Doctoral Schools - miteinander oder gegeneinander?
Doctoral Schools (DS) stellen einen neuen Trend an den Europäischen Universitäten dar. Sie sind als eine besondere Einrichtung des Doktoratsstudiums zu verstehen, in der die besten Studierenden ausgesucht werden und von der Universität in größerem Maße gefördert werden. Studierende der DS bekommen im Vergleich zu den normalen Doktoratsstudierenden meistens größere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, haben oft bessere Möglichkeiten der Betreuung und genießen auch größere Prestige und Wertschätzung innerhalb der wissenschaftlichen Community. Andererseits sind die DS aber mit hohen qualitativen Anforderungen und klarer Strukturierung verbunden, die das Studium schulähnlicher machen und die Studierenden unter höheren Leistungsdruck setzen. Die DS bieten also den leistungsorientierten Studierenden eine sehr gute Möglichkeit für einen Aufstieg in ihrer wissenschaftlichen Karriere. Politisch betrachtet bedeutet die DS aber einen eindeutigen Schritt zur Elitisierung des Doktoratsstudiums. Die Ressourcen werden in einer ungleichen Masse zugunsten einer kleinen Gruppe von Studierenden verteilt, die oft als bessere Wissenschaftler_innen eingestuft werden. Ob diese Annahme stimmt, ist jedoch die Frage. Diesem gegenwärtigen Trend folgend setzte sich die Universität Wien zum Ziel, die DS universitätsweit aufzubauen und forderte im Juni 2019 die jeweiligen Fakultäten auf, Konzepte für die jeweiligen Schulen zu entwickeln. Die DS sollen als eine zusätzliche Erweiterung der gegenwärtigen Doktoratsprogramme verstanden werden und sollen als „Leuchttürme der Universität dienen, die die Attraktivität der Universität in einem internationalen Kontext erhöhen sollen“, so Vizerektor der Universität Wien Jean-Robert Tyran.
Aufbau der Doctoral Schools auf der Fakultät für Sozialwissenschaften
Die Fakultät für Sozialwissenschaften hat sich entscheiden der Aufforderung des Rektorats zu folgen und hat im Wintersemester 2019/20 eine Task Force zur Entwicklung der DS gegründet, zu der auch ich, Martin Pokorny, als Mitglied der Studienvertretung Doktorat Sozialwissenschaften eingeladen wurde. Damit eine möglichst große Inklusion von Studierendenperspektiven erreicht werden konnte, haben wir in unserer Rolle als Studienvertretung zwischen den jeweiligen Task Force Sitzungen auch eine Reihe an Gruppendiskussionen veranstaltet, bei denen Ideen und Feedback von allen interessierten Studierenden gesammelt wurden. Die Fakultätsleitung war sich bewusst, dass für ein gutes Ergebnis die Perspektiven von allen beteiligten Akteur_innen einbezogen werden müssen, demnach war der Umgang miteinander durch eine diskursive und konsensuelle Arbeitsweise gekennzeichnet. Die Task Force – Studierende, Fakultätsleitung, aber auch Rektorat – stand vor einem Problem, das wir nur gemeinsam bewältigen konnten und welches uns durch eine Zusammenarbeit großteils auch gelungen ist.
Als größter Erfolg ist die Milderung der Elitisierung zu verstehen. In der von der Task Force entwickelten Vienna Doctoral School of Social Sciences (VIDSS) wird ein Großteil der Ressourcen nicht nur für relativ kostspielige Fellowship Programmes eingesetzt, da nur eine sehr kleine Anzahl an Personen von einer Vollzeitbeschäftigung auf der Universität profitieren kann, sondern die Ressourcen werden allen Studierenden der VIDSS zur Verfügung gestellt. Entweder in Form von unterschiedlichen Gruppenaktivitäten, deren Restplätze auch Doktoratsstudierenden außerhalb der DS zugänglich gemacht werden, oder in Form von individueller Forschungsförderung. In weiterem werden in die VIDSS prinzipiell alle Studierende zugelassen, die den qualitativen Kriterien der School entsprechen und die Interesse haben, an der DS zu partizipieren. Die VIDSS versucht also möglichst inklusiv zu sein, gibt allen leistungsorientierten Studierenden die Möglichkeit, sich an der DS zu beteiligen, schließt dabei aber die ältere, klassische Variante des Doktoratsstudiums nicht aus. Zuletzt stellt auch die Inklusion von Studierenden in das Entscheidungsgremium der VIDSS (Steering Committee), in einer beratenden Funktion, einen Erfolg dar.
Studierende – neue partners in crime?
Die Inklusion von Studierenden in die Entwicklung der DS stellt auf der Fakultät für Sozialwissenschaften leider eine Ausnahme dar. „Bei der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, genauso wie bei Physik und Mathematik, wurde bezüglich DS ein Feedback von Studierenden eingeholt und berücksichtigt. Bei dem Großteil von naturwissenschaftlichen Doktorratsstudien wurden die Studierenden aber komplett ausgeschlossen bzw. faktisch vor vollendete Tatsachen gestellt,“ so Thomas Moser, Sprecher der studentischen Kurie am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften. Persönlich finde ich es schade, dass viele Fakultäten die Studierendenperspektive als unwichtig betrachten und das Potenzial der studentischen Beteiligung nicht ausnutzen wollen. Wie das Beispiel an der Fakultät für Sozialwissenschaften zeigt, ist es zwar nicht möglich, alle negativen Effekte einer neuen Maßnahme zu verhindern – die DS stellen weiterhin eine Verschulung und Elitisierung des Doktoratsstudiums dar – man kann aber sehr wohl durch eine konstruktive und konsensuelle Mitarbeit aller Akteur_innen die negativen Effekte minimieren und die positiven hervorheben, sodass im Endeffekt alle Beteiligten mit den Ergebnis zurechtkommen. Ein gemeinsamer Dialog, gegenseitiges Vertrauen und ein respektvoller Umgang miteinander sind dafür essentiell. Hoffentlich werden die Leitungen auch auf anderen Fakultäten die Studierenden immer mehr als einen wichtigen und nützlichen Partner betrachten.
Martin Pokorny studiert Soziologie im PhD und ist Studienvertreter im Doktorat Sozialwissenschaften an der Uni Wien.