Exklusive Gesundheitsstudien

  • 23.05.2014, 17:42

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt

Gedrängte Studienpläne, Wartejahre und unbezahlte Praktika stehen in den gesundheitswissenschaftlichen Studien der Fachhochschulen auf der Tagesordnung. Neben dem Studium zu arbeiten, ist kaum möglich – was zu einer schlechten sozialen Durchmischung führt.

In knapp zwei Monaten beendet Barbara König ihr Radiologietechnologie-Studium an der Fachhochschule (FH) Campus Wien. Die 23-Jährige ist eine von 4.580 Studierenden der Gesundheitswissenschaften an Österreichs FHs. Zwar entschied sie sich nach der Matura erst für ein Biologie-Studium an der Uni Wien, nach zwei Semestern erkannte sie aber, dass ihr „das Praktische“ und „der Kontakt mit Menschen“ fehlte, also trat sie beim EMS-Test an, um einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Dieser wurde ihr auch zugesagt – allerdings in Innsbruck. Ein Wohnortwechsel kam für die Wienerin aber nicht in Frage. Daraufhin begab sie sich auf die Suche nach einem anderem Studium.

Der Bachelorstudiengang Radiologietechnologie gehört neben Fächern wie Logopädie, Biomedizinische Analytik oder Musiktherapie zu den 14 an österreichischen FHs angebotenen Vollzeitbachelorstudien im Bereich der Gesundheitswissenschaften. Ihr Studium beschreibt König als „sehr technisch und anspruchsvoll“, trotzdem zog sie es ohne größere Komplikationen durch. „Es ist motivierend, wenn man ein Ziel vor Augen hat“, erklärt sie. Dadurch, dass es an den FHs kein „Verschieben aufs nächste Semester“ wie an der Universität gibt, sei alles planbarer und vor allem absehbar.

Bevor sie überhaupt zum Studium zugelassen wurde, musste König jedoch ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren, bestehend aus Motivationsschreiben, psychologischem Test, Wissensabfrage und persönlichem Gespräch, absolvieren. „Die Zugangsbeschränkungen an den FHs führen dazu, dass sich Studierende für ein Studium an mehreren oder sogar allen Standorten bewerben“, sagt Michael Hnelozub, FH-Referent der ÖH-Bundesvertretung. Die FHs haben allerdings unterschiedliche Annahmefristen, weshalb FH-Erhalter_innen schon kurz nach der Zusage eine Kaution oder Studiengebühren einheben. Zum einen, um Planungssicherheit zu haben, wie viele Studierende ein Studium beginnen – aber auch, damit „sich Studierende nicht mehr umentscheiden können“, so Hnelozub. Studierende müssen sich somit sofort entscheiden, ob sie einen bereits sicheren Studienplatz annehmen oder lieber das Risiko eingehen und abwarten, ob sie noch eine Zusage von ihrer Wunsch-FH bekommen.

Solche Mehrfachbewerbungen waren bei Tobias Haas noch kein Thema. Er absolvierte von 2008 bis 2011, im ersten Jahrgang, das Bachelorstudium Gesundheit und Krankenpflege an der FH Campus Wien. Die Bewerber_innen wurden damals fast alle aufgenommen. Heute arbeitet Haas als Krankenpfleger in einem Wiener Spital und macht an der Uni Wien den Master in Pflegewissenschaften. An den FHs selbst gibt es nur selten weiterführende Masterstudien, die meisten aufbauenden Lehrgänge kosten mehrere tausend Euro.

Zwischen zwei Nachtschichten erinnert sich Haas daran, dass sein Studiengang, der als erster dieser Art an einer FH angeboten wurde, noch schlecht organisiert war: „Es war teilweise notwendig, nach den Praktika noch auf die FH zu fahren und Prüfungen zu schreiben. Das hat sich aber mittlerweile gebessert.“ Das Krankenpflegegesetz sieht ein Mindestmaß an Praktikumsstunden während der Ausbildung vor. Bei Haas umfassten sie die Hälfte der gesamten ECTSPunkte des Bachelorstudiums. „Dadurch musste der Theorieteil in 90 ECTS gequetscht werden“.

