Hörsaal statt Badestrand
In den Sommerferien bieten viele Universitäten wieder geblockte Kompaktkurse an. Leicht verdiente ECTS-Punkte oder doch überforderndes Marathon-Pauken
In den Sommerferien bieten viele Universitäten wieder geblockte Kompaktkurse an. Leicht verdiente ECTS-Punkte oder doch überforderndes Marathon-Pauken
Drei Monate lang keinen Hörsaal betreten müssen: Ein Traum, der sich für prüfungsgeplagte Studierende alljährlich im Sommer erfüllt. Auch wenn die ein oder andere Seminararbeit noch zu schreiben ist, ein Ferialpraktikum ansteht oder der Nebenjob schon wartet – von Juli bis September stehen Urlaub und Entspannung im Vordergrund. Gänzlich vorlesungsfrei bleibt die so genannte vorlesungsfreie Zeit aber nicht: Viele Unis bieten in den Sommermonaten zusätzliche Kompaktkurse an.
Semesterstoff in drei Wochen. Das umfassendste Angebot steht den Studierenden der WU Wien offen. Im Rahmen der Sommeruni 2010 werden vom 30. August bis zum 25. September an die 30 geblockte Lehrveranstaltungen angeboten – hauptsächlich aus stark nachgefragten Bachelor-Studiengängen (das konkrete Programm stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest). Im letzten Jahr war die Teilnahme an den Kompaktkursen mit insgesamt 2.900 Plätzen beschränkt – also durchschnittlich etwa 100 TeilnehmerInnen pro Kurs. Innerhalb von drei Wochen konnten Lernwillige etwa den Semesterstoff der Vorlesung „Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht I“ erlernen und direkt im Anschluss die Prüfung absolvieren. Auch Lehrveranstaltungen für Erstsemestrige und Sprachkurse wurden angeboten. Dieses Jahr können sich Interessierte ab dem 16. August für einzelne Angebote anmelden.
Das Ziel der Sommeruni ist die „Flexibilisierung des Studiums“, wie die ÖH WU auf ihrer Webseite schreibt. Studierende sollen die Möglichkeit haben, einzelne Kurse in den Ferien nachzuholen und ihr Studium zu beschleunigen. „Hauptsächlich nutzen Höhersemestrige und erwerbstätige Studierende das Angebot“, sagt WU-Mitarbeiterin Katharina Steiner. Mithilfe der Kompaktkurse könnten Studium und Beruf leichter unter einen Hut gebracht werden.
Parallelveranstaltungen. Auch andere Universitäten bieten im Sommer geblockte Lehrveranstaltungen an, allerdings nicht in demselben Umfang wie die WU. Einzelne Studiengänge der Uni Wien halten Kompaktkurse für jene Lehrveranstaltungen ab, welche im Sommersemester besonders stark überlaufen waren. Studierende der Politikwissenschaft können zum Beispiel im September die Übung „Qualitative Methoden“ als Blocklehrveranstaltung besuchen. Für die Studiengänge haben die Kompaktkurse in den Ferien den Vorteil, dass damit für die nachfolgenden Semester Kapazitäten frei werden.
Auch an der Boku Wien finden im September einige Lehrveranstaltungen – wie zum Beispiel BWL – als „Parallelveranstaltungen“ statt, so Maria Schuster vom Zentrum für Lehre an der Boku. Diese geblockten Kurse stellen ein zusätzliches Angebot für die Studierenden dar. Aufgrund der „anwendungszentrierten Ausbildung“ würden auch einzelne Projekte der Studierenden über den Sommer weiterlaufen. Die TU Wien bietet in den Sommermonaten hingegen keine Kompaktkurse an. Die vorlesungsfreie Zeit werde hauptsächlich für die Forschung verwendet, sagt TU-Pressesprecher Herbert Kreuzeder, „wie man es an einer Forschungsuniversität eben erwartet.“ Studierende können etwa Praktika in Labors absolvieren.
Lerneffekte umstritten. Grundsätzlich bieten geblockte Sommerkurse den Vorteil, in relativ kurzer Zeit eine Lehrveranstaltung absolvieren zu können – und dafür die ECTSPunkte einzusacken. Auch erhalten jene Studierende eine zweite Chance, die während des Semesters keinen Seminarplatz ergattern konnten. Jedoch stellt sich die Frage, ob ein Kompaktkurs dieselbe Lernqualität bietet wie eine Lehrveranstaltung, die sich über ein ganzes Semester erstreckt. Generell wird angenommen, dass der Lerneffekt in einer geblockten Lehrveranstaltung höher sei. Eine Forschergruppe aus Leipzig kam in einer Studie 2007 hingegen zu dem Schluss, dass Blockveranstaltungen einem normalen Unterricht nicht überlegen sind. Schlussendlich muss jede Studentin und jeder Student für sich selbst entscheiden, wie sie oder er am besten lernen kann.