Hochschulfremd in Leitungsfunktionen
Die Innsbrucker Pädagogische Hochschule wirbelt Staub auf. Die Bestellung von gleich vier der fünf neuen InstitutsleiterInnen wird im Ministerium geprüft. Die Ausschreibung für diese Leitungsfunktionen steht im Verdacht, gesetzeswidrig zu sein. Kein Einzelfall, sondern ein Mosaikstein in einem System, das nicht einmal die bescheidenen demokratischen Standards der Universitäten erfüllt.
Die Innsbrucker Pädagogische Hochschule wirbelt Staub auf. Die Bestellung von gleich vier der fünf neuen InstitutsleiterInnen wird im Ministerium geprüft. Die Ausschreibung für diese Leitungsfunktionen steht im Verdacht, gesetzeswidrig zu sein. Kein Einzelfall, sondern ein Mosaikstein in einem System, das nicht einmal die bescheidenen demokratischen Standards der Universitäten erfüllt.
Vier der fünf vom Rektor bestellten InstitutsleiterInnen sind hochschulfremde Personen“, beschwert sich eine Lehrende der Innsbrucker Pädagogischen Hochschule (PH). Geht es nach dem Gesetz, hat sie recht mit ihrer Kritik. Die Ausschreibung für die Leitungsfunktionen hatte Rektor Markus Juranek im März diesen Jahres unüblicherweise per E-Mail verschickt, sie liegt PROGRESS vor. Angesprochen fühlen sollen sich laut Ausschreibung alle Lehrerinnen und Lehrer, die bisher an den Pädagogischen Akademien des Bundes oder am Pädagogischen Institut Tirol „im Ausmaß von wenigstens einer Wochenstunde verwendet werden.“ Der Knackpunkt liegt wie so oft im Detail. Laut Gesetz müssen die InstitutsleiterInnen nämlich aus den Reihen des Stammpersonals kommen, die Regierungsvorlage argumentiert das mit der notwendigen Kontinuität.
Ministerium prüft Bestellung. Der Innsbrucker PH-Rektor rechtfertigt sich, es gäbe bei der Bestellung keine Unregelmäßigkeiten. Das Bildungsministerium verweist auf Nachfrage auf das laufende Prüfverfahren, zu dem man keine Auskunft erteilen könne. Bei einem Tirol-Besuch hatte Ministerin Schmied Mitte Oktober das Verfahren und die mögliche Neuausschreibung bestätigt. Wann es abgeschlossen sein wird, konnte sie nicht abschätzen. Die InstitutsleiterInnen haben inzwischen ihre Arbeit aufgenommen. Dazu gehören Aufgaben wie die strategische Entwicklung der PH oder die Evaluierung der Lehrpläne. „Die neuen LeiterInnen werden mit allen PH-Interna vertraut gemacht“, so die eingangs zitierte Lehrende. Sie befürchtet, der ihrer Ansicht nach rechtswidrige Bestellungsvorgang werde mit Verweis auf die langfristigen Aufgaben der LeiterInnen nicht mehr rückgängig gemacht.
Ein anderer Innsbrucker Rektor hat in seiner Eröffnungsrede zu den „Innsbrucker Bildungstagen“ klar zu den Pädagogischen Hochschulen Stellung bezogen. Der neue Leiter der Leopold-Franzens-Universität will, dass die fachliche Ausbildung aller Hauptschul- und GymnasiallehrerInnen gemeinsam an der Universität stattfindet. „Nur hier sind wir am Puls der Zeit und können höchste Qualifikation garantieren“, so Karl-Heinz Töchterle. Das würde eine Neuordnung der LehrerInnenausbildung bedeuten, die schon der Rechnungshof im Jahr 2005 in seiner Stellungnahme zum Gesetzesentwurf für die Pädagogischen Hochschulen favorisiert hatte. SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser mutmaßte sogar, die Innsbrucker PH könne in die Bildungswissenschaftliche Fakultät der Stammuniversität integriert werden.
