Geschichte der ÖH- ein kurzer Überblick
Geschichte der ÖH- ein kurzer Überblick
Die Anfänge
Die Idee zur Gründung einer allgemeinen Studierendenvertretung kam schon Ende des 19. Jahrhunderts auf. So forderte die 1893 gegründete „Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten“ bereits 1896 die Errichtung einer solcher Interessenvertretung an der Universität Wien.
Diese Forderungen scheiterten jedoch an den Widerstand von deutschnationalen Studierendengruppierungen und der Universitätsleitung. Es sollte von der Gründung und dem Zerfall der ersten Republik, zwei verheerende und grausame Weltkriege, sowie das Überstehen des Austrofaschismus und der NS-Schreckensherrschaft andauern, bis im September 1945 per Gesetzesakt der provisorischen Staatsregierung Renner die Österreichische Hochschüler_innenschaft formal gegründet wurde. Schon zuvor im April 1945 konstituierte sich ein sogenannter „Sechserausschuss“, welcher die Leitung einer provisorischen studentischen Selbstverwaltung übernahm. Dieser „Sechserausschuss“ wurde später zu einem „Zehnerausschuss“ und danach zum „Hauptausschuss der Demokratischen Studentenschaft“ erweitert. Dieser Hauptausschuss verstand sich als provisorisch eingerichtete Studierendenvertretung, bestehend aus fünf Fachgruppenleiter_innen und je einer/m Vertreter_in der drei politischen Fraktionen. Bereits in dieser Zeit wurden die ersten Arbeitsreferate gegründet, welche die späteren Strukturen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft wesentlich mitprägen sollten.
Mit dem Erlass des Hochschulgesetzes 1945 wurden sämtliche bisherigen Organe aufgelöst und in die neue Körperschaft öffentlichen Rechts „Österreichische Hochschülerschaft“ übergeführt. Die studentische Selbstverwaltung war in diesem Hochschulgesetz zwar formal geregelt, jedoch hatten die Rektoren ein Einspruchsrecht gegen ÖH-Beschlüsse und durften auch studentische Funktionäre des Amtes entheben. Die studentische Selbstverwaltung wurde erst mit dem Hochschülerschaftsgesetz 1950 tatsächlich verankert und realisiert. Bis zur ersten ÖH-Wahl schlugen die drei anerkannten Fraktionen FÖST (Freie Österreichische Studentenschaft), VSStÖ (Verband Sozialistischer Studenten) und die Kommunisten als Zwischenlösung den parteilosen Rudolf Wengraf zum provisorischen Vorsitzenden. Am 19. September 1946 war es dann soweit, mit einer 82% Wahlbeteiligung fand die erste ÖH-Wahl statt.
Soziale Studentenpolitik in der Nachkriegszeit
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs stand der Wiederaufbau der Hochschulen im Vordergrund. Sowohl Student_innen als auch Lehrende folgten im Mai 1945 den Aufruf der Universität Wien die zerstörten Universitätsräumlichkeiten wieder instand zu setzen. Neben der Wiederherstellung der Universitätsgebäuden stand auch die Beschaffung von Lebensmittel im Vordergrund. So berichtete die Tageszeitung „Neues Österreich“ in der Ausgabe vom 27. Mai 1947 davon, dass die Österreichische Hochschülerschaft zur Erntehilfe ausrief. Rund 70.000 Erntehelfer_innen fehlten für den Kampf ums tägliche Brot. Generell mangelte es den Student_innen in der unmittelbaren Nachkriegszeit an vielen Dingen des Alltags (Lebensmittelknappheit, Bekleidung, Medikamente etc.) und die finanzielle Unterstützungen waren sehr beschränkt. Der Fokus der Österreichischen Hochschülerschaft lag dementsprechend in der monetären Entlastung von Studierenden durch Vergabe von Stipendien und Darlehen, um die Studiengebühren zu senken. Das Sozialreferat spendete Bekleidung und versuchte Studierenden Neben- und Ferialjobs zu vermitteln.
