissermaßen nach Manipulation. Führt Experience Design Konsumentinnen und Konsumenten mit konzeptionierten Erfahrungen und Emotionen nicht auch in die Irre?

Informationen sind heute so leicht zugänglich, dass ich darin keine Gefahr sehe. Positive Erfahrungen im Konsum von Produkten eines bestimmten Anbieters können nur dann erzeugt werden, wenn positive Prinzipien, wie etwa Wertschätzung auch fix in der dortigen Unternehmenskultur verankert sind. Andernfalls wirkt es nicht authentisch. Es geht darum, mit bestimmten Situationen zu spielen, und auszuloten, wie ein Unternehmen sich bestmöglich positiv aber auch authentisch präsentieren kann.

Joseph Pine behauptet Authentizität sei heute der entscheidende Faktor für eine Konsumentscheidung. War das jemals anders?

Seit ungefähr 50 Jahren beobachten wir eine Desintegration alter gesellschaftlicher Institutionen wie Familie oder Kirche. Durch den Verlust dieser stabilen Anhaltspunkte sind wir auch als Konsumenten ständig auf der Suche nach Sicherheit. Gleichzeitig haben wir mehr Geld und mehr Freizeit als je zuvor. Da wir heute nicht mehr 16 Stunden täglich damit beschäftigt sind für unser Auskommen zu arbeiten, bleibt mehr Zeit für die Beschäftigung mit der eigenen Identität. Konsum ist identitätsstiftend geworden. In authentisch empfundenen Gütern finden wir uns oft selbst wieder.

Dass Menschen heute mehr Geld und Zeit als jemals zuvor haben, steht im krassen Gegensatz zu Phänomenen wie Burn-Out oder Working-Poor. Ist Experience Design ein Marketingkonzept, dass nur bei einkommensstarken Konsumgruppen zieht?

 Es ist ein Konzept für westliche Märkte, ja. Trotz einer extremen Polarisierung zwischen Arm und Reich, sehe ich die Nachfrage nach ökologischen Produkten aber als etwas Universelles an, ungeachtet der Einkommensstärke. Das gilt auch für Trends wie Freiwilligenarbeit. Es gibt eine allgemeine Nachfrage danach Gutes zu tun. In einer dynamischen und sich rasch verändernden Welt streben wir nach einem aktivierenden Selbstbild und wollen Anteil nehmen.

Eine gesteigerte Nachfrage danach Gutes zu tun, würde auch bedeuten, dass sich das auf Unternehmenspolitiken auswirkt. Ist der verstärkte Ruf nach mehr Corporate Social Responsibility (CSR) mehr als nur ein Marketing- Gag?

Ich glaube, dass CSR sowohl reines Marketing, als auch ernst gemeint sein kann. Wenn es die Forderung nach fair gehandelten Produkten oder guten Arbeitsbedingungen gibt – warum sollte ein Unternehmen nicht darauf eingehen? Warum können wir nicht gemeinsam mit Unternehmen für eine gute Sache kämpfen? Wenn es so einfacher ist finanzielle Mittel für Kampagnen aufzustellen, sehe ich das als eine durchwegs positive Entwicklung. Mit mehr Geld kann auch mehr bewirkt werden. Große gesellschaftliche Herausforderungen werden wir als Zivilgesellschaft in Zukunft nur gemeinsam mit Unternehmen und dem öffentlichen Sektor angehen können.

Vinzent Rest studiert Internationale Politische Ökonomie in Kopenhagen.

AutorInnen: Vinzent Rest