Eine rote Faust, in der ein offener Käfig zu sehen ist. Aus dem Käft fliegt ein Schmetterling.

Accio Sexismus!

Was J.K. Rowling’s „starke Frauen“ leisten müssen, um im Patriarchat der Potterwelt anerkannt zu werden.

Eine rote Faust, in der ein offener Käfig zu sehen ist. Aus dem Käft fliegt ein Schmetterling.
© Anastasiaa Pohorelova @okaspero

Was verraten zentrale weibliche Charaktere in der Welt von Harry Potter über die Stellung von Frauen in der Zaubererwelt? Die folgende Analyse zeigt, dass auch in Hogwarts patriarchale Strukturen und subtile Formen von Sexismus wirken.

J.K. Rowling ist eine der bekanntesten TERFs* der Welt – und eine der einflussreichsten. Als Antrieb für ihre menschenverachtende Ideologie, für deren Verbreitung sie aktiv ihren Reichtum und ihre Reichweite nutzt, nennt sie stets Frauenrechte und den Schutz junger Menschen vor der „Gender Ideology“. Dabei stellt sie sich als Arbeiter_innenklasse-Feministin dar, die es zum Welterfolg gebracht hat. Aber dieser Welterfolg – die Harry Potter Buchreihe – wie feministisch ist der eigentlich?

*TERF steht für Trans Exclusionary Radical Feminist und wird sowohl als Selbst- als auch Fremdbezeichnung verwendet um Feminist_innen zu bezeichnen, die eine Anti-Trans-Agenda verfolgen.

Die Harry Potter-Bücher werden immer wieder dafür gepriesen, starke weibliche Charaktere zu haben. Hermine Granger, Ginny Weasley und … Luna Lovegood? Hier beginnt bereits das Problem. Für jeden starken weiblichen Charakter gibt es drei männliche, die oft mehr Präsenz, Vorbildfunktion und Plotrelevanz haben. Aber es gibt sie, die starken weiblichen Charaktere.

Wir alle lieben Hermine. Sie ist extrem clever, wesentlich empathischer als Ron und Harry, löst mehr als die Hälfte von Harrys Hindernissen und Problemen und ist trotzdem nicht mädchenhaft nervig. Denn Hermines Coolness hängt stark davon ab, dass sie ein bestimmtes Bild von Femininität verkörpert, welches J. K. vertretbar findet. Hermine schminkt sich nicht, legt keinen Wert auf Mode oder gutes Aussehen, trägt in der Regel kein Pink und hat in einer Beziehung keine anstrengendenBedürfnisse, wie zum Beispiel Lavender Brown, die es sich anmaßt, Zeit mit ihrem Freund Ron verbringen zu wollen, Emotionen auszudrücken, und noch dazu eine feminine Gender-Expression zu haben – Yikes!

Ginny Weasleys Charakter folgt demselben Narrativ. Zwar ist sie in den ersten Büchern noch ein bisschen zu fangirly– da interessiert sich Harry natürlich auch noch nicht für sie, später aber wird Ginny cool. Sie bricht Regeln, spielt Quidditch und hat für alles eine sarkastische Bemerkung parat. Potenziell für den männlichen Cast überfordernde, weiblicheEmotionen zeigt sie kaum mehr und schafft es dadurch, in den Rang der wichtigeren Charaktere aufzusteigen.

Im Gegensatz dazu steht Cho Chang, auf die Harry vor allem im vierten und fünften Buch einen starken Crush entwickelt. Sie ist wunderschön, wie Harry vielfach feststellt und hat kichernde Freund_innen, was er wiederum nervig findet. Ansonsten erfährt eins erstmal nicht viel über Cho. Das muss eins auch nicht, denn die sich anbahnende Romanze zwischen den beiden fällt ins Wasser, sobald Cho Harry mit ihren Emotionen überfordert. Dieser kann nicht verstehen, wieso das Mädchen aufgewühlt nach dem Mord ihres Ex-Freundes ist und mit Harry, der bei jenem Mord Zeuge war, darüber reden möchte. Sie schafft es nicht, ihr störendes Geweine in Schach zu halten und somit auch nicht in das Herz vom auserwählten Retter der Zaubererwelt.

Zaubererwelt, übrigens. Nicht Hexenwelt oder Zaubereiwelt. „Wizarding World“ steht stellvertretend für: Alle Zaubereiminister, die erwähnt werden, sind männlich, die Schulleitung (bis auf Dolores Umbridge, die aber von einem Mann eingesetzt und befähigt wird) ist männlich, alle Vorbilder, an denen sich Harry orientiert, sind männlich, Harrys Nemesis, Voldemort, ist männlich. Dies wird in den Büchern nie problematisiert oder eine Veränderung der Zustände gefordert.

Patriarchale Gesellschaftsstrukturen zeigen sich auch in den Beziehungen, die uns gezeigt werden. Die Weasleys, die Tonx‘ und die Malfoys folgen alle dem Prinzip der patriarchalen Familie, in der der Mann arbeiten geht und die Frau den Haushalt und die Kindererziehung übernimmt. Die Rolle der Mutter, die sich für ihre Kinder aufopfert, findet sich in Lily Potter und Molly Weasley. Diese Form von Weiblichkeit darf in J. K.s Welt bestehen und wird extrem glorifiziert.