Theorie und Praxis. „Im Prinzip sind wir Montag bis Freitag mit unseren Praktika beschäf- tigt“, sagt König. Von Beginn an ist der Stundenplan der Radiologietechnologie in Theorieblöcke mit anschließenden praktischen Übungen in Krankenhäusern oder Diagnosezentren in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland unterteilt. Nach dem Aufnahmeverfahren mussten die Studierenden unterschreiben, dass sie für Fahrtkosten und Ähnliches selbst aufkommen können, erzählt König. Wenn ein Praktikum nur halbtags läuft, geht es danach zum Theoriebüffeln zurück an die FH. Praxis bekommen die Studierenden zusätzlich dadurch, dass sie an einander üben. „Wir legen uns etwa gegenseitig ein EKG an“, so König.

Die Pflichtpraktika, die sie absolvieren muss, sind, wie auch in den anderen gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen auf der FH, unbezahlt. Bei der Studierendensozialerhebung 2011 gab kein_e einzige_r Studierende_r an, für ein Pflichtpraktikum in diesem Bereich bezahlt worden zu sein. Gleichzeitig gilt 100-prozentige Anwesenheitspflicht bei den Praktika. „Ich darf keine Sekunde verpassen“, kritisiert König, „wenn ich krank bin, kann ich aber einfach nicht kommen.“ Zwar gibt es meist die Möglichkeit das Versäumte in den Ferien nachzuholen. „Gern wird das aber nicht gesehen“, meint König.

„Das Problem, mit dem wir am öftesten konfrontiert sind, ist das der Studienjahrwiederholung“, sagt Hnelozub. Krank zu sein ist bei den Vollzeitstudien mit ihrem dichten Stundenplan nicht drin. Zwar gibt es die Möglichkeit, Fächer zu wiederholen – wenn eine kommissionelle Prüfung nicht bestanden oder die Anwesenheitspflicht in einer klinischen Übung nicht erreicht wird –, allerdings stellt dies Studierende vor weitere Probleme. „In den technischen Studien- fächern ist es meistens kein Problem, wenn man ein Fach in das nächste Jahr hineinzieht“, sagt Hnelozub. Wegen den Voraussetzungsketten in den Gesundheitsfächern „verliert man hier aber gleich ein ganzes Studienjahr“. Durch das stark begrenzte Platzkontingent in den Gesundheitswissenschaften kann es aber sein, dass im Folgejahrgang gar kein Studienplatz mehr frei ist. „Dadurch haben Studierende dann ein Wartejahr oder steigen aus dem Studium aus“, sagt der FH-Referent.

Vollzeitstudium und Teilzeitarbeit. Neben dem gedrängten Studienplan ist es schwierig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Lediglich zehn Prozent aller Studierenden der Gesundheitswissenschaften an FHs arbeiten während des ganzen Semesters, 17 Prozent jobben gelegentlich. König kellnerte an Wochenenden bis zu 30 Stunden, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, ein Job unter der Woche wäre unmöglich gewesen. Auch Haas hat während seinem Studium gearbeitet – als persönlicher Assistent: „Das waren sehr flexible Zeiten, die ich mir selbst einteilen konnte.“ Neben einem FH-Vollzeitstudium könne man im Grunde nur in „sehr prekären Verhältnissen“ jobben oder bezahlte Ferialpraktika absolvieren. Die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Studium spiegelt sich auch in der sozialen Lage der Studierenden der Gesundheitswis-senschaften wider: 54 Prozent kommen aus einem bildungsnahen Elternhaus. Somit seien diese FH- Studien auch „sehr elitäre Studien“, sagt Hnelozub.

 

Oona Kroisleitner studiert Rechtswissenschaften an der Uni Wien.

AutorInnen: Oona Kroisleitner