Hinter einem Schlüsselloch erkennt man eine Frauengestalt, sie hält sich den Finger an den Mund.

Zwischen Fürsorge und Übergriff:Wie sicher ist die Gynäkologie?


Erfahrungsberichte zeigen: Geschlechterspezifische Gewalt und patriarchale Muster machen vor der Praxistüre keinen Halt.

Hinter einem Schlüsselloch erkennt man eine Frauengestalt, sie hält sich den Finger an den Mund.
© Anastasiaa Pohorelova
@okaspero

Was macht gerade die Gynäkologie zu einem so prekären Bereich? Die Natur gynäkologischer Untersuchungen – teilweise Nacktheit, Untersuchungen im Genitalbereich und an den Brüsten – kann für manche Personen unangenehm bis herausfordernd sein. Doch auch darüber hinaus bedarf die Gynäkologie als Fachbereich, der sich hauptsächlich mit – oft mehrfach – gesellschaftlich benachteiligten und strukturell diskriminierten Personengruppen auseinandersetzt, besonderer Sensibilität. Noch dazu ist ein großer Teil der Patient_innen sehr jung und damit vulnerabler. Einer deutschen Repräsentativbefragung zufolge findet der erste Besuch einer gynäkologischen Praxis im Durchschnitt bereits mit 15 Jahren statt. Nicht zuletzt ist der gynäkologische Fachbereich als oft erste Anlaufstelle sogar besonders wichtig im Kampf gegen geschlechterspezifische Gewalt beziehungsweise der Unterstützung von Missbrauchsopfern.

Ein Versorgungsengpass, der die Lage noch verschärft. Dass im gynäkologischen Bereich außerdem ein Versorgungsproblem herrscht, wird spätestens bei einem Facharzt- bzw. Fachärztinnenwechsel oder dem Auftreten einer akuten Erkrankung erlebbar. Neben dem offensichtlichen Problem der verlangsamten Versorgung und längeren Wartezeiten ergibt sich außerdem eine zusätzliche Abhängigkeit. Patient_innen nehmen schlechte Behandlungen durch Fachpersonen vielleicht eher in Kauf, wenn die Alternative wiederum lange Wartezeiten mit sich bringt. Praxen mit kurzfristigen Terminvereinbarungen und kurzen Wartezeiten werden zum attraktiven Angebot – und lassen wichtige Einschätzungen vorab zur Qualität und Passung der ärztlichen Betreuung vielleicht außen vor.

Was passiert mit Stimmen von Betroffenen? Wie also können Betroffene die Ungerechtigkeiten, die ihnen in diesem Bereich widerfahren, hörbar machen? Und warum findet die zugehörige Debatte scheinbar an den Rand der Öffentlichkeit gedrängt statt? Erinnernd an die #MeToo-Kampagne fällt auf, dass ein großer Teil des Diskurses in den sozialen Medien geschieht. Besonders deutlich wird der Hintergrund dieser Dynamik bei einem aktuellen Fall in Wien: Ein Gynäkologe, über den bei der Ärztekammer seit mehr als einem Jahrzehnt Beschwerden eingehen, versucht, unzufriedene Patient_innen juristisch einzuschüchtern. Medienberichten zufolge teilt er Klagen gegen Patient_innen aus, die ihn auf Rezensionsplattformen schlecht bewerteten.

Fälle wie dieser machen begreifbar, warum sich Schilderungen von schlechten Erfahrungen und Übergriffen oft an alternative (digitale) Orte oder sogar ins Private verlagern, um negative Folgen und Machtstrukturen zu umgehen: Eine Konsequenz systematischen Silencings der Stimmen Betroffener, das Gewalterfahrungen unausgesprochen hält. Offizielle Ansprechpartner_innen sind zudem nicht immer einfach auszumachen, und nicht alle Betroffenen haben den Wunsch oder die Ressourcen, diese zu melden, insofern sie überhaupt benennbar sind.

Anlaufstellen bei Belästigungen, Übergriffen oder sexistischen Kommentaren:

Patienten- und Pflegeanwaltschaft
für juristische Beratung
Juristische Beratung & psychologische Begleitung:
Frauennotruf: 01 71 71 9
Frauenhelpline: 0800 222 555
Beschwerden: Ombudsstelle der Ärztekammer

Quellen:

BIÖG. (o. D.). Jugendsexualität 9. Welle. www.oeh.at/254121

Der Standard. (2019). www.oeh.at/254123

DOSSIER. (2025). Freibrief für den Frauenarzt. www.oeh.at/254125

Hausbichler, B. (2022). #FrauenBeimArzt: Noch immer gilt es als „Hysterie“. In: DER STANDARD. www.oeh.at/254122

Jakobs, T; Spigarelli, I. (2019). Gewalt in der Medizin: Drahtseilakt Gynäkologie und Geburtshilfe. www.oeh.at/254124

Die Autorin hat Vergleichende Literaturwissenschaft und Psychologie studiert.


Autor_innen:

Unknown Author