Neben der Grundversorgung bemühte man sich auch die Freizeit- und Kulturaktivitäten zu fördern. Das Sportreferat organisierte regelmäßig Wettbewerbe gegen Sportler_innen aus anderen (Bundes-)Länder und das Kulturreferat richtete unter der Leitung von Initiator Friedrich Langer ein eigenes Theaterstudio für Student_Innen in der Wiener Kolingasse ein. Die Schauspieler_Innen erhielten durch ihre Auftritte mitunter Verpflegung, Medikamente und Bekleidung.
ÖH Politik ab 1950
Anfang der 1950er Jahre war die soziale Lage von Student_Innen noch immer sehr angespannt. Die wirtschaftlichen Folgen des 2. Weltkriegs waren noch lange nicht überwunden. Ein beträchtlicher Teil (ca. 60%) der ÖH-Beiträge wurden für die Deckung von Stipendien, Arztkosten, Medikamente, Versicherungskosten, Mensen und mitunter Kurbesuche zur Rehabilitation aufgewendet. Als die Rektorenkonferenz (heute Universitätskonferenz) 1951 eine Verdopplung und später sogar eine Verfünffachung der Studiengebühren verlangte, gingen die Wogen in der ÖH hoch. Am 13.Oktober 1952 kam es dann zu einem Sitzstreik auf der Wiener Ringstraße. Die Student_innendemonstration zeigte Wirkung und die Studiengebühren wurden nur geringfügig erhöht. Anfang der 1960er Jahre begann die sogenannte „Bildungsexpansion“ und die Anzahl der Student_innen stieg rasant an. Die Universitäten benötigten aufgrund der steigender Studierendenzahlen immer mehr Geld. So wurden Kinosäle angemietet, um die überfüllten Hörsäle auszugleichen. Zwischen 29. Mai bis 7. Juni 1961 hielten in etwa 2000 Student_innen, aufgrund von ausgebliebenen Zusagen, einen einwöchigen Sitzstreik ab. Als Folge wurden eine Budgeterhöhung beschlossen.
Nach langen und zähen Verhandlungen konnte die Österreichische Hochschüler_innenschaft 1963 den Beschluss eines Studienbeihilfegesetzes durch den Nationalrat erreichen. Im Sinne eines sozialgerechten Bildungssystem hatten sozialbedürftige Student_innen - bei entsprechenden Studienerfolg – einen Rechtsanspruch auf Studienbeihilfe. Mit Beschluss des Allgemeine Hochschul-Studiengesetz 1966 (heute Universitäts-Studiengesetz) begann die erste große Studienreform. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurden zahlreiche Studienordnungen, besondere Studiengesetze und Studienpläne erlassen. Das Ziel war eine Modernisierung und Vereinheitlichung des Studienrechts. Für die Österreichische Hochschüler_innenschaft begann eine Phase sich vermehrt in den einzelnen Studienrichtungen einzubringen, um gezielter die Interessen der verschiedenen Student_innen vertreten zu können.
1970er Jahre: Eine goldene Ära
Anfang der 1970er Jahre wurde unter der Regierung Kreisky ein eigenes Wissenschaftsministerium geschaffen. An die Spitze dieses Ministeriums wurde Hertha Firnberg berufen – die erste Wissenschaftsministerin Österreichs. 1973 werden die Studiengebühren abgeschafft und mit Einführung des Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 1975 schuf man ein neues Verwaltungssystem der österreichischen Hochschulen mit wesentlichen Mitbestimmungsrechten der Studierenden. Weitere Meilensteine sollten folgen: Zugang zu den Universitäten ohne Matura durch Studienberechtigungsprüfung, Abschaffung des Numerus Clausus und der Aufnahmeprüfungen, Möglichkeit eines Doppelstudiums und Mischung von Studienrichtungen, Erweiterung der Wiederholungsmöglichkeiten bei Prüfungen, mehr Mitspracherecht auf allen Ebenen der Universität, Studentenermäßigung und Freifahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln usw. Insgesamt wurden die Universitätsstrukturen „demokratisiert“ und die Übermacht der ordentlichen Professoren abgeschwächt.