Entpolitisierung: fehlgeschlagen; Akademisierung: verpasst. Das Innsbrucker Chaos macht eine neue Diskussion über die Struktur der Pädagogischen Hochschulen notwendig. Eines der stärksten Argumente für deren Einführung waren die Akademisierung und die Entpolitisierung. Die Besetzung des Hochschulrats, der die wichtigsten Entscheidungen von der Festlegung der Lehrpläne bis hin zur Erstellung des RektorInnen-Dreiervorschlags trifft, zeigt ein fragwürdiges Verständnis von Entpolitisierung. Im fünfköpfigen Gremium sitzen drei Mitglieder, die vom Ministerium bestellt werden, der oder die amtsführende LandesschulratspräsidentIn und ein von der Landesregierung bestelltes Mitglied.
An der Universität ist das anders. Das Pendant des PH-Hochschulrats, der Universitätsrat, darf laut Gesetz nicht mit derzeitigen oder ehemaligen (rückwirkend für die letzten vier Jahre) Mitgliedern der Bundes- oder Landesregierung, des Nationalrats und Angestellten einer Partei besetzt werden. Die Mitglieder des Universitätsrats werden zu gleichen Teilen von der Bundesregierung und vom Uni-Senat bestellt. Hier könnten die PHs alleine schon deshalb „nicht mit“, weil es keinen Senat gibt, in dem Mitglieder der Studierendenvertretung, des universitären Mittelbaus und der ProfessorInnen sitzen. Ein erhebliches Manko, das zeigt, dass die PHs in der Frage der internen Mitbestimmung nicht akademisiert wurden.
Ganz neu sind diese Kritikpunkte nicht. Schließlich waren 2005 von den 38 Stellungnahmen zum Entwurf des PHGesetzes 30 negativ. Selbst die Bundesleitungskonferenz der Pädagogischen Institute kritisierte die „monokratische, auf den Rektor ausgerichtete Struktur“. Der Katholische Familienverband übte vor allem Kritik an der politischen Gewichtung des Hochschulrats, diese entspreche nicht der universitären Autonomie. Eine universitäre Einrichtung würden die Pädagogischen Hochschulen nicht, prognostizierte die Österreichische Rektorenkonferenz. Vielmehr bedeute der Entwurf eine „Fortschreibung des status quo“. Ähnlich die Arbeiterkammer: Das PH-Gesetz bringe keine Qualitätssicherung mit sich, die „akademischen Elemente einer Universität“ fehlen. Die Opposition sprach von Etikettenschwindel und von einer „Türschildpolitik“.
Studienqualität bleibt bescheiden. Die Studierenden sind massiv von der Debatte über die PHs betroffen. Die Gleichstellung von Hauptschul- und GymnasiallehrerInnen ist nach wie vor nicht in Sicht. Zu unterschiedlich bleibt die Ausbildung. Das schlägt sich im Job dann am Lohnzettel nieder. Dafür ist der Zugang zu den PHs schwieriger als zum Lehramtsstudium. Zugangsbeschränkungen können PH-RektorInnen nämlich per Verordnung beschließen, dafür gibt es keinerlei Kriterien.
Das Chaos an der Innsbrucker PH, das sich auch auf das Klima an der Hochschule und damit auf die Qualität des Studiums niederschlägt, kommt nicht von ungefähr. Eine Struktur, die den RektorInnen völlig unverhältnismäßige Rechte einräumt, sorgt naturgemäß für Unruhe unter den Lehrenden und Studierenden. Die Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf zeigen: Auch ohne den Innsbrucker Sonderfall der fragwürdigen Besetzung von Spitzenfunktionen haben PHs das Etikett „akademisch“ nicht verdient. Das geht hauptsächlich zu Lasten der Studierenden, die nicht von der vermeintlichen Hochschulwerdung profitieren, zusätzlich noch unter den Folgewirkungen der undemokratischen Struktur leiden. Für die Innsbrucker PH kann man nur auf eine Neuausschreibung der Institutsleitungsfunktionen hoffen. Langfristig brauchen die Pädagogischen Hochschulen ohnehin eine Generalsanierung ihrer rechtlichen Grundlagen unter Einbindung der Lehrenden und der Studierenden.
Paul Aigner studiert Politikwissenschaft und Pädagogik in Innsbruck.