Eine Figur, die ich immer spannend fand, ist Dolores Umbridge. Sie betritt Harrys Universum im fünften Buch, Harry Potter und der Orden des Phoenix, in dem sie zeitweise Albus Dumbledore als Schulleitung verdrängt und ein Terrorregime über die Schüler_innen verhängt, welches Bestrafung durch Folter beinhaltet. Dolores Umbridge ist eine Bösewichtin, wir sollen sie nicht mögen. Sie ist sadistisch und grausam und – ein nahezu gleichwertiges moralisches Verbrechen – sie liebt Pink. Sie trägt eine pinke Flauscheweste, hat ihr gesamtes Büro in Pink eingerichtet und Teller an die Wand gehängt, auf denen putzige Kätzchen spielen. So wie Harry Umbridge wahrnimmt, ist das Pinke und Liebliche an ihr mindestens genauso furchtbar wie ihr Sadimus. Harry hasst die Kätzchen beinahe mehr, als sich mit einer blutgespeisten Feder Narben in die Hand zu schreiben.

Als junger Mensch fand ich diesen Kontrast toll – das Sanfte, Süßliche versus die Grausamkeit. Und ich finde Umbridge immer noch einen der besten Charaktere in den Büchern. Mittlerweile habe ich aber auch bemerkt, dass diese Repräsentation nahezu die Einzige ist, die femininere Menschen in den Büchernbekommen. Alle Charaktere, die sich betont weiblich kleiden und verhalten, sind entweder böse (Rita Skeeter, Dolores Umbridge) oder nervig und oberflächlich (Lavender Brown, Fleur Delacour – wobei Fleurs Ruf vom Narrativ aufgebessert wird, als sie Bill Weasley heiratet und auch in den Kampf gegen Voldemort einsteigt).

Die Harry Potter-Bücher teilen Femininität subtil in gut und schlecht ein. Gute Femininität ist solche, die nicht als Femininität auffällt, außer in dem einen raren Moment, wo das männliche Love Interest bemerken soll, wie schön sie eigentlich ist (zum Beispiel der Weihnachtsball im vierten Band, bei dem Hermine sich quasi in eine Prinzessin transformiert, damit Ron bemerken kann, dass er eifersüchtig ist). Schlechte Femininität ist solche, die kichert, einen Wert auf ihr Aussehen legt, demnach als hohl und oberflächlich dargestellt wird und die störende Bedürfnisse und Emotionen hat.

Somit lässt sich die Bestrafung von Dolores Umbridge gegen Ende des fünften Buches auch als Bestrafung ihrer Femininität lesen. Sie wird von Hermine und Harry in den Wald gelockt und dort von (soweit wir wissen, ausschließlich männlichen) Zentauren entführt. Der Plot bestraft sie für ihre Grausamkeit, aber auch für ihren furchtbaren Geschmack bei Wanddekorationen. Als sich Umbridge ganz zum Schluss mit Harry im Krankenhausflügel befindet, ist sie dermaßen traumatisiert, dass sie kein Wort spricht und nur mehr leer vor sich hinstarrt. Es wird außerdem beschrieben, wie sie beim Geräusch von Hufen (welches Ron dann als Scherz imitiert) aufschreckt und panisch um sich schaut.
Und wir sollen bei dieser Szene Genugtuung empfinden. Harry tut das auf jeden Fall und auch die gesamte Freund_innengruppe von Harry hat kein Mitleid mit ihr. Stattdessen scherzen sie über Umbridge und vermuten, dass sie in ihrer Reaktion übertreibt.
Selbst mit dem Wissen, dass Umbridge eine furchtbare Person ist, hat mich diese Szene schon als Teenager schockiert. Es wird so stark impliziert, dass ihr unaussprechliche Dinge angetan wurden, von einer Horde extrem wütender Männer und dann wird es als gerechte Bestrafung dargestellt? Ich konnte nicht glauben, dass eine Frau diese Szene geschrieben hat.

Heute finde ich es weniger erstaunlich, nachdem J.K. Rowling ihre bittere Seite und ihren Hass auf Alles, was von ihrem Konzept von Frausein abweicht, gezeigt hat. Mittlerweile finde ich diesen Hass auch in und zwischen den Zeilen meiner ehemaligen Lieblingsbuchserie.

Was bleibt, ist eine patriarchale Zaubererwelt, die ihr Patriarchat verneint. Und eine Milliardärin, die online Hass verbreitet und ihr Geld an Gruppen spendet, die hart daran arbeiten trans* Menschen ihre Rechte zu nehmen.

Quellen:

Gustafsson, J. (2020). Gender Roles in the Harry Potter Novels. Karlstads Universitetwww.oeh.at/254111

Shaun. (2022). JK Rowling’s New Friends [Video]. YouTube. Abgerufen am 31. August 2025.

Easom, C. (2024, 8. Oktober). Top 28 Female Characters in Harry Potter (and what they say about J.K. Rowling…) [Video]. YouTube. Abgerufen am 30. August 2025.

Mauk, M. S. (2017). ‘Your Mother Died to Save You’: The Influence of Mothers in Constructing Moral Frameworks for Violence in Harry Potter. Mythlore36(1), 123. www.oeh.at/254112

Pollanz, S. (2025). Diversität und Geschlechterkonzeptionen im Bildungssystem Schule sowie im zauberhaften Hogwarts von Harry Potter [Masterarbeit, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt]. www.oeh.at/254113

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