1980er Jahre: Die Umweltbewegung
Die Donaukraftwerke planten 1983 den Bau eines Wasserkraftwerks in der Hainburger Au. Trotz umwelttechnischer Bedenken seitens der Bevölkerung wurde der Bau des Kraftwerks östlich von Wien im November 1984 bewilligt. Die Österreichische Hochschüler_innenschaft protestierte an vorderster Front mit und zahlreiche Studierende nahmen an der Besetzung der Hainburger Au im Dezember 1984 teil. Die Protestbewegungen zeigten Wirkung und die Bundesregierung verhängte noch kurz vor Weihnachten einen Rodungsstopp. Nach den zahlreichen Bildungsreformen der 1970er Jahre hatte nun auch das Thema Umweltpolitik die ÖH endgültig erreicht. Man klärte vermehrt über Nachhaltigkeit, sowie fachgerechte Mülltrennung- und Entsorgung auf und setzte sich für den Ausbau von Radwegen ein.
1990er und 2000er Jahre
Im Winter 1992 beteiligte sich die ÖH an der Aktion „Der Mensch zuerst“, um der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit gegenüber Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien unter der Haider-FPÖ Regierung entgegenzutreten. An allen Universitäten fanden Veranstaltung gegen Hetze und für mehr Solidarität gegenüber Schutzsuchenden statt. Der Höhepunkt dieser Aktion wurde mit einem Schweigemarsch von über 10.000 Teilnehmer_innen und dem Lichtermeer am Heldenplatz erreicht. Bis heute setzt sich die ÖH mit der non-profit Organisation „Helping Hands“ für die Integration von Flüchtlingen ein.
Weitere Protestaktionen löste 1996 ein von der Bundesregierung angekündigtes Sparpaket aus. Diesmal demonstrierten unter den rund 40.000 Teilnehmer_innen nicht nur Studierende, sondern auch Universitätsassistent_innen und sonstige Hochschullehrende. Die Aktion sorgte zwar medial für viel Aufsehen, jedoch konnte man an dem Sparpaket nur wenig ändern. Viele Student_innen verloren daraufhin die Familienbeihilfe. Auch die Proteste gegen die Einführung der Studiengebühren Anfang der 2000er Jahre und das Universitätsgesetz 2002 blieben fruchtlos. Im Wintersemester 2001/2002 wurden Studiengebühren für Österreicher_innen in Höhe von € 363,36 und € 726,72 für Drittstaatsangehörige erhoben. Abertausende Studierende brachen daraufhin das Studium ab oder mussten aufgrund der zusätzlichen finanziellen Belastung länger studieren. Es sollte bis zum September 2008 dauern, bis der Nationalrat eine Änderung der Studiengebühren beschloss. Gebührenbefreit sind zukünftig Österreicher_innen und EWR-Bürger_innen wenn sie innerhalb der Mindeststudiendauer plus zwei Toleranzsemester studierten.
ÖH im Jahr 2021
Mit Ausbruch der Covid-19 Pandemie Ende 2019/Anfang 2020 steht die ÖH vor gänzlich neuen Herausforderungen. Seit der Verhängung des ersten Lockdowns im März 2020 wurde der Präsenzunterricht für Studierende österreichweit – mit Unterbrechungen – quasi stillgelegt. Eine Entscheidung die zum Schutz der gesamten österreichischen Bevölkerung notwendig war und ist. Jedoch darf man nicht vergessen welche fatalen Folgen dies für Student_innen mit sich bringt. Insbesondere die schweren psychischen Belastungen, ausgelöst durch fehlenden sozialen Kontakt und finanzielle Sorgen, stellen eine ernstzunehmende Gefahr für die Studierenden dar. Die Österreichische Hochschüler_innenschaft reagierte schnell und richtete einen Corona-Härtefallfonds für einkommensschwache Student_innen ein. Zusätzlich erweiterte die ÖH das kostenlose Angebot für psychologische Beratungen und setzt sich für mehr Digitalisierung an den Hochschulen ein.